Große Cavas in Barcelona

Cava Meeting

Die DO Cava hat turbulente 2010er-Jahre hinter sich, in denen renommierte Erzeuger die Appellation verlassen und eigene Verbände gegründet haben. Doch so langsam glätten sich die Wogen und es wird deutlich, dass Cava – allen Unkenrufen zum Trotz – viel Substanz hat. Als ich in Barcelona das internationale Cava-Meeting besuchte, kam ich vor lauter hochkarätigen Tastings aus dem Staunen kaum mehr heraus.

Die Cava-Welt ist für Außenstehende nicht einfach zu verstehen, und gerade in Deutschland stelle ich immer wieder fest, dass selbst Weinprofis nur oberflächliche oder falsche Kenntnisse über Cava haben. Deshalb ein paar allgemeine Infos vorab: Cava wird nach der traditionellen Methode hergestellt, und die mit Abstand meisten Cavas werden in Katalonien und dort wiederum in der Penedès-Region erzeugt. Darüber hinaus gibt es vereinzelt Gemeinden in den Autonomen Gemeinschaften Aragon, La Rioja, Baskenland, Navarra, Valencia und Extremadura, in denen es ebenfalls möglich ist, nach traditioneller Methode hergestellte Schaumweine als Cava zu deklarieren. All diese Gemeinden außerhalb Kataloniens tragen zusammen nur zu etwa fünf Prozent der Cava-Produktion bei. Insofern ist Cava sowohl historisch als auch aktuell sehr eng mit Katalonien und insbesondere der Region Penedès verbunden.

Der Wein aus dem Keller: Ein Name mit Tradition

Eben dort im Penedès führte Josep Raventos 1872 die traditionelle Methode in Spanien ein. Genau 100 Jahre später entstand die erste Regulierungsbehörde für Schaumweine. Sie genehmigte 1972 die Bezeichnung „Cava“ für spanischen Schaumwein. Der Name Cava (dt.: Keller oder Höhle) war im Penedès jedoch schon viel früher gebräuchlich. Er wurde inoffiziell für jene Schaumweine verwendet, die lange in den Kellern lagerten. Ursprünglich sprach man von einem „Vi de cava“, wörtlich „Wein aus dem Keller“. Bereits in den 1920er Jahren tauchte auf ersten Weinetiketten die Bezeichnung „Criados en Cava“ (im Keller gereift) auf. Am 2. Juli 1959 wurde der Begriff Cava in einem Ministerialerlass erstmals offiziell dokumentiert. 1986 wurde als letzter Schritt die DO Cava gegründet. Seitdem ist das Produktionsgebiet gesetzlich festgelegt, auf die Regionen, wie ich sie im einleitenden Absatz beschrieben habe.

Ein Etikett aus den 1920ern. Das Wort Cava taucht hier bereits auf. Heute gehört das Weingut Gramona allerdings nicht mehr der DO Cava, sondern dem Verbund Corpinnat an. (Foto: © Celler Gramona)

Basic und Spitze: Guarda und Guarda Superior

Ein weiterer Punkt ist für das Verständnis von Cava wichtig – nämlich die beiden Klassifizierungen Guarda und Guarda Superior. Für Cavas der Basiskategorie „Guarda“ gilt eine Mindestreife auf der Hefe von neun Monaten. Für die höher eingestuften Cavas „Guarda Superior“ ist ein Hefelager von mindestens 18 Monaten vorgeschrieben. In die Superior-Kategorie fallen somit ausschließlich Cavas, die als Reserva, Gran Reserva oder als Paraje Calificado klassifiziert sind. Außerdem muss ein Superior-Cava spätestens ab 2025 zwingend aus biologischem Anbau stammen, er muss zudem ein Jahrgangs-Schaumwein sein und es gelten für ihn niedrigere Ernteerträge.

Es ist vielleicht wichtig zu erwähnen, dass die höherwertigen Cavas aus der Kategorie „Guarda Superior“ in Spanien zuletzt einen Anteil von 24 Prozent am gesamten Cava-Absatz hatten, während es in Deutschland nur zwei Prozent waren.

Und eben diese in Deutschland so wenig bekannte und unterrepräsentierte Guarda-Superior-Kategorie nahm auf dem Cava-Meeting in Barcelona die Hauptrolle ein.

Große Schaumweine mit elend langen Hefelagern

Überhaupt traf sich auf dem zweitägigen Kongress das Who is Who der spanischen Weinwelt sowie führende internationale Journalisten, Sommeliers und Master of Wine, um sich über die Gegenwart und Zukunft von Cava auszutauschen. Da ich in einem Beitrag für Wein+Markt bereits auf einige Themen der Diskussionsforen eingegangen bin, beschränke ich mich im Folgenden auf ein paar der liebsten Cavas, die ich bei den Masterclasses und Weingutsbesuchen kredenzt bekam. Wir beginnen mit …

Blancher: Carbó Capdevilla 1975

Blancher, Carbó-Capdevilla 1975, Cava-Meeting 2023
Einzigartig: Der Cava Carbó-Capdevilla reifte 45 Jahre in der Flasche

Unter den vielen Cavas, die wir an den beiden Tagen verkosteten, stach der 1975er Carbó-Capdevilla von Blancher allein schon aufgrund seines Alters hervor. Er wurde 1978 degorgiert und reifte im Keller des Weinguts für 45 Jahre auf der Flasche, bevor wir ihn verkosteten. Er war noch ziemlich lebendig, auch wenn die Bläschen fast verschwunden waren, mit starken Kaffeearomen und einer salzigen Note.

Mestres: Mas Via La Cavateca 2002 & Clos Damiana 2009

Besuch beim Weingut Mestres: Sie sind die Helden der langen Hefereifung

Die Helden der lang gereiften Cavas sind vor allem Mestres, deren Kellerei in Sant Sadurni d’Anoia wir an einem der Abende besuchten. Bei der Verkostung fand ich ihre Cavas 2009 Clos Damiana und 2002 Mas Via La Cavateca (der ein Hefelager von 20 Jahren hat) schlicht und ergreifend umwerfend. Was für eine Tiefe, Cremigkeit und Länge! Als Dosage greift das Weingut auf teils sehr alte Reserveweine zurück, was vielleicht den oxidativen Touch erklärt, den ich bei Clos Damiana im Abgang feststelle und der zur Komplexität beiträgt. Übrigens hat Mestres jüngst einen Cava herausgebracht, der sogar 38 Jahre auf der Hefe gereift ist. Das zeigt die einzigartige Zeitdimension, die manche Cavas haben.

Mestres ist auch das Weingut, das 1945 den Stil Brut Nature im Penedès einführte. Überhaupt ist es auffällig, wie viele der heutigen Spitzencavas mit Zero Dosage daherkommen. Durch das wärmere mediterrane Klima im Penedès fallen die Weine weniger säurebetont als etwa in der Champagne aus. Deshalb benötigen die Schäumer auch keine Restsüße, die die Säure abmildern würde.

Das Paraje-Calificado-Tasting

Spitzencavas, darunter auch solche aus der Einzellagen-Kategorie Paraje Calificado

Die Cavas der bereits erwähnten Blancher und Mestres waren Teil eines Top-Tastings, das gleich mehrere Cava-Ikonen enthielt. Die ovale Flasche im Bild oben, die nicht allein stehen kann, ist zum Beispiel der superanregende und vielschichtige Kripta 2011 von Agusti Torello Mata, eine echte Referenz für die Region, auch wegen des klassischen Verschnitts der Rebsorten Macabeo, Xarel.lo und Parellada.

Darüber hinaus rückte die Masterclass die Kategorie Cava de Paraje Calificado in den Fokus. Hierbei handelt es sich um die höchste Klassifizierung, die sich aus Cavas zusammensetzt, deren Trauben aus einer spezifischen Einzellage stammen, wie etwa der elegante 2009 La Capella von Juvé & Camps, ein reinsortiger Xarel.lo. Er reifte 160 Monate auf der Hefe, ist rund und harmonisch am Gaumen. Juve & Camps ist übrigens eine der wenigen Weinkellereien im Penedès, die alle ihre Grundweine einer malolaktischen Gärung unterziehen.

Mit beeindruckend knackiger Säure präsentiert sich wiederum der 2010 Els Tros Nou von Codorniu. Die Pinot Noir-Trauben für diesen Blanc de Noirs wachsen in den Höhenlagen der katalanischen Region Conca de Barbera. Bei diesem Cava wird die hohe Säure (ausnahmsweise) durch eine Dosage im Brut-Bereich abgemildert.

Überragend finde ich stets den Cava Can Sala von Familia Ferrer, dem Boutique-Weingut der Ferrer-Familie, die einst Freixenet gegründet hat. Beim Cava-Meeting konnte ich gleich mehrere Jahrgänge (2013, 2009, 2008, 2005) dieser sagenhaften Cuvée aus Parellada und Xarel.lo probieren. Mein Favorit, der 2008er, hat eine sinnliche Nase, die einen kleinen Tick an einen Amontillado erinnert, dazu eine elegante, seidige Textur und einen langen salzig-mineralischen Abgang.

Auch der Claror vom biodynamischen Weingut Vins El Cep ist immer wieder großartig. Der 2015er ist schlank und geradlinig, sehr klar und präzise, hat Spannung und eine anregende Aromatik von Kräutern wie wildem Fenchel und nussigen Noten.

Maria Rigol Ordi: Maria Gran Reserva 2016

Anais Manobens leitet das Weingut Maria Rigol Ordi, benannt nach ihrer Großmutter.

Zu meinen Favoriten gehört ferner das Weingut Maria Rigol Ordi. So hieß die Großmutter der heutigen Betreiberin Anais Manobens, zu sehen auf dem Foto oben. Die Bodega liegt mitten in der Kleinstadt Sant Sadurni d’Anoia, und sie erzeugen etwa 70.000 Flaschen Cava im Jahr. Sie besitzen keine eigenen Weinberge, sondern beziehen die Grundweine von langjährigen Lieferanten. Das ist im Penedès nicht unüblich, wo die Beziehungen zwischen Cava-Erzeugern auf der einen und Winzern auf der anderen Seite manchmal schon seit Generationen bestehen.

Maria Rigol Ordi steht auch stellvertretend für die vielen kleineren und fabelhaften Cava-Erzeuger, die einem internationalen Publikum weitgehend unbekannt sind. Beim Cava-Meeting hatte ich die Gelegenheit, mit dem US-Amerikaner Doug Frost zu sprechen. Er ist einer der wenigen, die sowohl den Titel Master of Wine als auch Master Sommelier tragen. Es sei erstaunlich, wie viele exzellente Cavas es von kleinen Erzeugern gebe, die selbst Experten unbekannt seien, sagte er und nannte als Beispiel das Weingut Guilera. Nennenswert sind zudem Carles Andreu, Oriol Rossel und Parató Vinicola.

Vertikale des Alta Alella 10

Vertikale des „Alta Alella 10“. Jahrgänge 2021 bis 2011. Aus der Rebsorte Chardonnay gekeltert und wie alle Cavas des Weinguts ein Brut Nature.

Im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Erzeugern, liegt das Weingut Alta Alella nicht im Penedès, sondern im Anbaugebiet Alella. In der DO Cava heißt diese Zone „Serra de Mar“. Wir besuchten dieses Weingut nachts, so dass wir die beeindruckende Aussicht aufs Mittelmeer nicht genießen konnten. Die biodynamisch bewirtschafteten Weinberge von Alta Alella befinden sich in einem Naturpark, quasi direkt an der Küste und in Sichtweite zur Millionenstadt Barcelona. Das Gebiet hat einige Besonderheiten, allen voran den feinkörnigen Granitboden „Sauló“, der den Weinen eine funkelnde Säure verleiht. Außerdem heißt die Weißweintraube Xarel.lo hier Pansa Blanca.

Wir wurden von Mireira Pujol-Busquets und ihrem Team empfangen und bewirtet (es gab fantastische Tapas). Neben Fassproben von Grundweinen hatten sie auch eine Vertikalprobe ihres Spitzencavas „Alta Alella 10“ vorbereitet. Es ist freilich immer hochspannend zu sehen, wie sich ein (Schaum-)Wein mit der Zeit entwickelt – trotz der Unterschiede, die jeder Jahrgang aufweist. In diesem Fall lagen die Hefelager bei 26 bis 131 Monaten. Mit zunehmendem Alter wird die Perlage feiner, die Textur vielschichtiger und die Aromen wandeln sich in Richtung getrocknete Früchte und Kräuter. Die Cavas von Alta Alella haben aber auch eine Grundkonstante: Sie sind salzig-mineralisch und verfügen über eine lebhafte Säure.

Mein Favorit, der 2011er, zeigte sich mit klarer und kompakter Nase, sogar mit Zitrusnoten und überhaupt superfrisch am Gaumen. Wie alle Cavas von Alta Alella ist er ein Brut Nature. „Würden wir Säure oder Zucker hinzufügen, ginge der spezifische Ausdruck des Jahrgangs verloren“, sagt Mireira Pujol-Busquets. Also lässt sie es. Alta Alella steht daher für ungeschminkte Cavas mit eigenständiger Persönlichkeit.

Parés Baltà: Historic 2018

Klassische Cuvée aus Xarel.lo, Macabeo und Parellada.

Eine weitere Cava-Neuigkeit ist die Einführung des Siegels „Elaborador Integral“. Wer die Weinbereitung selbst durchführt und keinen Grundwein zukauft, kann dies nun mit dem Siegel kenntlich machen; der Hinweis erscheint auf dem Rückenetikett. Derzeit gibt es 16 Elaborador Integral in der DO Cava. Einige wie Agusti Torello Mata, Alta Alella, Blancher, Carles Andreu, Familia Ferrer, Juvé & Camps, Parato Vinicola und Vins El Cep habe ich in diesem Beitrag bereits vorgestellt. Auch Parés Baltà reiht sich hier ein.

Parés Baltà ist ein Familienbetrieb, in dem traditionell die Frauen für die Weinbereitung zuständig sind. Sie keltern hervorragende Cavas (und Stillweine). Zum Beispiel ist ihr „Historic 2018“ ein wunderbarer Begleiter zu Miesmuscheln und gegrilltem Seeteufel, die es bei einem Dinner gab. Historic heißt der Cava, weil es sich um den klassischen Penedès-Blend aus den Rebsorten Xarel.lo, Macabeo und Parellada handelt. Die Trauben stammen aus biodynamischem Anbau. Dieser tiptop balancierte Cava zeichnet sich durch eine anregende Frische, cremige Textur und elegante Perlage aus. Für um die 16 Euro im Handel bietet er ein exzellentes Preis-Genuss-Verhältnis.

Was gab es sonst noch beim Cava Meeting?

37 Jahre später

Nachdem ich 1986 die Tischtennis-Schulmeisterschaft der Realschule Schwendi gewonnen habe, konnte ich 37 Jahre später meiner Sammlung einen zweiten Titel hinzufügen: Ich bin tatsächlich der frisch gebackene Cava-Quiz-Sieger des Cava-Meetings 2023! Bei dem Quiz galt es 15 Fragen über das Handy nicht nur richtig, sondern auch möglichst schnell zu beantworten. Als Fan von 1860 München ist man an Niederlagen gewöhnt, umso schöner sind die seltenen Siege.

Der Höhepunkt war für mich allerdings ein Dinner im Weingut Juvé & Camps, das vom Team des preisgekrönten Restaurants El Celler de Can Roca zubereitet wurde. Die Kombination an diesem Abend von famoser Kochkunst und lange auf der Hefe gereiften Cavas steht bezeichnend für zwei wunderbar inspirierende Tage. 

Cava Meeting. Dinner bei Juvé & Camps. Von El Celler de Can Roca.
Vegetal Surf & Turf by El Celler de Can Roca

Weitere Infos:

Alle Fotos, sofern nicht anders gekennzeichnet: © Thomas Götz

2 Kommentare

    1. Hallo, vielen Dank für den Link und die Liste!

      Das wird einige Leser und Leserinnen sicher interessieren.

      Herzliche Grüße, Thomas Götz

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