Ganz im Norden von Katalonien, im Grenzgebiet zu Frankreich, im Schatten der Pyrenäen und im Hinterland der Costa Brava befindet sich abgelegen das Weingut Vinyes d’Olivardots. Der Weinkritiker Luis Gutierrez machte mich neugierig, als er kürzlich auf Facebook ein Foto mit dem Vermerk postete: „Mediterrane Weißweine mit Frische und Persönlichkeit – Vinyes d’Olivardots in Empordà.“
Weißweine „mit Frische und Persönlichkeit“, aus einem derart berufenen Munde. Wie könnte ich da widerstehen? Noch dazu, wo ich mit meiner Frau Emily und den Kindern gerade erst die Gegend bereiste. Also vereinbarten wir einen Besuch und schauten beim Weingut vorbei.
Biodynamischer Anbau, ein Nordwind und rare Reben
Es ist heiß im August. Als wir ankommen und aus dem PKW steigen, bläst zudem ein warmer Wind. Carlota Pena, die gemeinsam mit ihrer Mutter Carme Casacuberta die Weine erzeugt, erwartet uns bereits am Eingang zur Kellerei. Zuerst aber schauen wir uns die Weinberge an.
Diese werden biodynamisch bewirtschaftet. Um ausreichend Naturdünger für die Böden zu erhalten, hält sich das Weingut eine 20 Schafe starke Herde. Außerdem werden die beim Rebschnitt entfernten Ruten sowie die Maischereste der Gärung kompostiert und den Böden wieder zugeführt.
Ferner setzen Carme und Carlota zum Schutz der Pflanzen kein Schwefel oder Kupfer als Spritzmittel ein, wie es im biologischen Anbau erlaubt ist. Stattdessen verwenden sie selbst hergestellte Präparate aus Kräutern wie Brennnessel und Kamille. Last but not least sind die Arbeitsprozesse auf den Mondkalender abgestimmt.
Das Anbaugebiet Empordà verfügt über eine beachtliche Bodenvielfalt, die unter anderem Granitsand, Quartz und Glimmerschiefer umfasst. Klimatisch ist die Region sowohl vom Mittelmeer als auch von den Pyrenäen beeinflusst.
Ein spezifisches Wetterphänomen ist der Nordwind „Tramontana“, der in der Spitze 150 km/h erreicht. Aufgrund dessen sind bei Vinyes d’Olivardots die Weinberge nach Norden ausgerichtet. Die nördliche Ausrichtung lässt den Wind geradewegs durch die Rebzeilen ziehen, ohne Schaden anzurichten. Unterstützend wirkt diesbezüglich auch das sogenannte Lyra-Erziehungssystem. Benannt ist es nach der Lyra (Leier), weil die Metallgestänge in der Form dem antiken Zupf- und Saiteninstrument ähneln. In jener V-förmigen Drahtrahmenerziehung wachsen die Reben abwechselnd nach links und rechts und bilden so ebenfalls einen durchlässigen Windkorridor.
Ein besonderer Schatz innerhalb der 14 Hektar, die das Weingut in Eigenregie kultiviert, sind Rebanlagen mit bis zu 120 Jahre alten Buschreben aus seltenen autochthonen Sorten wie die Cariñena Blanca und Cariñena Gris.
Freilich kenne ich die rote Cariñena (Carignan) als eine der Hauptsorten des Priorat. Dass aber zusätzlich eine weiße und graue Cariñena existieren, wusste ich bis zu meinem Besuch bei Vinyes d’Olivardots nicht. An etwas späterer Stelle kommen wir bei den Weinbesprechungen auf die Sorten zurück.
Vinyes d’Olivardots – ein junger Familienbetrieb
Die Familie komme eigentlich aus Barcelona, erzählt uns Carlota Pena beim Gang durch das Weingut. Der Vater ein Ingenieur, die Mutter Chemikerin. Hier, in Empordà, hätten sie ein Ferienhaus besessen. Weinaffin seien die Eltern immer gewesen, sagt Carlota, aber mit dem Weinmachen hätten sie nie etwas zu tun gehabt.
Dann kam 2002 der Entschluss ein eigenes Weingut zu gründen. Vier Hektar wurden neu mit Garnacha, Syrah und Cabernet Sauvignon bestockt. Bis zur ersten Weinlese im Spätsommer 2006 wurde parallel die Kellerei errichtet und Mutter Carme studierte Önologie in Tarragona. 5000 Flaschen umfasste der erste Jahrgang, 2009 gingen sie erstmals in den Verkauf.
Mittlerweile sind neue Weinberge dazugekommen und die jährliche Produktion liegt bei rund 50.000 Flaschen. Carlota studierte wie ihre Mutter Önologie in Tarragona und ist seit 2016 fester Bestandteil des Teams.
Vinyes d’Olivardots – Weine mit Finesse
Die Weine von Carme Casacuberta und Carlota Pena sind außergewöhnlich: Sie entstammen spezifischen Böden und Klimaeinflüssen, autochthonen Reben, einem nachhaltigen biodynamischen Anbau und tragen die Handschrift zweier passionierter Weinmacherinnen. All das, was man in der Gesamtheit als „Terroir“ bezeichnet.
In der Regel erfahren die Trauben unmittelbar nach der Handlese eine mehrtägige Kaltmazeration in der Kühlkammer. Im Anschluss finden eine Tischselektion und wiederum danach die Gärung statt. Das Lesegut einer jeden Parzelle wird übrigens einzeln vergoren und ausgebaut. So entstehen Lagenweine, von denen später manche miteinander verschnitten werden.
Dies ist beispielsweise beim Weißwein Blanc de Gresa 2016 der Fall. Die Cuvée aus Garnacha Blanca, Garnacha Gris und Cariñena Blanca ist vollmundig, frisch und zeigt viel Charakter. Die Gärung im 500 l Eichenfass und ein achtmonatiger Ausbau auf der Feinhefe spielen hierbei eine Rolle. Unter anderem erhält der Wein dadurch eine schmelzig-weiche Textur und einen großen Spannungsbogen.
119 Jahre alt sind die Reben, aus denen der Rosa d’Amphora 2018 gewonnen wird. Es handelt sich um einen Roséwein aus der seltenen Weißweinsorte Cariñena Gris. Ähnlich der Grauburgunder entwickelt jene Graue Cariñena eine rötlich-pinke Beerenhaut.
Bei entsprechender Kaltmazeration, in diesem Fall sechs Tage, zieht der Beerensaft die rötliche Farbe sowie Tannine aus den Schalen. Die Trauben werden dann gepresst und der Most in Tonamphoren vergoren und ausgebaut. Der Rosa d’Amphora ist somit wie bereits erwähnt ein Rosé aus einer Weißweinsorte.
Sehr trocken, fein strukturiert und trinkanimierend kommt er daher. Dieser von Zitrusnoten (Orangenzeste) und Mineralität dominierte Rosado ist kein belangloses Sommergetränk wie viele seiner Artgenossen, sondern ein hochspannender Wein.
Nach den ersten drei Weinen unserer Verkostung – zu denen ergänzend der saftig-mineralische Groc d’Amphora 2018 gehört – verstehe ich bereits genau, was der eingangs genannte Luis Gutierrez mit „Frische und Persönlichkeit“ meint.
Gutierrez bringt die Sache auf den Punkt: Obwohl wir uns in einem heißen mediterranen Klima befinden und obwohl die Weinberge von Vinyes d’Olivardots mit 100 bis 500 m Meereshöhe für spanische Verhältnisse nicht besonders hoch liegen, sind die Weine vielschichtig und von lebhafter Säure getragen. Dieses Merkmal trifft auf alle Gewächse zu, mögen sie stilistisch noch so verschieden sein.
Wie das sein kann, frage ich Carlota. „Das hat mit der Cariñena zu tun“, antwortet sie. Im Gegensatz zur Garnacha habe sie ausgezeichnete Säurewerte, und so ließen sich insbesondere aus Cariñena Gris und Cariñena Blanca sehr frische Weine keltern. Die Trauben eignen sich dank dieser Eigenschaft auch prima zum Verschnitt.
Lagenweine, die Geschichten erzählen
Wir sind bei den Roten angelangt. Klar konturiert, mit transparenter Frucht und etwas Pfeffer gefällt der Vermell 2016 aus Syrah, Garnacha und Cariñena. Der Wein – saftig und frisch – erfährt beim Ausbau einen moderaten Einsatz von gebrauchten Barriques.
Im Stil ganz anders kommt die Cuvée Gresa 2010 daher. „Gresa“ ist eine Art bröseliger Klumpen aus Granitsand und Quartz, auf dem die vier Rebsorten dieses Rotweins wachsen. Der Wein entspricht eher dem traditionellen Spanier (bzw. Katalanen): 18 Monate neues Barrique hinterlassen Aromen von Tabak und Schokolade. Konzentriert und voluminös ist er, zugleich harmonisch und weich am Gaumen. Ein ausgezeichneter Tropfen klassischer Prägung. Im März 2010, ergänzt Carlota, lag eine Woche Schnee in den Weinbergen, eine absolute Seltenheit. Die Weinlese zog sich bei diesem Jahrgang bis in den November hinein.
Im Jahr 2012 wiederum bedrohten Busch- und Waldbrände einige Lagen von Vinyes d’Olivardots. In einer Cariñena-Parzelle von 1909 fielen manche Rebstöcke dem Brand zum Opfer. Aus den Reben und dem Lesegut, welche die Brände überstanden, kelterte die Familie den Rotwein VdO 2.12. Die „2“ steht für die vom Weingut zugeordnete Nummer der Parzelle. Die „12“ für den Jahrgang 2012.
Carlota gießt mir den Wein ins Glas, während sie von den Feuern und der damit verbundenen Bedrohung erzählt. Der Wein schmeckt in der Tat nach Asche. Aber das Feuer hat nicht gewonnen. Denn insgesamt ist das Gewächs hervorragend balanciert und komplex – mit balsamischen Noten, dunkler Beerenfrucht und eleganten Tanninen. „Es ist gut, dass aus einer Katastrophe noch etwas Schönes entstehen kann“, sagt Carlota.
Bezugsquelle: Der Weinfleck
Link zum Weingut: olivardots.com