Javier Sanz und sein Verdejo aus 150 Jahre alten Reben

Verdejo-Rebe in Pago Saltamontes

Im späten 19. Jahrhundert zerstörte die Reblaus praktisch alle 90.000 Hektar Weinland in der Anbauregion Rueda. Nur ganz wenige Parzellen blieben verschont, darunter Pago de Saltamontes, die heute dem Weingut Javier Sanz Viticultor gehört. 1863 erstmals schriftlich als Weinberg registriert, ist es die älteste erhaltene Lage in der D.O. Rueda.

Pago de Saltamontes – sandiger Boden und weite Bepflanzung
Drei Faktoren spielen eine Rolle, weshalb die Reben von Pago de Saltamontes die große Reblausplage überstehen konnten. Das sind zum einen die sehr sandigen Böden, die dem Schädling, der die Wurzeln der Stöcke befällt, nicht besonders zusagen. Zum anderen wären die weiten Abstände in der Bepflanzung zu nennen, die es der Reblaus schwer machen sich auszubreiten. Last but not least – so vermute ich einmal – war auch eine gute Portion Glück im Spiel. Und dank dieser Umstände hatte ich wiederum das eigene Glück Pago de Saltamontes im Rahmen einer Pressereise durch die D.O. Rueda zu begehen.

Pago Saltamontes, Javier Sanz, Rueda
Bei La Seca, nah am Fluss Duero liegt Pago de Saltamontes.

Über 99 Prozent der Parzelle sind mit der autochthonen Weißweinrebe Verdejo bewachsen. Aufgrund des Alters der Reben und der weiten Bepflanzung sind die Ernteerträge freilich gering, sie liegen bei etwa 1.100 Kilogramm Trauben pro Hektar. Bei einer Größe von 2,27 Hektar werden entsprechend 2.500 Flaschen jährlich aus dieser Lage gekeltert. Für dreißig Euro das Stück sind sie im Handel zu haben.

Geradezu rätselhaft erscheint das Schicksal dreier namenloser Rebstöcke. Sie tragen rote Trauben und können keiner bekannten Rebsorte zugeordnet werden, da sich ihr Gen-Code in keiner Datenbank findet. Untersuchungen wurden angestellt, und falls die Recherche nach einem korrespondierenden Typus ein weiteres Jahr erfolglos bleibt, darf das Weingut den Reben einen eigenen Namen geben. Immerhin hat der daraus gewonnene Rotwein schon einen Titel: VColorado.

150 Jahre alte Rebe im Pago Saltamontes
Der Sorten-Name dieses Rebstocks ließ sich bislang nicht ermitteln.

Bereits ihr Urgroßvater sprach vom „alten Weinberg“, erzählt uns Leticia Sanz Alonso, die Tochter des Weinmachers. In Archiven schriftlich fixiert ist das Jahr 1863. Möglicherweise ist Pago de Saltamontes auch älter. Abgestorbene Rebstöcke würden nicht durch Nachpflanzungen ersetzt, fährt Leticia fort, vielmehr wird die Weinlage konserviert. Die Robustheit der Reben und das kontinental-trockene Klima erforderten diesbezüglich keinen Einsatz von Herbiziden oder Pestiziden.

Bevor unsere Journalistengruppe mit Leticia den Weg zurück zur Kellerei und Degustation antritt, entferne ich mich ein paar Schritte und schlendere umher. Es sind die ersten wurzelechten Reben, die ich in meinem Leben sehe. Ich fasse die Rinden an und schaue nach, ob unter dem dichten Blätterdach vielleicht die ein oder anderen Traube bei der Lese übersehen wurde. Fünf Minuten innehalten und über die Zeit nachdenken, dann geht’s weiter.

Letizia Sanz mit V1863
Leticia Sanz Alonso ist die Tochter des Weinmachers, hier mit dem V 1863. Sie zeigte uns den Weinberg und führte durch die Verkostung der Weine.

Javier Sanz Viticultor – alte Reben und fast verschwundene Varietäten
Javier Sanz betreibt Weinbau in der vierten Familiengeneration. Stolze 104 Hektar sind in seinem Besitz. Er kauft keine Trauben anderer Weinbauern hinzu, so behält er Kontrolle über die Produktion. Im Gegensatz zu vielen anderen Weingütern in der D.O. Rueda, die sich fabrikähnliche Kellereien außerhalb der Ortschaften hinstellen, liegt die Bodega von Javier Sanz Viticultor noch mitten im Dorf La Seca, einem Zentrum der Weinproduktion innerhalb des Anbaugebiets.

Neben der Konservierung alter Reben stellt für Sanz die Wiedergewinnung fast vergessener autochthoner Sorten einen weiteren wichtigen Punkt dar. Die weiße Malcorta ist so eine. Weil der Verdejo-Klon weniger produktiv und schwerer zu bearbeiten ist, wird er von den Winzern in der D.O. Rueda nicht mehr verwendet. Der Name Mal-Corta verweist bereits auf die Probleme: „mal“ bedeutet im Spanischen „schlecht“, und „corta“ übersetzt sich als „schneiden“. Die Rebsorte ist bei der Lese folglich „schlecht zu schneiden“.

Malcorta, Verdejo-Varietät, Javier Sanz
Weißwein aus Malcorta – ein fast vergessener Verdejo-Klon, der heute in Rueda ausschließlich von Javier Sanz kultiviert und gekeltert wird.

Bei der Verkostung des Malcorta komme ich zum Schluss, dass sich die schwere Erntearbeit vollauf gelohnt hat. Bereits der 2016er Jahrgang erscheint überaus reif und elegant. Er trägt – wie einige Mitverkoster bemerkten – Noten von Aprikose und Zitrus und dürfte hohes Alterungspotenzial besitzen. Seine bis zu fünfzehn Jahre alten Reben wurden aus Resten von älteren Stöcken herangezogen, die das Weingut noch hatte. Die Gärung und der Ausbau des Weins erfolgen ausschließlich im Stahltank, um die Fruchtaromen primär zur Geltung zu bringen.

Vom „V1863“ – also jenem Verdejo aus den alten Reben von Pago de Saltamontes – trinken wir den 2014er Jahrgang. Der Wein steht vor der alkoholischen Gärung kurz auf der Maische und danach für eine Weile auf der Feinhefe. Genauere Angaben will das Weingut dazu nicht geben – Betriebsgeheimnis. Wie dem auch sei, der V1863 besitzt eine filigrane Struktur, er verbindet Kraft und Leichtigkeit, ist frisch und voll, offenbart kräuterige Aromen und hinterlässt einen dezenten pfeffrigen Nachgeschmack. Das ist spannend und einzigartig und unterscheidet sich in Bezug auf Komplexität von den klassischen, zumeist jung getrunkenen Rueda-Verdejos.

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