Die Letzten könnten die Ersten sein – eine Garnacha Blindverkostung

El Hombra Bala 2015, Comando G

2012 war ich im Priorat und Châteauneuf-du-Pape unterwegs. Seither bin ich ein „Fan“ der roten Garnacha. Die Garnacha Tinta, so der vollständige und korrekte Name, ist eine autochthone Rebsorte Spaniens, die heute auf der ganzen Welt zu finden ist und zumeist Grenache genannt wird. Erstmals kultiviert wurde die Rebe im nordspanischen Aragon entlang den Ufern des Ebro. Mit der Ausdehnung des Herrschaftsgebiets der aragonesischen Krone ab dem 12. Jahrhundert breitete sie sich im gesamten Mittelmeerraum aus.

Garnacha Rebe in Aragon
Garnacha-Rebe in Somontano, Aragon (Foto: Juan Manuel Sanz / © ICEX)

Garnacha Tinta ist eine Sorte mit großem Ertrag und wird entsprechend für Massenweine herangezogen. Reduziert der Winzer die Erträge jedoch mittels Grünschnitt und verzichtet er auf eine künstliche Bewässerung und kommen als i-Tüpfelchen vielleicht noch alte Reben und ein Boden mit hohem Schiefer-, Granit- oder Kalkanteil hinzu, dann können aus der Garnacha große und mächtige Rotweine entstehen.

In Frankreich ist Grenache die Hauptsorte der berühmten Weine aus Châteauneuf-du-Pape, Vacqueyras und Gigondas. In Spanien sind es wiederum die weltbekannten Tropfen aus dem Priorat, die hauptsächlich aus Garnacha gekeltert werden. Ebenso ergibt sie ausgezeichnete Qualitäten in nordspanischen Anbaugebieten wie Navarra, Terra Alta, Cariñena, Calatayud oder Campo de Borja. Von Weinkritiker Robert Parker geadelt wurden zum Beispiel die Garnacha-Weine der Kooperative Bodegas Borsao in der aragonesischen DO Campo de Borja: Parker sprach diesen das „weltweit“ beste Preis-Leistungsverhältnis zu.

Garnacha Weinlagen in Carinena
Garnacha Tinta ist die Hauptsorte in der DOP Cariñena, Aragon (Foto: Fernando Briones / © ICEX)

Das Blind-Tasting: Garnachas aus Aragon, Katalonien, Madrid und Andalusien
Gibt es so etwas wie einen typischen Garnacha-Geschmack? Oder umgekehrt gefragt: Wie stark unterscheidet sich die Garnacha je nach Anbauregion und Terroir? Diese Fragen möchte ich bei einer Blindverkostung erörtern. Meine Weinauswahl beinhaltete zwei Erzeuger aus Aragon, dem Ursprungsgebiet der Rebe. Ferner einen Rotwein aus dem katalanischen DOCa Priorat, in der die Sorte in den 1980er Jahren ein Revival erlebte. Die DO Vinos de Madrid ist deutschen Weinkonsumenten weniger geläufig; in der spanischen Weinszene ist das Anbaugebiet hingegen in aller Munde, weil es dort einige Weinmacher gibt, die eben aus Garnacha sehr interessante Rotweine erzeugen. Last but not least durfte ein sortenreiner Garnacha aus Andalusien aus der DO Sierras de Málaga mitspielen, damit auch Südspanien vertreten ist.

Garnachas
Garnachas aus Aragon, Katalonien, Madrid und Andalusien

Die Verkostung lief einfach ab. Ich kannte natürlich die fünf Flaschen, die ich mir besorgt hatte, wusste aber nicht, in welchem Glas sie mir meine Frau servieren würde. Ich erhielt von Emily gleichzeitig fünf nummerierte Gläser Wein, die ich über eine Stunde lang parallel verkostete, mir Notizen dazu machte und am Ende der Degustation ein Ranking von Platz 1 bis 5 erstellte. Alle fünf Weine hatte ich zuvor noch nie getrunken, weshalb Klassiker wie der Hochlagenwein Lajas (Calatayud), der Tres Picos von Borsao (Campo de Borja) oder der Las Fieles von Chivite (Navarra) beim Einkauf von mir unberücksichtigt blieben. Diese Weine als Tipp am Rande für Sie.

Beginnen wir nun aber mit Platz 5 meiner Verkostung: 

El Hombra Bala 2015, Comando G
Comando G, DO Vinos de Madrid, ca. 17 Euro, 100% Garnacha Tinta

El Hombre Bala 2015: Bei einer anderen „Versuchsanordnung“ hätte dieser Naturwein vielleicht Platz 1 oder 2 auf meiner Skala belegt, zum Beispiel, wenn ich die Weine vorab dekantiert und ihnen mehrere Stunden Luft gegeben hätte. Während die anderen vier Garnachas sofort präsent waren, zeigte dieser nach dem Entkorken einen stechenden chemischen und schwefligen Geruch, der an entflammte Streichhölzer erinnert. Sehr unangenehm. Dem Gaumen setzten die Tannine aggressiv zu, und im Abgang hinterließ der Wein eine unschöne Schärfe. Mit ungefähr drei Stunden Luftkontakt (als ich mein Ranking der Blindverkostung schon erstellt hatte) wurde er immer besser und runder. Praktisch mit jedem Schluck schmeckte er interessanter und vielseitiger, mit stets neuen Facetten erdiger und würziger Aromen und mit viel Grip am Gaumen. Nochmals tiefer und komplexer zeigte er sich nach zwei und drei Tagen, getragen von einer herrlich frischen Säure und straffen Tanninen. Während manch anderer Wein schnell dahinwelkt, läuft der El Hombre Bala erst mit der Zeit zur Höchstform auf. Ein spannender Rotwein, der über mehrere Tage mit steigendem Vergnügen getrunken werden kann.

Der El Hombre Bala wird aus 40 bis 90 Jahre alten Gewächsen gekeltert, die in biodynamischer Landwirtschaft gehalten werden. Die Reben gedeihen auf Granitböden auf rund 1000 m Höhe im rauen Klima der Sierra de Gredos, ein Gebirgszug westlich von Madrid. Dieses Terroir bietet erstklassige Voraussetzungen für große Weine. Gemacht wird der Tropfen von Uvas Felices und Comando G, letztgenanntes Projekt gehört zu den Senkrechtstartern in der spanischen Weinszene und erzeugt mehrere von der Kritik hochgelobte Garnacha Tintas. Hinter Comando G stehen die drei Weinmacher Fernando Garcia von Bodegas Marañones, Dani Landi von Bodegas Jimenez-Landi und Marc Isart von Bodegas Bernabeleva. Auch diesen drei Weingütern werden u. a. außergewöhnliche Garnacha-Rotweine zugeschrieben, selbst habe ich sie noch nicht probiert. 

Platz 4:

Particular Garnacha 2015
Bodegas San Valero, DOP Cariñena, ca. 8 Euro, 100% Garnacha Tinta

Particular Garnacha Old Vine 2015: Dieser Rotwein ist absolut in Ordnung, aber auch nicht mehr. In der Nase zeigt er eine dezente Frucht, bleibt insgesamt gesehen und im Vergleich mit den anderen vier verkosteten Weinen aber recht eintönig. Der eindimensionale Eindruck setzt sich am Gaumen fort: Der Particular Garnacha 2015 ist ein weicher, angenehmer Tropfen, mit guter Säure aber etwas arm an Gerbstoffen. Das Geschmackserlebnis bleibt eingeschränkt, es fehlt dem Wein an Biss, Breite und Tiefe. 

Der Erzeuger Bodegas San Valero ist eine Kooperative in der DOP Cariñena. Es gibt die gleichnamige Rotweinsorte Cariñena (Carignan), die in dieser aragonesischen Appellation auf etwa 700 Hektar angebaut wird. Die Garnacha Tinta ist mit 4600 Hektar jedoch deutlich häufiger vertreten und somit die rote Hauptsorte in der DOP Cariñena. Der Particular Garnacha 2015 steht 30 Tage auf der Maische und wird aus mindestens 25 Jahre alten Reben gewonnen. Der Ausbau im Barrique liegt bei 6 bis 14 Monaten.

Platz 3:

La Depa 2016, Ronda
Vino Tres Generationes, Bodegas Lara, DO Sierras de Málaga, ca. 9 Euro, 100% Garnacha Tinta

La Depa 2016: Die andalusische Serrania de Ronda ist eine Subzone der DO Sierras de Málaga. Eine Mischung aus atlantischem und mediterranem Klima sowie Hochlagen von über 800 Metern bilden ein ausgezeichnetes Terroir für vielschichtige Weine. Auch der La Depa 2016 des Weinprojekts Vino Tres Generationes, dessen Garnacha-Stöcke auf 850 m Höhe wachsen, darf zu dieser Kategorie gezählt werden.
Anfangs „duftet“ er ein wenig nach Kuhstall; der Geruch verflüchtigt sich aber mit Luftkontakt schnell. Aromen von Kirsche und Petroleum treten anstelle hervor, und der Wein ist mit animalischen Noten im Hintergrund durchaus interessant zu riechen. Am Gaumen fühlt sich der La Depa samtig und gut ausbalanciert an, auch das würzige Finish ist eher lang. Ein gelungener Wein, der schöne Seiten offenbart und einen Vergleich mit preisähnlichen Garnachas aus Nordspanien nicht scheuen muss. 

Platz 2:

Les Crestes 2015, Mas Doix
Mas Doix, DOCa Priorat, ca. 19 Euro, 80% Garnacha Tinta, 10% Cariñena, 10% Syrah

Les Crestes 2015: Es geht noch besser: Wunderbar sauber und klar duftet der Les Crestes 2015 nach roten Beeren und reifer Frucht. Bereits beim Riechen spürt man die Eleganz, die diesem Rotwein innewohnt. Er schafft es, kraftvoll und filigran in einem zu sein, verfügt über eine knackige Säure, ist herrlich saftig und frisch und wartet dazu mit Mineralität und einem bleibenden Abgang auf. 

Sortenreine Garnachas sind kaum üblich in Kataloniens Renommier-Appellation Priorat. Und so wird auch der Les Crestes 2015 vom Weingut Mas Doix mit jeweils 10% Carinena und Syrah vermählt. Die Reben wachsen auf einer moderaten Höhe von 350 bis 450 m, pro Rebstock ist die Ernte auf 1 kg Trauben reduziert. Ein Markenzeichen des Priorat sind die Schieferböden; auch der 8 Monte im Barrique ausgebaute Les Crestes 2015 trägt deren Mineralik in sich. 

Zwischen Platz 1 und 2 habe ich bei der Blindverkostung lange hin und her überlegt und probiert. Jogi Löw würde von einer „unheimlich knappen und schwierigen Entscheidung“ sprechen …

Aber hier ist er, mein Platz 1:

La Garnacha Salvaje 2015
Proyecto Garnachas de Espana, VT Ribera del Queiles, ca. 8 Euro, 100% Garnacha Tinta

La Garnacha Salvaje del Moncayo 2015: Was mir an diesem Wein besonders gut gefällt, ist seine Nase mit Aromen von abgehangenem Fleisch und nasser Erde. Am Gaumen kommt er nicht ganz so komplex und saftig wie der zuvor beschriebene Les Crestes 2015 daher, dafür wirkt er konzentrierter, mit einer fast schon samtigen Textur, die von feiner Säure und glatten Tanninen getragen wird. Gemessen am Preis von unter 10 Euro ist dies ein außergewöhnlich guter Wein. 

La Garnacha Salvaje entsteht unter dem klimatischen Einfluss des mächtigen Moncayo-Massivs im Grenzland von Aragon, Navarra und La Rioja. Sein Herkunftsgebiet VT Ribera del Queiles besitzt keinen DO-Status. Rechtlich gesehen haben wir es hier mit einem „Landwein“ und nicht mit einem Qualitätswein zu tun. Aber wirklich nur rein rechtlich gesehen. 

Die Reben für den La Garnacha Salvaje sind stolze 55 Jahr alt und wachsen auf einem Nordhang auf einer Höhe von 810 Metern. In diesen Hochlagen zeigt die Garnacha einen besonders langen Wachstumszyklus, was der Bildung von Säure und Tanninen zugute kommt.

Hinter dem Proyecto Garnachas de Espana stehen mehrere Weinmacher, darunter Raúl Acha, die an unterschiedlichen Standorten (La Rioja, Aragon, Navarra, Katalonien) alte Garnacha-Lagen wiederbeleben, um „Terroir-Weine“ zu erzeugen, die das Land auf dem sie wachsen spezifisch zum Ausdruck bringen.

Fazit
Wie verhält es sich nun mit dem sortenspezifischen Erkennungswert bzw. den unterschiedlichen Merkmalen durch die verschiedenen Terroirs? Es ist schon so, dass die hier vorgestellten Weine über wiedererkennbare Aromen und Geschmäcker verfügen. Im Duft treten neben roter Frucht (Erdbeere, Kirsche) gerne auch animalische und erdige Aromen auf. Am Gaumen zeigen sich die Garnacha Tintas tendenziell weich und samtig, dicht und konzentriert, mit einer guten Säure und eher moderaten Gerbstoffen.

Deutliche Unterschiede gibt es hingegen in der Komplexität, Tiefe und Eleganz der von mir verkosteten Weine, was nicht auf die Rebsorte, sondern auf das Terroir (Böden, Klima, Lage, Alter der Reben, etc.), aber auch auf die Weinmacher und deren Art der Weinbereitung zurückzuführen ist. Insbesondere der Naturwein „El Hombre Bala“ fällt geschmacklich aus dem Rahmen: Er ist am außergewöhnlichsten. Seine „Vins-Naturel-Nase“ erinnert mich stark an einen Naturwein, der vom Weingut Barranco Oscuro in der Provinz Granada auf rund 1300 m Höhe ebenfalls aus 100% Garnacha gekeltert wird (Schieferböden). Ich vermute, dass Naturweine nicht ausgeprägter das „Terroir“ reflektieren, als sauber gemachte konventionelle Weine. Ich glaube vielmehr, dass Naturweinen ein Geschmack innewohnt, der explizit die Weinbereitung (Spontanvergärung, kein Schwefeleinsatz, keine Schönung) widerspiegelt.  

Weitere Varietäten: Garnacha Peluda und Garnacha Blanca

El Senyal Negre
El Senyal Negre, Celler Alimara, DO Terra Alta. U. a. mit Garnacha Peluda

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass es weitere Garnacha-Varietäten gibt: In Terra Alta besitzt mein Freund Andy McLeod eine Parzelle der roten Garnacha Peluda, die in Spanien nur in Katalonien auf wenigen 100 Hektar vorkommt. Das ist verschwindend gering, verglichen mit den spanienweit 85.000 Hektar Rebfläche von Garnacha Tinta.

Die Peluda erbringt farbschwächere Moste mit geringerem Zuckergehalt, aber besseren Säurewerten. Der Name Peluda (dt. behaart) bezieht sich auf die Unterseiten der Blätter, die eine Art haarigen Flaum aufweisen. Andys erster Jahrgang 2016 fiel bereits beachtlich gut aus, und es lohnt sich den „El Senyal Negre 2016“ seines Weinguts Celler Alimara zu probieren. Ein Verschnitt aus 60% Garnacha Tinta, 20% Garnacha Peluda und 20% Cariñena. 

Die Appellation Terra Alta weist eine andere Besonderheit auf: drei Viertel aller Garnacha-Blanca-Pflanzungen Spaniens stehen auf den stark kalkhaltigen Böden der Terra Alta. Auch aus dieser weißen Garnacha erzeugt Andy McLeod den frischen und saftigen Weißwein „El Senyal Blanco“. 

2 Kommentare

  1. Gerne mit in diese Reihe geworfen (rein theoretisch) hätte ich den Garnacha von Bai Gorri aus dem Rioja Alevesa. Das Weingut hast du ja hier schon mal besprochen und ich mich auch schon mal dazu gemeldet, irgendwo in den Kommentaren.

    Der Garnache aus Samaniego hat es uns zumindest auf unserer ersten Weinreise besonders angetan und ist seitdem hängen geblieben. Vielleicht magst du ihn ja bei Gelegenheit mal „erschmecken“, falls nicht bekannt? Ansonsten würde mich dein Endruck mal interessieren.
    Siehe: https://www.dropbox.com/s/1w1500lqaoqac67/Screenshot%202018-06-25%2019.14.49.png?dl=0

    1. Hallo Cornelis, Danke für diesen Garnacha-Hinweis zum Rioja. Von Baigorri habe ich die Garnacha 2012 schon einmal verkostet und diese als voluminösen dichten Rotwein in Erinnerung. „Schöne Liaison aus fruchtigen und würzigen Anklängen und sehr harmonisch“, schrieb ich damals unter anderem. Mit 15,5% Vol. liegt der Wein sicher im Grenzbereich, aber eben weil er so konzentriert und körperbetont ist, passt das noch sehr gut.
      Ich habe damals das ganze Baigorri-Sortiment verkostet (bis auf den 100-Euro-Wein) und war noch mehr vom Belus 2012 (70% Mazuelo, der Rest Tempranillo und Garnacha) angetan, weil dieser so herrlich saftig und elegant daherkam. Das war mein Favorit unter allen Baigorris.

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