Das Projekt Ulterior – von der Wahrheit im Wein

Ulterior Weine

Durch die Eingangstüre eines unscheinbaren Häuschens im Vorhof betreten wir unerwartet eine riesige unterirdische Weinwelt. In zehn Metern Tiefe und eingefasst von drei Meter dicken Wänden erstreckt sich der 8000 Quadratmeter große Keller von Bodegas Verum. Juan Carlos Ramírez, der Exportmanager des Weinguts, lässt mich schätzen wie alt dieser Weinkeller wohl sei. Ich tippe auf 200 Jahre. Nein, sagt er lächelnd, es sind nur zwanzig. 

Wir befinden uns in Tomelloso in der D.O. La Mancha, dem größten Weingebiet der Welt. Ich bin mit Frau und beiden Kindern unterwegs, und was mich in erster Linie hierher zu Bodegas Verum gebracht hat, ist das Interesse an einem jungen Projekt namens Ulterior. Im Moment aber stehen wir einfach nur staunend zwischen hoch aufgetürmten Fassreihen. 

Im Weinkeller von Verum
Mit der Familie bei Bodegas Verum

Bodegas Verum – Spirituosen und Qualitätswein
„Das ist unsere Sakristei“, sagt Juan Carlos beim Rundgang und deutet auf eine kleine Nische hin: Hinter einem Gitter verbirgt sich ein 120 Jahre altes Solera-System mit einem ebenso alten Brandy, der in Holzfässern schlummert und langsam reift. Tomelloso ist die „Wiege des Brandy“, klärt uns Juan Carlos auf, und in der Tat ist die Destillerie Altosa das Mutterunternehmen des viel jüngeren Weinguts Verum. 750 Hektar Rebland werden insgesamt bewirtschaftet, davon dienen nur 45 Hektar der Weinproduktion. Der große Rest fließt in die Erzeugung von Spirituosen wie Brandys und Schnäpse – auf stolze 30 Millionen Liter im Jahr kommt die Produktion.

Das Unternehmen wird von vier Geschwistern geführt. Elias López Montero, der Jüngste, ist für die Weine und deren Bereitung verantwortlich. Sein Önologie-Studium brachte ihn unter anderem ins Bordeaux und nach Südafrika. Vielleicht hat er aus der Südhalbkugel die Idee der sortenreinen Gewächse mitgebracht. Jedenfalls steht sein Projekt Ulterior für fünf Parzellenweine, die jeweils reinsortig aus Albillo Real, Tinto Velasco, Garnacha, Graciano und Mazuelo gekeltert sind. Bei aller Unterschiedlichkeit, auf die ich später noch zu sprechen komme, zeichnet alle fünf Weine eine Top-Qualität aus sowie eine Stilistik, die weniger auf Intensität und Kraft, sondern auf Eleganz und Feinheit setzt. 

Ulterior Weine
Fünf ziemlich beste Freunde

Ulterior – spannende Rebsorten, spezielles Terroir
Die Ulterior-Weine entstammen einem Forschungsprojekt von 2007, welches sich getreu dem Motto „Zurück in die Zukunft“ der Reanimierung autochthoner, fast ausgestorbener Rebsorten widmete. Die Tinto Velasco ist zum Beispiel eine solche Rebe, die Elias López Montero damals auf zwei Hektaren pflanzen ließ.

Darüber hinaus war es dem Weinmacher wichtig auf Rebsorten zu setzen, die dem Klimawandel standhalten können. Also Trauben, die frische Weine mit guter Säure ergeben wie zum Beispiel Graciano oder Mazuelo (Carinena), die eigentlich nordspanischen Ursprungs sind. Der Weinanbau erfolgt unter biologischen Kriterien und die Erträge werden beim Grünschnitt reduziert. Je nach Sorte findet die Weinlese zwischen Mitte August und Mitte Oktober statt.

Die Lage der Ulterior-Gewächse – Finca El Romeral – ist in Einzelparzellen unterteilt und befindet sich nördlich von Tomelloso. Hier auf der zentralspanischen Hochebene herrscht kontinentales Klima mit hohen Temperaturschwankungen zwischen Wintern und Sommern. Die relative Höhenlage von um die 700 Meter sorgt in den heißen trockenen Sommern außerdem für signifikante Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht. Das Terroir ist also ideal für eine ausgewogene Frucht-Säure-Balance in den Beeren. 

Im Weinberg mit Juan Carlos
Mit Juan Carlos Ramírez in der Weinlage El Romeral auf kalkhaltigen Böden.

Die Verkostung des 2016er Jahrgangs
Diese Qualität des Terroirs gibt sich eindrucksvoll in den Ulterior-Weinen zu erkennen: Als überragend in ihrer Eleganz und Frische empfinde ich die „Garnacha 2016“. Jene Rebsorte ergibt in niedrigen mediterranen Lagen nicht selten eher säurearme, körperbetonte und alkoholische Tropfen. Ganz anders verhält es sich jedoch, wenn die Garnacha wie in diesem Fall von Elias López Montero in höheren Lagen und auf kargen kalkhaltigen Böden kultiviert wird: Dann zeigt sich die Traube schlank und elegant wie ein Pinot Noir, fruchtig und aromatisch wie ein Tempranillo. Das ist großes Geschmackskino und gekonnte Weinbereitung: Die Ulterior-Garnacha wird in Edelstahltanks zur Hälfte in Ganztrauben und zur anderen Hälfte abgebeert vergoren. Danach reift der Rotwein für elf Monate in Tonamphoren.

Tonamphoren, dies als Einschub, sind die traditionellen Behältnisse für Wein in diesem Teil von Kastilien und La Mancha. Bäume, sprich Holz, gab und gibt es in der Region so gut wie keine, dafür aber stark lehmhaltige Böden. Vor allem die von Tomelloso rund vierzig Kilometer entfernte Stadt Villarrobledo entwickelte sich zu einem Zentrum der Herstellung von Tonamphoren. Inzwischen setzen wieder mehr Weingüter auf den Einsatz von Tonamphoren, denn im Gegensatz zu den luftdichten Edelstahltanks ermöglichen sie eine Mikrooxidation des Weins. Und im Gegensatz zu Holz geben sie keine Eigenaromen an den Wein ab.

El Romeral
Weinlage Finca el Romeral. „Bombo“ heißen die historischen Gebäude, die Schäfern und Landarbeitern samt Tieren früher als Schutzhütte dienten.   

Auch der „Tinto Velasco“ reift zu 50% für zwölf Monate in Tonamphoren, der andere Teil in französischen Barriques in Zweitbelegung. Zuvor wird der gesamte Most in 400 Liter Holzfässern vergoren. Der 2016er kommt saftig und gut strukturiert daher, mit präsenter Säure und fein eingebundenem Tannin. Das Gewächs zeigt eine saubere rote Kirschfrucht in der Nase und am Gaumen fast schon dunkle Anklänge wie Brombeere sowie balsamische Noten. Wirklich interessant und klasse.

Der Jahrgang 2016, den wir mit Juan Carlos verkosten, ist übrigens der erste des spannenden Weinprojekts Ulterior. Alle Trauben werden von Hand geerntet und danach an einem Sortiertisch nochmals manuell ausgelesen. Nur das beste Lesegut soll zu Wein verarbeitet werden. Die alkoholische Gärung erfolgt mit natürlich vorkommenden Hefen (Spontanvergärung). 

Elias Lopez Montero am Sortiertisch
Rechts Weinmacher Elias López Montero am Sortiertisch (Foto: © Bodegas Verum)

Außerdem gibt es da die weiße Sorte Albillo, die derzeit in einigen Weingebieten rund um Madrid eine kleine Renaissance erfährt. Elias López Montero baut seinen Weißwein „Albillo Real“ zu 90% in Tonamphoren und zu 10% in Holzfässern aus. Bereits die Nase ist erstaunlich: einerseits Apfel, andererseits ein süßlicher Duft von Honigmelone und Rosinen wie er mich an manche Moscatel de Alejandría aus der DO Sierras de Málaga erinnert. Am Gaumen ist der Albillo Real nochmals verblüffend anders: cremige Textur und ein Geschmack von getrockneten Kräutern. Obwohl der Weißwein nur 12% Vol. hat, verfügt er über einen erstaunlich voluminösen Körper. Das ist äußerst charaktervoll und einzigartig im Gesamtbild.

Verum – mehr Wein und Wahrheit
Bodegas Verum, das sei an dieser Stelle gesagt, ist freilich mehr als nur Ulterior. Die Besitzerfamilie keltert Weine schon seit 1788 an diesem Ort. Zum heutigen Sortiment des Weinguts gehört unter anderem der Schaumwein „Gran Cueva“, ein Brut Nature aus Chardonnay, der satte drei Jahre auf der Hefe liegt. Darüber hinaus ist man in Weinprojekten in Patagonien in Südamerika aktiv.

Bei der Verkostung stellt uns Juan Carlos ferner überzeugende Weiß- und Rotweine aus Rebsorten wie der autochthonen Airén oder aus Gewürztraminer, Malvasia, Tempranillo und Merlot vor. Bodegas Verum führte die Gewürztraminer vor 27 Jahren in La Mancha sogar erstmals ein.

Mehr von Verum
Mehr von Bodegas Verum: U. a. satt fruchtig und trocken der Weißwein rechts aus Sauvignon Blanc und Gewürztraminer (Foto: © Bodegas Verum). 

Der „Verum V“ ist das Flaggschiff des Weinguts. Aus 60 Jahre alten Tempranillo-Reben gekeltert und 18 Monate im Barrique ausgebaut, offenbart diese Reserva eine komplexe Aromatik, aus der rote Frucht und schwarzer Pfeffer hervortreten. Körper und Struktur sind fein ausbalanciert und eng verwoben.

Das lateinische Verum, sagt Juan Carlos Ramírez, bedeutet Wahrheit. Dem Weingut und Weinmacher ginge es darum, diese Wahrheit der Region bzw. Echtheit des Terroirs im Wein darzustellen. Diese Aussage ist ein schöner und philosophischer Abschluss unserer Degustation. Bodegas Verum und das Ulterior-Projekt zeigen uns, dass La Mancha nicht nur Masse, sondern auch Klasse kann und viel Charakter hat.


Bezug: Weine und Destillate von Bodegas Verum können über den Händler „BioWeinReich – Ökologische Weine & Mehr“ bezogen werden. Hier der Link zu den Verum-Erzeugnissen im Online-Shop: www.bioweinreich.com

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