Gäbe es eine Rote Liste gefährdeter Rebsorten, dann stünde die „Cariñena Gris“ ganz weit oben darauf. Zwar kennen viele Weinliebhaber die Cariñena als Rotweinsorte in der Appellation Priorat oder aus südfranzösischen Gebieten, wo sie Carignan heißt. Noch nicht einmal Experten wissen hingegen, dass es auch die „Graue Cariñena“ gibt. Wie bei der Grauburgunder handelt es sich um eine Weißweinrebe, die ausgereift über eine rötlich-pinke Beerenhaut verfügt.
Trotz ihrer Seltenheit hat die Cariñena Gris eine Zukunft. Denn im katalanischen Anbaugebiet Empordá gibt es mit Vinyes d’Olivardots ein Weingut, das sich der Sorte verschrieben hat und daraus einen fantastischen Rosado keltert. Es ist darüber hinaus eine Geschichte, die mich fasziniert und die zu berichten sich lohnt.
Cariñena Gris – zuhause in Empordá und im Roussillon
Die Quellenlage zur Grauen Cariñena ist dünn. Was ich bei meinen Recherchen zur Herkunft der Traube herausgefunden habe, erzählt sich so: Es handelt sich um eine Mutation der roten Traube. Während die rote Cariñena aus dem gleichnamigen Weinbaugebiet in der Autonomen Gemeinschaft Aragon stammt, geht man davon aus, dass die Cariñena Gris ihren Ursprung im südfranzösischen Roussillon hat.
Diese Angabe macht insofern Sinn, als dass die Graue Cariñena in Spanien einzig in der D.O. Empordá vorkommt, die direkt an das Roussillon grenzt. Obwohl eine Grenze durch die zwei Gebiete verläuft, handelt es sich doch um einen gemeinsamen Kulturraum an den östlichen Ausläufern der Pyrenäen und am Mittelmeer.
Die Cariñena Gris ist weltweit auf weniger als fünf Hektar Rebland im Anbau. Sie existiert nur im Roussillon (ca. 2 Hektar) und in Empordá (ca. 2,5 Hektar). Etwas mehr als ein Hektar darunter entfällt auf das Weingut Vinyes d’Olivardots.
Ein Grund, warum die Cariñena Gris so selten vorkommt, liegt eventuell an den sehr hohen Säurewerten, welche die Beeren enthalten. Möglicherweise war die Traube vielen Weinbauern im Roussillon und in Empordá in der Vergangenheit zu säuerlich und sie konzentrierten sich auf andere Sorten wie die säureärmere Garnacha bzw. Grenache.
Im Zuge des Klimawandels und steigender Temperaturen könnte die säurebetonte Graue Cariñena (und ebenso ihre Schwester, die Weiße Cariñena) allerdings die genau passende Rebsorte für frische Weine aus dem mediterranen Raum sein. Dies ist meine persönliche Einschätzung. Ob es so kommt, bleibt abzuwarten.
Vinyes d’Olivardots – neue Stecklinge aus alten Reben
Bei Vinyes d’Olivardots ist die Sorte jedenfalls im Aufwind. Wurden vom allerersten Jahrgang 2017 des „Rosa d’Amfora“ nur 1500 Flaschen abgefüllt, gingen vom 2018er bereits 2900 Flaschen dieses Roséweins aus Cariñena Gris in den Handel. Zugegeben kleine, limitierte Auflagen, aber immerhin deutlich steigend.
Vinyes d’Olivardots kenne ich aus einem Ortsbesuch im vergangenen August. Ich war damals, bzw. bin immer noch beeindruckt von den Weinen und der auf biodynamischem Anbau fußenden Philosophie der Winzerinnen Carme Casacuberta und Carlota Pena. Den ausführlichen Blogbeitrag zur damaligen Visite, zum Weingut und Terroir können Sie gerne hier nachlesen. In der Zwischenzeit kürte der katalanische Sommelier-Verband das Weingut zum Besten des Jahres 2019 in Katalonien.
Die Graue Cariñena haben Vinyes d’Olivardots zufällig entdeckt: Das Weingut wurde 2002 von Carme Casacuberta gegründet. Ihre Tochter Carlota Pena ist seit 2016 dabei. Als Start pflanzte Carme vier Hektar rote Sorten. 2006 erfolgte die erste Weinlese. 5000 Flaschen gelangten davon 2009 erstmals in den Verkauf.
Mittlerweile sind neue Weinberge dazugekommen und die jährliche Produktion liegt bei rund 50.000 Flaschen. Unter diesen „neuen“ Lagen befindet sich ein 120 Jahre alter Mischsatz im Besitz des Weinguts. Eben in dieser uralten Parzelle wurzeln unter anderem Rebstöcke der Cariñena Gris.
Aus den Beschnittresten der alten Reben ziehen Carme und Carlota neue Stecklinge heran und pflanzen diese im Weinberg. Das Ziel ist es, so formuliert es Carlota Pena, jedes Jahr etwas mehr von der Grauen Cariñena anzubauen, um die Sorte vor dem Aussterben zu bewahren. Und um insgesamt darauf hinzuwirken, dass sie sich in Empordá ausbreitet.
Rosa d’Amfora – ein Rosé aus Cariñena Gris
Das überzeugendste Argument zum Wiederanbau einer raren autochthonen Sorte ist ein guter Wein. Und dies ist beim Rosa d’Amfora 2018 auf beeindruckende Weise gegeben. Das Gewächs ist voll durchgegoren und schmeckt entsprechend trocken. Der Rosado ist dabei klar und fein strukturiert und aromatisch komplex: Zitrusfrucht und Mineralität dominieren. Am Gaumen zeigt er zudem Druck und Zug nach hinten raus. Dies ist ein Rosé, der das Siegel „spannender Wein“ verdient. Er ist kein belangloses Sommergetränk wie viele seiner Artgenossen.
Aus einer Weißweinrebe einen Roséweine zu keltern, ist eigentlich nicht möglich. Offiziell ist die Graue Cariñena eine weiße Traube. In Realität ist es eine zwittrige Sorte zwischen Weiß und Rot. Deshalb auch die rötlich gefärbten Beerenhäute. Bei entsprechender Kaltmazeration – beim Rosa d’Amfora sind es sechs Tage – zieht der Beerensaft die rötliche Farbe sowie Tannine aus den Schalen. Die Trauben werden dann gepresst und der Saft in Tonamphoren vergoren. Danach erfährt der Most einen weiteren viermonatigen Ausbau in den Amphoren.
Ein Schlusswort? Ich finde es bemerkenswert und erfreulich, dass sich Winzer bzw. in diesem Fall zwei Winzerinnen derart selten vorkommenden Rebsorten annehmen. Derart selten ist nämlich gleichbedeutend mit unbekannt. Und Weine aus unbekannten Sorten (und dazu einer unbekannten Region) stellen ein ökonomisches Risiko dar. Händler und Konsumenten begegnen diesen Weinen in der Regel misstrauisch, auch deshalb, weil die Gewächse naturgemäß nicht für unter zehn Euro zu haben sind. Es ist halt keine Massenproduktion. Umso schöner, dass es in Deutschland einen Händler gibt, der den Rosa d’Amfora vertreibt. Den Bezugslink hierzu weiter unten.
Weitere Informationen
“Support your local grape” ist eine Beitragsserie über seltene autochthone Rebsorten Spaniens. Zu allen Blogartikeln in dieser Reihe gelangen Sie über diesen Link.
Bezugsquelle (Jg. 2017): Der Weinfleck
PS: Wir leben in Zeiten, in denen bezahlte Werbung öfters als vermeintlich redaktioneller Inhalt daherkommt. Das ist auf meinem Blog nicht der Fall. Kein Link und kein Beitrag ist in irgendeiner Form bezahlt. Es handelt sich ausschließlich um meine persönlichen Meinungen und Empfehlungen.
Beitragsfotos: © Spaniens Weinwelten (1, 5), Vinyes d’Olivardots (2, 3, 4)