Terroir al Limit – „Für Gefälligkeit ist Priorat der falsche Ort“

Dominik Huber, Terroir al Limit

Dominik Huber ist gebürtiger Münchner und heute als Weinmacher in den katalanischen Anbaugebieten Priorat und Montsant tätig. Er ist, wie er selbst sagt, ein Quereinsteiger. Als junger Mann kam er Mitte der 1990er-Jahre ins Priorat. Eigentlich um Spanisch zu lernen. Knapp 25 Jahre später gehört er mit seinem Weingut Terroir al Limit der absoluten Top-Riege des spanischen Weins an.

Neulich hatte ich die Gelegenheit den 2017er-Jahrgang der Lagenweine Les Manyes, Les Tosses, Arbossar und Dits del Terra zuhause zu trinken. Allesamt sind es überragende Rotweine: geradlinig und schnörkellos, voller Klarheit und Dynamik, kompromisslos und ohne jeglichen Schnickschnack. In die Architektur übersetzt würde man sagen: Das ist Bauhaus und kein Barock. 

Außerdem habe ich mich mit Dominik Huber auf Zoom unterhalten und ihn als erstes nach seiner Münchner Herkunft gefragt. Aus einer Winzerfamilie stammt er vermutlich nicht, oder?

Nein, überhaupt nicht. Ich komme aus einer Metzgersfamilie. Bei uns waren Lebensmittel stets ein großes Thema. Wir haben immer gerne gekocht, waren viel auf Märkten unterwegs, und das hat mich sehr geprägt.

Das Interesse an Lebensmitteln steht für Dominik Huber noch vor dem Wein, wie er sagt. Er sei ein Restaurant-Freak und liebe es gut zu speisen. An dieser Vorliebe richtet er die Stilistik seiner Weine aus, die kurz gesagt lautet: Frische ist wichtiger als Extrakt. Unter anderem deshalb holen Terroir al Limit die Lese bereits im August ein, während so manch andere Weingüter im Priorat erst im Oktober ernten.

Das Priorat ist ein schroffes Berggebiet im Hinterland der Costa Dorada. Lange Zeit war die Region ein No-Name in der Weinwelt. Dank der Pionierarbeit von Winzern wie René Barbier, José Luis Pérez, Daphne Glorian und Alvaro Palacios änderte sich dies in etwa ab dem Jahr 1990 schlagartig. Fortan zog es Leute von überall ins Gebiet, darunter den südafrikanischen Weinmacher Eben Sadie.

Ich hatte das Glück Eben Sadie im Priorat kennenzulernen und habe sofort gespürt: Das ist eine große Chance. Weil Eben was drauf hat und ich bei ihm viel lernen kann. Gemeinsam haben wir Terroir al Limit gestartet. Das war im Jahr 2001. Davor waren wir noch für zwei Ernten in Südafrika.

Learning by Doing kommt mir als Motto in den Sinn, während ich Dominik Huber zuhöre. Ganz offensichtlich lernte er gut und schnell. Eben Sadie stieg 2013 aus dem Projekt aus, um sich auf sein Weingut in Südafrika zu konzentrieren.

Seit einigen Jahren neu im Team ist dagegen Kellermeisterin Tatjana Peceric. Ich habe sie einmal auf einem Weinsalon in Madrid getroffen und bei ihr am Stand den supereleganten Lagenwein Les Manyes verkostet. „Frischer, tiefer, balancierter geht es nicht“, schrieb ich damals in einer kurzen Notiz zum 2016er-Jahrgang. Luis Gutierrez hat diesen Wein mit 100 Parker-Punkten geadelt. Zwar ist Terroir al Limit schon seit einigen Jahren ein großer Name. Doch 100 PP „verändern das Leben und das Geschäft nochmals“, weiß Dominik Huber zu berichten.

Kellermeisterin Tatjana Peceric, Terroir al Limit
Kellermeisterin Tatjana Peceric (Foto: © Terroir al Limit)

Les Manyes ist der Name einer 1,5 Hektar großen Lage in den Montsant-Bergen. Auf der anderen Seite liegt bereits das Anbaugebiet D.O. Montsant. Mit 800 m.ü.NN ist es einer der höchsten Weinberge des Priorat. „Höher geht es nicht. Weiter oben ist nur noch Fels und kein Mutterboden mehr.“, erklärt Dominik Huber.  

Untypisch fürs Priorat (aber nicht für Montsant) hat die nach Westen gerichtete Lage einen roten Lehmboden als Untergrund. Darauf wachsen 55 Jahre alte Reben der äußerst raren Rebsorte Garnacha Peluda. „Peluda“ bedeutet Haar. Die Traube erhält ihren Namen, weil die Unterseite ihrer Blätter behaart ist.

Wenn in Spanien von „Garnacha“ die Rede ist, dann ist stets die Varietät Garnacha Tinta gemeint. Sie ist mit rund 85.000 Hektar die am zweithäufigsten angebaute Rotweinsorte Spaniens (nach Tempranillo). Die Garnacha Peluda – eine Mutation der Tinta – kommt hingegen im ganzen Land auf weniger als 100 Hektar Rebfläche. Den Hauptanteil hält sie in der D.O. Terra Alta, ein Nachbargebiet zum Priorat.

Im Vergleich zur Garnacha Tinta produzieren die Beeren der Garnacha Peluda weniger Zucker und mehr Säure. Das klingt doch nach einer hervorragenden Rebsorte für den Klimawandel. Warum wird sie dann so selten angebaut, Dominik Huber?

Die Peluda ist spannend, weil Säure einfach unser Thema bei Terroir al Limit ist. Es stimmt, was du sagst: Die Sorte passt zum Klimawandel. Wir werden den Anbau der Garnacha Peluda in der Zukunft auf jeden Fall ausdehnen. 

Les Manyes auf 800 m Höhe in den Montsant-Bergen. Mit Garnacha Peluda bestockt. Dank der roten Lehmböden ist der Weinberg gut zu erkennen.
Les Manyes auf 800 m Höhe in den Montsant-Bergen. Mit Garnacha Peluda bestockt. Dank der roten Lehmböden ist der Weinberg gut zu erkennen. (Foto: © Terroir al Limit)

Reden wir von Säure, dann ist außerdem die Cariñena-Traube zu nennen. Terroir al Limit keltern gleich drei Lagenweine – Les Tosses, Arbossar und Dits del Terra – aus dieser Rebe. Die Sorte wird in Katalonien manchmal auch Samsó genannt und außerhalb Spaniens wiederum Carignan. Sie war lange in Verruf, weil sie angeblich minderwertige Moste hervorbringt. Das ist komplett falsch, wie unter anderem die Lagenweine von Terroir al Limit zeigen. Bei alten Reben und niedrigen Erträgen sind ihre Rotweine bezüglich Spannung und Frische nahezu unerreicht.

Ähnlich wie bei der Garnacha Peluda enthalten die Beeren der Cariñena mehr Säure und weniger Zucker als jene der Garnacha Tinta. Was bei der Cariñena hinzukommt, ist Tannin. „Der Cariñena gehört die Zukunft“, hat mir nicht Dominik Huber, sondern einmal ein Winzer aus dem benachbarten Anbaugebiet Terra Alta verraten. Er meinte damit die Zukunft im mediterranen Raum. Eine Rebe, die aufgrund ihrer Eigenschaften trotz Klimawandel frische und spannungsgeladene Rotweine ergeben kann und auch in den Alkoholgraden nicht allzu übertrieben daherkommt.

Bei Terroir al Limit ist diese Zukunft bereits Gegenwart: Les Tosses heißt eine nach Süden gerichtete Hochlage (600 m) mit schwarzen Schieferböden und 73 Jahre alten Cariñena-Reben. Der 2017er-Jahrgang dieses Weins ist so klar und frisch wie ein Gebirgsquell und so tief wie ein Bergsee.

Der 2017 Dits del Terra wirkt dagegen puristisch, mineralisch und griffig. Jenes Gewächs kommt von einer Steillage (400 m) mit Südorientierung und 85 Jahre alte Reben. Der 2017 Arbossar wiederum ist expressiver in der Aromatik. Er entstammt einem gleichnamigen Nordhang (400 m) mit Schiefer- und Granitböden und 90 Jahre alte Reben. Kurz gesagt: Selbe Traube, ähnliche Weinbereitung und doch drei ganz verschiedene Weine: Das nennt man Terroir.

Les Tosses: Hochlage mit alten Cariñena-Reben
Les Tosses: Hochlage mit alten Cariñena-Reben (Foto: © Terroir al Limit)

Dominik Huber hat eine klare Vorstellung von Wein, und diese Klarheit spürt man in seinen Weinen. Detailfragen sind mir plötzlich egal: Ob er die Weinberge nun biologisch oder biodynamisch bestellt (Letzteres ist der Fall), ob er den Weinen gar keinen oder nur wenig Schwefel beigibt – ich will mich im Gespräch damit nicht aufhalten. Fast erübrigt es sich zu erwähnen, dass das Lesegut mittels wilder Hefen spontan vergoren wird, anfangs als Ganztraube mit den Stielen.

Stattdessen lieber grundsätzliche Dinge: Terroir al Limit stellen den Ausbau der Weine von Holzfudern komplett auf Zementtanks (1400 Liter) um. Warum hat sich Dominik für diesen Schritt entschieden?

Ich sehe Holz mittlerweile sehr kritisch. Selbst bei 6 bis 12 Jahre alten Holzfudern, wie wir sie im Moment im Keller stehen haben, kriegst du noch eine Menge Holzgeschmack in den Wein. Zement ist neutraler und bringt Terroir besser zum Ausdruck. Wir haben im Priorat so viel Terroir und so viele großartige Weinberge, die möchte ich gerne so konkret wie möglich übersetzen.

Apropos übersetzen: Terroir al Limit bedeutet, das ist freilich nicht allzu schwer zu erraten, „Terroir bis zur Grenze“. Und mein Eindruck ist, dass Dominik Huber diese Grenze immer weiter antestet und ausreizt. Er sagt, dass Terroir al Limit dadurch vielleicht einige bisherige Fans verlieren werden. Gleichzeitig ist er davon überzeugt neue Aficionados dazu zu gewinnen. Doch wie macht sich der Umstieg von Holz auf Zement in der Stilistik der Weine bemerkbar?

Wir haben Les Manyes 2016 und Arbossar 2016 bereits ausschließlich in Zement ausgebaut. Die 2017er davon ebenfalls. Mir gefällt dieser direktere Wein, den wir dadurch erhalten. Das ist konkreter und schärfer im Ausdruck. Das Gefällige ist weg. Und ich finde, für Gefälligkeit ist Priorat der falsche Ort. 

„Für Gefälligkeit ist Priorat der falsche Ort“. Das könnte ein Leitmotiv für jene schroffe Bergregion und außerdem ein prima Schlusswort für diesen Beitrag sein. Aber sorry, wir sind noch nicht so weit. Ein Wein kommt noch. Hierfür verlassen wir das Priorat und gehen nach Andalusien. Also quasi.

Terroir al Limit, Einzellagenweine 2017 und 2016 Pedra de Guix.
Terroir al Limit, Einzellagenweine 2017 und 2016 Pedra de Guix.

In der Paketsendung, die ich an mein Zuhause in den Bergen von Granada erhalten habe, befand sich ebenfalls der Weißwein 2016 Pedra de Guix – je zu einem Drittel aus den Sorten Pedro Ximénez, Macabeo und Garnacha Blanca erzeugt. Wiederum handelt es sich um alte Reben, in diesem Fall aus drei verschiedenen Lagen mit Lehm-, Flussgestein- und Schieferböden.

Das goldfarbene Gewächs verfügt über einen oxidativen Touch und einen Tick Salzigkeit. Bereits beim ersten Schluck denke ich an Cordoba und Jerez. Als „Hommage an Andalusien“ will Dominik Huber den Wein folglich verstanden wissen.

Wie es in Andalusien teils noch praktiziert wird, presst er die Trauben in einer alten Korbpresse zwischen Matten. Wird dieser Vorgang langsam ausgeführt, tritt bereits eine in diesem Fall gewollte Oxidation ein. Fernerhin zeigt der Wein reichlich Körper, einen erdigen Charakter und eine generell komplexe Aromatik. Frisch ist er sowieso, Zug hat er ebenfalls. Die Balance ist dabei außergewöhnlich, alle Komponenten bilden ein harmonisches Ganzes, was ich als äußerst trinkanimierend empfinde.

Was mir dazu gerade spontan einfällt: In den 2000ern habe ich nicht über Wein, sondern Musik geschrieben. Öfters hatte ich Diskussionen mit Freunden und Kollegen über Original und Coverversionen. Meistens bestand Einigkeit zwischen uns, dass das Original besser ist. Doch es gibt diese Ausnahmen: „All Along the Watchtower“ von Jimi Hendrix finde ich zum Beispiel besser als das Original von Bob Dylan.

Beim 2016 Pedra de Guix frage ich mich ebenfalls, ob die Interpretation vielleicht …
Nein, lassen wir das. Ich werde womöglich noch aus Andalusien geworfen.

Vielmehr führt uns jener Weißwein wieder zum Thema Essen. Also das, worum es Dominik Huber in erster Linie geht: Die Erzeugung gastronomischer Weine, die dem mediterranen Lebensstil entsprechen.

„Eine Trennung von Wein und Food macht für mich keinen Sinn. Für mich ist das eine Einheit. Im Mittelmeerraum gehören Wein und Essen zusammen. Die Leute machen sich keine Flasche auf und trinken die vor sich hin. Stattdessen trinkt man zum Essen. Ich mag diesen Stil des Mittelmeers.

Zudem spricht er von einer sich verändernden Esskultur. Die Küche wird leichter, setzt auf mehr Vegetarisches und Fisch. Superschwere und alkoholische Weine kommen dafür nicht in Frage. Sein Pedra de Guix hingegen ist ein Beispiel für einen spannenden und ungewöhnlichen Weißwein, der zur zeitgemäßen Küche großartig passt.

Man kann Terroir al Limit übrigens schon auch mal ohne Essen zu Jimi Hendrix trinken. Er hat ebenfalls Maßstäbe gesetzt.


2 Kommentare

  1. Ich finde das Attribut „lecker “ sowohl für Weine als auch für Essen als das alles Entscheidende, das die Auswahl bestimmen sollte. Vorschläge wie in o.a. Ausführungen sind äußerst hilfreich aber nicht das Maß aller Dinge.

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