Blindverkostung: David gegen Goliath oder die Alpujarra gegen Spanien

Alan, Anne, Lars bei Verkostung Alpujarra vs. Spanien

Mein Nachbar und Freund Alan hegt eine gewisse Skepsis gegenüber unseren lokalen Weinen aus der Alpujarra. Er findet sie riechen und schmecken komisch und wären zu teuer für das, was man an Qualität erhalte. Neuerdings behauptete er, dass er einen Alpujarra-Wein stets erkenne. Alle hätten sie etwas an sich, was er in Worten aber nicht benennen könne.

Mit seiner Abneigung gegenüber Weinen aus der Alpujarra ist Alan nicht allein. Auch ein deutscher Weinhändler sagte zu mir, sie schmeckten irgendwie fehlerhaft, er wolle so etwas seinen Kunden nicht vorsetzen. Dass dies nicht der Weisheit letzter Schluss sein muss, beweist dagegen das hohe Ansehen der Weine in der Sterne-Gastronomie. Mit die besten Restaurants der Welt wie das vorübergehend geschlossene Noma in Kopenhagen und El Celler de Can Roca in Girona kredenzen (Natur-)Weine kleiner Weingüter aus der Alpujarra.

Um zu sehen, was dran ist an Alans Behauptung die Weine der Alpujarra könnten qualitativ nicht mithalten und seien stets erkennbar, lud ich Freunde und Familie – darunter freilich auch Alan – zu einer Blindverkostung ein, in der drei Weine aus der Alpujarra gegen drei Weine aus bekannten spanischen Weinregionen antreten würden.


Dreimal Rioja und Priorat (links) gegen dreimal Alpujarra (rechts)

Meine Auswahl bezüglich der Alpujarra-Weine für das Tasting traf ich schnell. Barranco Oscuro ist das renommierteste und bekannteste Weingut der Region. Ich entschied mich für deren sortenreinen Garnacha 2010. Ebenfalls nicht fehlen durfte mein „Hauswein“ von Garcia de Verdevique, eine Crianza 2010 mit 12 Monaten Barrique aus 70% Tempranillo und 30% Cabernet Sauvignon. Als dritten im Bunde stellte ich mir einen Joven vor, der wenig oder gar keinen Ausbau im Holzfass erfahren hat. Hier bot sich der Tempranillo „Poeta en Nueva York“ 2015 von Rambla Huarea an.

Meinen Schwiegervater Lars schickte ich dann zum Weinhändler meines Vertrauens nach Málaga. Er möge mir von dort bitte einen Tempranillo Joven sowie eine Tempranillo Crianza aus den Anbaugebieten Toro, Ribera del Duero, Cigales oder Rioja im Preissegment 5 bis 8 Euro mitbringen. Ferner einen Garnacha aus Calatayud, Campo de Borja oder dem Priorat in der Preisspanne von 15 bis 20 Euro.

Zurück kam Lars mit dem Tempranillo Joven „La Bicicleta“ 2015 aus Rioja Alavesa, einer Tempranillo Crianza 2014 von Fincas de Landaluce, ebenfalls aus Rioja Alavesa sowie dem „Les Sentius“ 2012 von Celler Joan Simó aus dem katalanischen Anbaugebiet Priorat – eine Cuvée aus 60% Garnacha, 20% Syrah und 20% Cabernet Sauvignon. Das passte, Rebsorten und Preise der drei Rotweine korrespondierten in etwa mit den Alpujarra-Weinen.

Mein Verkostungsteam setzte sich aus sieben Personen zusammen: Alan und seine Frau Judith, Anne Hunt von Casa Ana sowie Dick und Nelleke, ein niederländisches Weindistributoren-Paar, die sich mit Granada Wijnen auf südspanische Weine spezialisiert haben. Dazu gesellten sich mein Schwiegervater Lars und meine Frau Emily. Meine Wenigkeit war für das Kredenzen der Weine und den Ablauf der Blindverkostung zuständig. Ich trank die Weine natürlich ebenfalls, bewertete aber nicht mit.

Das Tasting lief in drei Runden ab. In jeder Runde servierte ich zwei Weine – einen aus der Alpujarra sowie den korrespondierenden Wein aus dem Rioja bzw. dem Priorat. Meine Gäste bewerteten im etwas abgewandelten 20-Punkte-Schema: max. 6 Punkte für den Geruch, max. 10 Punkte für den Geschmack und max. 4 Punkte für den Gesamteindruck. Zusätzlich sollten sie bei jeder Verkostungsrunde ankreuzen, welchen Wein sie für jenen aus der Alpujarra hielten. Denn eine Eingangsfrage lautete bekanntlich, ob diese einen unverkennbaren Geschmack besäßen.


Und zwischendurch gegrübelt, welcher Wein denn nun am besten mundet …

In Runde 1 trafen die Tempranillo Joven „Poeta en Nueva York“ (Alpujarra) und „La Bicicleta“ (Rioja) aufeinander. Das Duell endete insofern unentschieden, dass jeweils drei Verkoster den Poeta en Nueva York bzw. den La Bicicleta als besser bewerteten und einer sie gleich gut benotete. Bei den durchschnittlich vergebenen Punkten hatte allerdings der La Bicicleta mit einem Wert von 12,2 zu 11,9 die Nase vorn. Diese erste Runde ging also knapp an Rioja.

In Runde 2 kamen der „Garnata“ von Barranco Oscuro (Alpujarra) und der „Les Sentius“ von Joan Simó (Priorat) auf den exakt gleichen Durchschnittswert von 12,4 Punkten. Allerdings lag Barranco Oscuro bei vier Verkostern vorne, Joan Simó nur bei zweien und einmal stand es Pari. Diese Runde ging folglich denkbar knapp an die Alpujarra.

Runde 3 brachte die Entscheidung: Mit durchschnittlich guten 13,2 Punkten konnte die Tempranillo Crianza 2014 von Fincas de Landaluce (Rioja) nichts gegen die sehr guten 15,9 Punkte von Garcia de Verdevique (Alpujarra) und deren Crianza 2010 ausrichten. Der Alpujarra-Wein lag zudem bei den Bewertern mit 5 zu 2 vorne.

Das Ergebnis nach Runden lautet somit 2 zu 1 für die Alpujarra.


Es wurde gelacht und ausgespuckt …

Schauen wir die Weine im Einzelergebnis an, so ergibt sich aus unserer Blindverkostung folgende Rangliste:

  1. 15,9 Punkte: Garcia de Verdevique, Crianza 2010, Tempranillo & Cabernet Sauvignon, Alpujarra, 6 Euro
  2. 13,2 Punkte: Fincas de Landaluce, Crianza 2014, Tempranillo, Rioja, 8 Euro
  3. 12,4 Punkte: Les Sentius 2012, Celler Joan Simó, Garnacha & Syrah & Cabernet Sauvignon, Priorat, 16 Euro
  4. 12,4 Punkte: Garnata 2010, Bodega Barranco Oscuro, Garnacha, Alpujarra, 20 Euro
  5. 12,2 Punkte: La Bicicleta 2015, Bodegas Arane, Tempranillo & Viura, Rioja, 7 Euro
  6. 11,9 Punkte: Poeta en Nueva York 2015, Bodega Rambla Huarea, Tempranillo, Alpujarra, 6,50 Euro

Erstaunlich, dass es sich beim recht eindeutigen Sieger aus der Alpujarra um den günstigsten Tropfen und zudem um einen Naturwein handelt, der ohne Sulfite, Schönung und Filtrierung erzeugt wird. Es ist übrigens der Jahrgang 2006 dieser Crianza von Garcia de Verdevique, die das bereits erwähnte Noma in Kopenhagen seinen Gästen serviert. Bei einem Besuch des Weinguts hatte ich neulich die Gelegenheit diesen ausgezeichneten 2006er zu probieren – in den Verkauf gelangt er leider nicht mehr.


Und nach der Blindverkostung zusammengezählt und die Sieger gekürt (v. r. n. l.) …

Und wie verhält es sich mit dem Erkennungswert der Weine aus der Alpujarra? Konnten die Verkoster sie wirklich blind ausmachen? Zweifellos ja! Bei zwei Runden kreuzten alle Sieben den Alpujarra-Wein korrekt an. Bei einer Runde lagen sechs Verkoster mit ihrer Einschätzung richtig, es gab hier nur eine einzige Abweichung, die den Priorat-Wein für jenen aus der Alpujarra hielt.

Vor allem über diesen spezifischen Geschmack und diese unverwechselbare Charakteristik der Weine aus der Alpujarra unterhielten wir uns beim anschließenden Essen. Wir waren uns einig, dass sie deutlich intensiver riechen als jene aus dem Rioja und Priorat. Etwas erdig und animalisch – mehr oder weniger nach Bauernhof und Kuhstall. Fast schon wie manche Pinot Noirs aus dem Burgund oder ein Chateauneuf-du-Pape.

Es bietet sich abschließend also an, auf das Terroir der Alpujarra zu sprechen zu kommen: Die Alpujarra erstreckt sich in Andalusien zwischen der Bergkette der Sierra Nevada und dem Mittelmeer. Die von uns verkosteten Weine kommen aus der Sierra de la Contraviesa, die zur Alpujarra gehört. Das Weingebiet, das ich bislang der Kürze halber als Alpujarra bezeichnete, heißt genau genommen Contraviesa-Alpujarra und ist eine Subzone der D.O.P. Granda.


Es wurde gegessen und getrunken …

Wenn wir von der Contraviesa-Alpujarra als unvergleichliches Terroir sprechen, dann ist das Zusammenspiel dreier Faktoren von großer Bedeutung:

a) Reben wachsen hier in Hochlagen auf bis zu 1.400 m. ü. NHN, den höchsten Weinbergen ganz Kontinentaleuropas. Da wir uns im äußersten Süden Europas befinden, sind diese Hochlagen goldwert. Denn selbst in den extrem heißen Sommern kühlt es nachts in diesen Höhen ab, die Rebstöcke fahren ihre Produktion herunter und nehmen sich eine Ruhepause, in denen sie Säure und Tannine bilden – die Voraussetzung für einen ausbalancierten Wein.

b) Ein typisches Wetterphänomen für die Contraviesa-Alpujarra sind die vom nahen Mittelmeer hochziehenden Nebelschwaden. Sie lassen sich als Tau auf den Weinbergen nieder, kühlen die Weinberge ab und versorgen die Reben in dieser regenarmen und sehr trockenen Region mit Feuchtigkeit. Ich selbst habe einen solchen Wetterwechsel kürzlich mit Isabel del Olmo und Peter Hilgard von Los Barrancos erlebt, als wir in deren Weinbergen unterwegs waren. Bei Mittagstemperaturen im Juli von um die 40 Grad zog vom Meer plötzlich Nebel die Berge herauf, trübte den Himmel ein und es wurde feucht und frisch. Die Reben werden auf diese Weise „entstresst“.

c) Häufig vorkommende Schieferböden mit einem hohen Eisengehalt verleihen den Weinen aus der Sierra de la Contraviesa oftmals eine schöne Mineralik und Komplexität.


Und dann wurde es langsam dunkler und die Flaschen immer leerer.

Der Dreiklang aus Hochlage, Nebel vom Mittelmeer und Schieferböden erzeugt Weine, die zwar typisch mediterran fruchtig und körperbetont daherkommen, jedoch ferner über Säure, Saftigkeit und Mineralität verfügen.

Was sagt nun mein Freund Alan zum Resultat unserer Degustation? In seinen Bewertungen lagen die Cuvée aus dem Priorat sowie die Crianza aus dem Rioja ganz vorne. Beim Wein gibt es keine objektive Wahrheit, und es scheint in der Tat so, als dass ihm die Alpujarra-Weine nicht so zusagen. Er konnte sie zudem alle blind erkennen. Schon morgen allerdings – hat er mir grade erzählt – fährt er bei Garcia de Verdevique vorbei, um sich mit Wein einzudecken. Was Preis-Leistung betrifft, sind deren Tropfen nahezu unerreicht.

Alan und Anne
Alan und Anne fahren morgen zu Garcia de Verdevique.

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