Manuel Valenzuela und seine Naturweine aus 1.368 Metern Höhe

Manuel Valenzuela von Barranco Oscuro blickt auf seine Weinberge

Barranco Oscuro, zu deutsch das Dunkle Tal, zeigte sich von seiner schönsten Seite als ich kürzlich das gleichnamige Weingut und den Weinpionier Manuel Valenzuela aufsuchte. Seine Naturweine gewinnt er aus Reben, die in Hochlagen auf bis zu 1.368 Metern Meereshöhe wachsen. Es sind mit die höchsten Weinberge der andalusischen Sierra de la Contraviesa und ganz Europas. Höhenluft atmen die Weine von Barranco Oscuro somit im doppelten Sinn, denn sie werden auch in einigen der besten Restaurants der Welt kredenzt.

Hochlage zwischen Mittelmeer und Sierra Nevada
Manuel Valenzuela ist ein Mann mit wachen Augen, die sich flink bewegen, wenn er über Wein spricht. „Sprechen“ ist vielleicht nicht ganz das zutreffende Wort, denn eigentlich philosophiert Manuel Valenzuela über Wein. Es geht ihm um ein grundsätzliches Verständnis, was Wein ist und bedeutet. Kurz gefasst heißt das: Wein ist ein Naturprodukt und auf’s engste mit dem Land, auf dem er wächst, verbunden. Nach dieser Prämisse handelt Manuel Valenzuela als Winzer seit über 35 Jahren. Er ist ein Pionier in Sachen biologischer Weinanbau und der Bereitung von Naturweinen in Spanien. Dazu später noch mehr.

„Ich habe hier viel gute Luft und wenig Wasser“, beschreibt Manuel Valenzuela eingangs sein Land. Nicht ohne besorgt anzumerken, dass der Klimawandel in der Sierra de la Contraviesa seine Spuren hinterlässt und der Boden über die Jahrzehnte gesehen stetig trockener wird. Das nahegelegene Mittelmeer und die Hochlage wirken sich zumindest positiv aus: In den heißen Sommermonaten ziehen in den frühen Morgenstunden ab und an Wolken vom Mittelmeer kommend die Berge der Contraviesa hoch. Ab einer Höhe von etwa 1.000 Metern bilden sie Tau, der sich auf den Feldern und Rebstöcken ablegt und für eine Entstressung und längere Reifezeiten der Beeren sorgt.

Weinberg von Barranco Oscuro, im Hintergrund der Mulhacen
Weinberg von Barranco Oscuro, im Hintergrund Mandelbäume und der schneebedeckte Gipfel des Mulhacen in der Sierra Nevada.

Wein als universelle Sprache und der Charakter des Weinmachers
Bevor ich fortfahre, sollte ich die Besuchssituation beschreiben. Dreieinhalb Stunden nimmt sich Manuel Valenzuela Zeit, um mir sein Weingut zu zeigen und seine Idee von Wein zu erklären. Dabei spricht er einzig Spanisch und Französisch und ich bloß Deutsch und Englisch. Obwohl ich nun schon eine Weile in Spanien lebe, verstehe und spreche ich die Landessprache nur brockenweise. Manche deutsche Politiker und konservative Medien, die sich gerne über Ausländer auslassen, würden mir wahrscheinlich ein Integrationsproblem unterstellen.

Meine Frau als Übersetzerin fiel für den vereinbarten Termin krankheitsbedingt kurzfristig aus. Trotzdem wollte ich Manuel Valenzuela unbedingt treffen. Denn egal welches Weingut ich in den Provinzen Málaga und Granada besucht habe – häufig fiel sein Name. Ob Friedrich Schatz, Juan Palomar oder Miguel Maldonado – alle diese Winzer bezeichneten Manuel Valenzuela als einen die Region prägenden Vorreiter in Sachen Qualitätswein. Also fuhr ich eben alleine hin, wissend, dass mein Besuch aufgrund der Sprachschwierigkeiten kurz und peinlich werden könnte.

Das Weingut Barranco Oscuro in der Sierra de la Contraviesa
Blick auf das Weingut Barranco Oscuro, das auf dieser Seite von Mandelbäumen umgeben ist.

Nichts von meinen Befürchtungen traf ein. Die Geduld, Gelassenheit und Ruhe, mit der Manuel Valenzuela mir begegnet ist, haben mich tief beeindruckt. Eine gute Stunde führte er mich durch die Weinberge, eine weitere gute Stunde durch seinen Weinkeller und eine weitere gute Stunde nahm die Verkostung seiner Weine ein. Stets war er am erzählen, beantwortete ausführlich und detailliert meine auf Spanisch gestammelten Fragen. Ich hörte so aufmerksam wie ich konnte zu – in der Hoffnung aus einzelnen Wörtern und Teilsätzen, die ich verstehe, ein sinnvolles Ganzes zu bilden. Wenn ich dann mal auf eine Rückfrage von Manuel Valenzuela besonders ratlos dreinblickte, weil ich sie nicht verstand, zwinkerte er freundlich mit dem Auge, nach dem Motto „macht nichts Junge, ist schon gut“.

Am Ende glaube ich, dass ich den Menschen Manuel Valenzuela trotzdem oder gerade aufgrund der kuriosen Sprachsituation gut kennengelernt habe. Sein enormes Temperament, das ins Aufbrausende gehen kann, wenn er über Wein als politisches Thema spricht – wenn es zum Beispiel um biologische oder konventionelle Landwirtschaft und den Einsatz von Schwefel geht, auf den er gänzlich verzichtet. Aber auch seine romantische Liebe zum Land, seine Gutmütigkeit und seinen Witz, der hin und wieder in seiner Mimik durchblickt – Manuel Valenzuela besitzt alle Eigenschaften, die für einen guten Weinmacher bedeutend sind: eine klare Vision, Emotionen, Geduld, Erfahrung, Gelassenheit.

Feldarbeiter bei Barranco Oscuro
Landarbeiter hacken eine Weinparzelle von Barranco Oscuro.

Lernen aus Erfahrung und biologische Landwirtschaft
Das Weinmachen brachte sich Manuel Valenzuela selbst bei. Er entstammt keiner Weinbauernfamilie und ging auch nie auf eine Weinschule. Aufgewachsen ist er nahe Guadix, einer Stadt in Andalusien am nördlichen Ausläufer der Sierra Nevada. Er lebte ein paar Jahre in Frankreich und dann in Barcelona, wo er Küchen baute oder einbaute (ich verstehe die Worte „trabajador“ und „cocina“).

In den späten 1970er-Jahren kam er in die Sierra de la Contraviesa, die ein Teil der Alpujarra-Region ist. Von meinem Schwiegervater, der als Künstler ebenfalls in dieser Zeit in die Alpujarra kam, erfahre ich, dass die Gegend damals eine der ärmsten und abgelegensten Andalusiens und somit Spaniens war. Land war seinerzeit extrem günstig zu haben, denn wer konnte zog aus der Contraviesa weg. Viele Männer gingen nach Deutschland, um als Bauarbeiter oder im Straßenbau ihr Geld zu verdienen. Welcher romantische Sinneswandel im jungen Küchen(ein)bauer aus Barcelona vorging, der ihn zum Winzer in der Sierra de la Contraviesa machte, kann ich leider nicht ausführen. Manuel Valenzuela hat’s mir erzählt, aber Sie wissen schon … mein Sprachproblem …

Manuel Valenzuela legt Hand an
Eine Tafel muss wieder richtig befestigt werden.

Auf zwölf Hektar beläuft sich die Rebfläche von Barranco Oscuro. Gerade einmal um die 30.000 Flaschen im Jahr gewinnt Manuel Valenzuela aus dem Rebbestand. Sein Ertrag liegt damit das Zehn- und Zwanzigfache niedriger als bei vielen Weingütern, die konventionelle Landwirtschaft praktizieren und sich in regenreicheren Regionen befinden. Für seine Felder gilt: keine Spritzmittel, kein Kunstdünger, kein Schwefel. Dafür eine natürliche Landwirtschaft und konsequente Ertragsreduzierung, um eine bestmögliche Qualität der Beeren zu erhalten.

Die Rotweine keltert Manuel Valenzuela vor allem aus Reben wie Garnacha, Syrah, Merlot, Tempranillo, Cabernet Sauvignon und Pinot Noir. Die weißen Reben werden angeführt von Viognier und der autochthonen Vijiriega, aus der er einen exzellenten Schaumwein (Brut Nature) herstellt. Ein ebenfalls ausgezeichneter Süßwein stammt aus der Pedro Ximénez-Traube. Darüber hinaus kultiviert er für Südspanien exotische Sorten wie Albariño und Riesling. Je nach Ernte füllt er vom Riesling gerade mal 100 bis 200 Flaschen pro Jahr ab – sie tragen kein Etikett, weil sie nicht in den normalen Handel gelangen.

Manuel Valenzuela und ein belgischer Gast in seinem Weinkeller
Ein belgischer Weinliebhaber kam zwischendurch vorbei und durfte den 2016er Riesling mitverkosten.

Unverfälschte Weine mit viel Charakter und Frische
Unsere Verkostung umfasst zehn Weine. Eine gewisse Grundstilistik ist erkennbar: Aufgrund der erwähnten Hochlagen und den damit verbundenen kühlen Nächten und langen Reifezeiten der Reben liegt der Säuregehalt der Weine von Barranco Oscuro bei knackigen 7 bis 8 Gramm pro Liter. Für mediterrane Weine – wir befinden uns auf dem Breitengrad von Tunis – sind diese Werte fast schon sensationell. Eine herrliche Frische und Saftigkeit kennzeichnet somit alle Weine.

Jeder Wein verfügt zugleich über einen ganz eigenen Charakter und Geschmack: Dicht und zartfruchtig offenbart sich die Garnacha (Garnata). Betont beerig und mit einem schweren Körper kommt der sortenreine Syrah „Rubaiyat“ daher. Äußerst komplex in der Nase und am Gaumen fühlt sich der reinsortige Pinot Noir „Borgoñón Granate“ von 2006 mit seinen erdigen, animalischen und pflanzlichen Aromen an. Elegant und fein ausbalanciert schmeckt die Cuvée „1368“, von der wir die Jahrgänge 2002 und 2004 trinken: Hierfür reifen Garnacha, Syrah, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Merlot ein Jahr separat in Holzfässern, bevor sie verschnitten werden und weitere zwölf Monate im Barrique liegen.

Schaumwein Brut Nature und Rosé
Großartige Weine mit viel Charakter, hier ein Rosé aus Syrah und Garnacha und ein Schaumwein Brut Nature aus Vijiriega.

Die Weinbeschreibung muss freilich mit dem Riesling enden. Mein erster sortenreiner spanischer Riesling!! Sechs Monate war ich in Sachen Wein „Unterwegs im Land wo kein Riesling wächst“. Dabei wartete er quasi vor meiner Haustüre. Den Jahrgang 2016 probierten wir im Keller aus dem Stahltank, danach in der Vinothek den 2015er, von dem ich eine der raren Flaschen mit nach Hause nahm. Es ist ein wunderbar süffiger Wein (verzeihen Sie den saloppen Ausdruck), den ich bei einer Blindverkostung jedoch nie als Riesling erkennen würde.

Der Riesling von Manuel Valenzuela – aus dem südlichsten Zipfel Europas und einer Hochlage von um die 1.300 Metern – duftet und schmeckt selbstverständlich völlig anders als jene aus Mosel, Pfalz oder Rheinhessen. Wie einige deutsche Rieslinge hat er zwar die animierende Säure und Anklänge von reifem Apfel – seine klar dominierenden Aromen wie Hefe und Brotteig kommen jedoch aus dem mikrobiologischen Spektrum.

Cicero Zitat in der Vinothek von Barranco Oscuro
Ein Cicero Zitat in der Vinothek: Landwirtschaft ist ein würdevoller Beruf für die weisen, einfachen und freien Menschen.

Bei meinem Besuch hat Manuel Valenzuela mehrmals vom „authentischen Wein“ gesprochen. Der Duden definiert authentisch unter anderem als „unverfälscht“ und „ungeschönt“. Auf die Naturweine von Manuel Valenzuela trifft diese Definition im wahrsten Sinne des Wortes zu: Sie werden nicht filtriert, nicht geschwefelt, und ihnen werden keine industriellen Zuchthefen zur Gärung beigesetzt. Der Winzer begleitet den Wein im Werden und verfremdet ihn nicht durch künstliche Zusätze. Die Weine von Barranco Oscuro sind unverfälscht und ungeschönt und gerade deshalb so einzigartig und reizvoll für den Gaumen.

2 Kommentare

  1. Hello Herr Götz,
    Wir haben gerade ihnen Beitrag gelezen über den Barranco Obscuro und sein also noch mehr von Manuel, und seine Leidenschaft für den Wein erfahren. Schande über die Sprachbarrière, wenn ich anfange sollte mischen Sprachen wird sehr schwerig. Wir sprechen Niederländisch, und sogar Französich von Manuel war für uns machmal schwer zu folgen.
    Wir haltenSie ihr Blog unbedingt zu befolgen,
    Höfliche Befrüzing,

    Jozef und Pia
    Kortrijk, Belgiën.

    1. Hallo Herr und Frau Vande Ghinste! Vielen Dank für Ihren Kommentar! Es war toll Sie bei Barranco Oscuro kennengelernt zu haben. Sprachproblem hin oder her – es war eine schöne und irgendwie auch heitere Erfahrung mit Manuel Valenzuela sein Land zu besichtigen und seine Weine zu verkosten. Schmecken Ihnen die Weine denn, die Sie mitgenommen haben?
      Beste Grüße
      Thomas Götz

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