Comando G – Interview mit Daniel Landi

Daniel Landi, Comando G

Comando G ist eines der spektakulärsten Weinprojekte Spaniens. Mit ihren superfrischen und eleganten Weinen aus alten Garnacha-Reben haben die Winzer Daniel Landi und Fernando García das Berggebiet Sierra de Gredos weltbekannt gemacht. Thomas Götz war in Gredos und hat sich mit Daniel Landi unterhalten:


Daniel, ihr habt 2008 begonnen, als die globale Wirtschaftskrise Spanien hart traf. Wie kamt ihr über die Runden? Hattet ihr einen reichen Onkel in Amerika?

Ganz und gar nicht. Wir begannen quasi ohne Geld. Wir hatten nichts geerbt und kamen auch nicht aus reichen Familien oder dergleichen. Hinzu kommt, dass wir in einer völlig unbekannten Weingegend an den Start gingen. Mit einer Rebe – Garnacha – aus der damals vor allem billige, alkoholische Weine entstanden sind. Top-Weine aus 100% Garnacha existierten nicht. Wir haben im Grunde bei Null angefangen. 
Damals arbeiteten wir alle noch bei anderen Weingütern, ich im Familienweingut in Méntrida. Anfangs war Comando G für uns ein Hobby, ein Feierabendprojekt. Wir wollten Weine mit Frische, Finesse und Mineralität für uns und für Freunde machen.

Ein Feierabendprojekt seid ihr heute nicht mehr. Ab wann wurde aus Spass „Ernst“?

Schritt für Schritt haben uns die Schönheit und das Potenzial der Gredos-Berge hypnotisiert. Wir waren echte „Explorer“: Am Wochenende oder abends nach der Arbeit fuhren wir viel in den Bergen herum. Dabei entdeckten wir verlassene Weinberge, bei denen wir einfach nur WOW dachten. Und so entstand das Gefühl, dass wir diese alten Weinberge rekultivieren und Gredos auf die Weinlandkarte bringen wollen.
Für unsern Weinstil schauten wir nach Höhenlagen mit Nordausrichtung. Wir suchten an den kühlsten Orten in Gredos und in Zonen, in denen mehr Regen fällt. Anschließend gingen wir in die Dörfer und fragten in den Bars nach den Eigentümern der Parzellen. So gelangten wir an echte Schätze wie Las Umbrias, Rumbo al Norte und Rey Moro und wir spürten, dass wir das jetzt „so richtig“ angehen müssen. Comando G veränderte sich dann von einem After-Work-Hobby zu einer ernsten Sache. Das war 2013. Ich verließ in diesem Jahr das Familienweingut, um mich auf Comando G zu konzentrieren.

Die 0,5 ha Parzelle Las Umbrias in Rozas de Puerto Real.
Die 0,5 ha Parzelle Las Umbrias in Rozas de Puerto Real. Auf 1000 m.ü.NN gelegen. Typisch für Gredos sind die Granitsteine. Der Granit verwittert, er „zerbröselt“ und vermischt sich mit dem Sandboden.

Ihr habt euch an der Uni in Madrid kennengelernt. Woher kam die Inspiration für diesen frischen, eleganten Weinstil? Gab es einen Lehrer, der euch geprägt hat?

Es gab einen wirklich guten Professor im Fach Weinbau, von dem ich viel gelernt habe. Aber die Inspiration kam von woanders: Die kam aus Europa, aus Frankreich, aus dem Burgund, der Rhone und anderen Gebieten. Wir waren jedes Jahr vier oder fünfmal mit Freunden in einem Minibus unterwegs, um Anbaugebiete und Weine zu entdecken. Ich denke einer der Schlüssel, um es in der Weinwelt zu etwas zu bringen und den eigenen Stil zu finden, besteht im Reisen und Trinken.

Im Musikjournalismus existiert eine Theorie: Je ärmer eine Stadt, umso kreativer die Musik von dort. Als Beispiele gelten New Orleans und die Entstehung des Jazz oder Liverpool und Beat. Glaubst du, dass wenig Geld die Leute kreativer macht? Und kann man diese These auch auf Wein anwenden?

Ja, dem stimme ich zu. Ohne Geld hast du nichts zu verlieren und das beschert dir eine bestimmte Freiheit. Wenn du zum Beispiel die nächste Generation einer superbekannten Domaine im Burgund bist, dann tust du dir schwer, etwas zu verändern oder etwas Neues zu entwickeln. Du bist einem enormen Druck ausgesetzt, die Tradition und den Erfolg des Weinguts fortzusetzen.
Als wir 2008 mit Comando G begannen, hatten wir keine Kohle und kein Mensch kannte die Sierra de Gredos. Es gab keine Vorgaben, wie Weine aus Gredos zu sein haben, die Region war wie ein weißes, unbeschriebenes Blatt. Wir hatten somit die Freiheit kreativ zu sein und wir hatten nichts zu verlieren.
Andererseits darfst du mit wenig Geld keine Fehler machen. Das ist auch ein Druck. Ich erinnere mich an die Anfangstage. Da dachte ich: „Ich muss absolut konzentriert bei der Arbeit sein, weil ich jedes einzelne Fass benötige. Ich muss dieses Jahr diese zwei Fässer verkaufen, um im nächsten Jahr die Möglichkeit für drei Fässer zu haben.“ Auf diese Weise kommst du schrittweise voran.

Das heißt du bist auch Perfektionist?

Natürlich! (lacht)

Du bist außerdem ein erfolgreicher Weinmacher …

Das Wort Weinmacher gefällt mir nicht. Ich bezeichne mich als Vigneron.

Kannst du das bitte definieren? Was ist ein Weinmacher, was ein Vigneron?

Ein Vigneron bearbeitet den Weinberg, dabei erhält er Trauben, die er vergärt. Der Wein ist also das Resultat seiner Tätigkeit im Weinberg. Mit „Weinmacher“ assoziiere ich einen industriellen Ansatz, mit Chemie und Laboren.

Du bist jedenfalls ein erfolgreicher Vigneron. Für den Wein Rumbo al Norte habt ihr zweimal 100 Parker-Punkte erhalten. Ändert sich das Leben mit 100 RP?

Kommt drauf an. Natürlich ist es eine große Anerkennung und für uns von Bedeutung. Unsere Reputation in der Welt ist dadurch gestiegen. Allerdings läuft mein Tag genau so ab wie zuvor: Ich bearbeite die selben Weinberge mit dem selben Freund und Partner. Ich habe die selbe Familie und die selben Freunde. Die wichtigen Dinge im Leben haben sich nicht geändert. Verändert hat sich, dass ich seither mehr Interviews gebe (lacht). 

Die 0,3 ha Parzelle Rumbo al Norte. Auf 1200 m.ü.NN bei Villanueva de Avila. Comando G.
Die 0,3 ha Parzelle Rumbo al Norte. Auf 1200 m.ü.NN bei Villanueva de Avila. „Pac Man“ nennen sie den gespaltenen Granitblock.

Wofür steht eigentlich der Name Comando G?

Mit dem „G“ drücken wir unsere Identität aus: Gredos ist unser Ort. Granit ist unser Boden. Garnacha ist unsere Rebe.

Die Sierra de Gredos ist ein großer Gebirgszug. Eure Lagen verteilen sich auf drei autonome Regionen und Appellationen. Was macht Gredos für dich besonders?

Ganz allgemein gesagt ist es ein großartiger Ort, um Weltklasseweine zu erzeugen. Gredos ist die einzigartige Kombination aus sehr alten Weinbergen mit Grenache, aus Höhenlagen in einem spezifischen Bergklima und aus Granitböden. Das gibt es so kein zweites Mal auf der Welt.
Insbesondere sind die Höhenlagen wichtig: Der Weinbau findet auf 500 bis 1200 Metern statt. Und 100 Meter höher bedeutet etwa ein Grad weniger Temperatur. Das heißt, du kannst in Gredos dunklere und reifere Weine finden, jene aus den niederen Lagen. Oder sehr elegante und frische Weine aus den höheren Lagen. Natürlich hat es auch mit dem Ansatz des Winzers zu tun. Aber das Potenzial dieser Höhen ist sehr verschieden. 

Das heißt Gredos ist nicht gleich Gredos?

Genau. Es gibt drei verschiedene Täler mit jeweils verschiedenen Klimas. Neben den Höhenunterschieden – die ich gerade schon nannte – ist zudem wichtig, ob eine Lage in den Bergen nach Süden, Norden, Osten oder Westen ausgerichtet ist. Hier hat jedes Tal und jede Ortschaft einen spezifischen Charakter. Ich denke Gredos hat eine eigene Identität innerhalb derer es viele Identitäten gibt.

Wie drückt sich der Granitboden im Wein aus?

Granit bedeutet elektrische Säure und Spannung. Doch auch hier gilt: Granit ist nicht gleich Granit. In Gredos enthält der Granitboden viel Sand und Quartz, aber zum Beispiel keinen Lehm. Quartz bringt einen mineralischen Eindruck mit sich, der Sand die Finesse.

Dein Comando-G-Partner Fernando García hat einmal geschrieben, dass ihr zu einer Generation gehört, „die mehr auf die Wurzeln als auf die Fässer schaut“. Was kann man darunter verstehen?

Spanien war lange von Weinindustrie geprägt. In den letzten 20 Jahren haben wir den handwerklichen Ansatz, unsere lokalen Rebsorten und alten Weinberge wiederentdeckt. Zudem halten wir die Qualitätsstufen Crianza, Reserva und Gran Reserva für ein sehr altmodisches System der Klassifizierung. Die Idee dahinter ist: Je länger ein Wein im Fass reift, umso besser. Aber das ist natürlich falsch. Für uns steckt in der burgundischen Philosophie die Wahrheit.

Und wie lautet die?

Wein ist ein landwirtschaftliches Produkt und wird im Weinberg gemacht. Ein Wein soll die Seele eines Weinbergs ausdrücken. Er entsteht aus dem Dialog von Winzer und Weinberg. Es geht um die Verbindung einer Person mit einem spezifischen Ort.

Daniel Landi und Fernando Garcia von Comando G.
Daniel Landi (links) und Fernando Garcia in einem ihrer Weinberge in der Sierra de Gredos.

Wieviel Prozent Terroir und wieviel Prozent Keller steckt in euren Weinen?

Das ist eine schwierige Frage. Unser Fokus liegt auf dem Weinberg. Die meiste Zeit des Jahres verbringen wir dort. Fernando und ich machen den Rebschnitt, den Grünschnitt und vieles mehr. Wir arbeiten biodynamisch in unsern Lagen und stellen Präparate wie Hornmist und Hornkiesel her. Wir versuchen die Natur, die Reben und den Jahrgang zu verstehen.
Wenn du auf diese Weise gut arbeitest, dann erhältst du die bestmöglichen Trauben. Im Keller gilt es dann, die Trauben zu respektieren. Bei uns kommen keine Maschinen zum Einsatz. Wir machen so wenig wie möglich am Wein. Getreu dem Motto: Finger weg!

Eure Rotweine sind hell, obwohl ihr lange Mazerationszeiten von 60 bis 70 Tagen vornehmt. Wie geht das zusammen?

Wir wollen Weine mit Frische, Finesse und Mineralität. An diesen drei Leitmotiven ist all unser Tun im Weinberg und Keller ausgerichtet. Die Frucht steht nicht im Vordergrund.  
Zuerst stampfen wir die Trauben mit Füßen und vergären sie mit den Rappen. Wir verzichten auf Umwälzen, Pigeage oder dergleichen. Mit solchen Methoden erhältst du dunklere Weine mit mehr Frucht, aber du verlierst die Finesse und Präzision. Stattdessen geben wir einzig morgens und abends mit einer kleinen Gießkanne etwas Saft auf den Tresterhut. Das ist alles. So behalten wir die Finesse. Die Mineralität kommt langsam von selbst – für uns ist sie der Sohn der Zeit. Nach etwa 50 Tagen erhalten wir die Tiefe, Komplexität und Mineralität, die wir anstreben.

Wie wirkt sich der Klimawandel auf eure Arbeit aus?

Der Klimawandel ist in erster Linie eine Klimaerwärmung. Wir passen unsere Arbeit im Weinberg auf vielfältige Weise an. Zum Beispiel führen wir den Rebschnitt im März und April aus. Würden wir es früher machen und der Winter warm ausfallen, dann käme der Austrieb der Reben zu früh. Darüber hinaus ändern wir den Beschnitt: Die Gobelet sollte wie ein Champignon aussehen, wie ein grüner Regenschirm aus Blättern. Die Trauben hängen dann vom Blattwerk geschützt im Schatten. Allerdings belassen wir weniger Blätter an den einzelnen Ruten. Denn je mehr Blätter, umso schneller reifen die Trauben, umso mehr Zucker und umso mehr Alkohol im Wein. Das ist ein Balanceakt.

Wie sehen eure Pläne für die Zukunft aus?

Fernando und ich schlagen gerade ein neues Kapitel auf. Das erste bestand darin, Gredos zu entdecken, verlassene Weinberge zu retten und dem Gebiet einen Namen in der Weinwelt zu geben. Nun starten wir in eine neue Phase und werden Weinberge für kommende Generationen anlegen. Für mich besteht der wahre Wert eines Weinbergs in der Verbindung zwischen den Generationen. Wir können heute diese Weine machen, weil jemand vor 90 Jahren einen Weinberg pflanzte. Er bestellte ihn während des spanischen Bürgerkriegs und danach, als die Trauben fast kein Einkommen mehr ergaben. Es ist im Grunde nicht unser Wein, wir sind nur ein Teil der Geschichte dieser Weinberge. 
Seit Jahren studieren wir die Böden in Gredos und wir haben heute eine genaue Kenntnis vom Gebiet. Derzeit schauen wir uns nach den besten Lagen bezüglich Höhe, Himmelsrichtung und Boden um. Den Klimawandel haben wir auch im Blick. Vielleicht pflanzen wir nächstes Jahr den ersten Weinberg.

Wie siehst du die Entwicklung und Zukunft des Weinlands Spanien?

Ich glaube Spanien hat ein so großes Potenzial wie Frankreich oder Italien. In den vergangenen 15 Jahren haben wir erkannt, dass Spanien nicht nur Industrie, nicht nur Parker-Style und nicht nur „holzig“ ist. Wir können in die Grand-Cru-Klasse mit handwerklich gemachten Weinen vorstoßen. Wir haben die Terroirs und Rebsorten, um das zu erreichen. Stilistisch gesprochen mit Weinen ohne Make-up. Darauf richtet sich der Blick unserer Generation. Genau genommen sind wir die zweite Generation in diesem „spanischen Wandel“. Leute wie Alvaro Palacios, Peter Sissek und Telmo Rodriguez haben bereits den Grundstein gelegt.

Daniel, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute mit Comando G.

Danke ebenfalls und „Stay safe“.

Die Weinberge, hier Las Umbrias, werden im Frühjahr mit Pferden gepflügt.

Weitere Informationen:

Neben den Comando G-Gewächsen keltert Daniel Landi weitere Weine aus eigenen Lagen in Méntrida. Die Weinberge pflanzte einst sein Großvater. Diese Rotweine – ebenfalls aus Garnacha und aus den Höhenlagen der Sierra de Gredos – gelangen unter seinem vollen Namen Daniel Gómez Jiménez-Landi in den Handel. Fernando García ist zudem Weinmacher bei Bodegas Marañones im Madrider Teil der Sierra de Gredos. Ein vielbeachtetes Projekt ist ferner Uvas Felices, eine Kooperation von Comando G und ihrem spanischen Distributor Vila Viniteca. Bis 2013 war Marc Isart der Dritte im Bunde von Comando G. Er ist bekannt als Weinmacher von Bodegas Bernabeleva und bei Telmo Rodriguez, ebenfalls in der Sierra de Gredos.

Fotos 1,3,4,5: © Comando G
Foto 2: © Spaniens Weinwelten

Bezugsquelle DE: www.gute-weine.de
Bezugsquelle CH: www.casadelvino.ch
Bezugsquelle AUT: www.weinskandal.at

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