Was ist ein Cava de Paraje Calificado?

La Capella, Paraje Calificado, Juve Camps

Die klassischen Weine Spaniens sind vor allem Stil-Weine. Nehmen wir etwa eine Rioja Gran Reserva oder Fino Sherry: Sie definieren sich stark über die Weinbereitung im Keller und verfügen über eine klar identifizierbare Stilistik. Bei Cava, dem dritten Klassiker im Bunde, verhält es sich ähnlich: Die obligatorische Flaschengärung und die Dauer des anschließenden Hefelagers bestimmen auf entscheidende Weise das Profil dieses Schaumweins, sei es in Bezug auf Aromatik, Textur oder Intensität.

Doch wo bleibt bei alledem das Terroir, von dem in Spanien neuerdings so viel die Rede ist? Wie drücken sich Klima, Boden und die spezifischen Qualitäten eines Weinbergs in einem Cava aus? Antwort darauf soll die 2017 eingeführte Klassifikation Cava de Paraje Calificado geben, was auf Deutsch „Cava einer qualifizierten Einzellage“ bedeutet. Die Trauben für einen Cava de Paraje Calificado stammen demnach aus einer Weinlage, die sich „von anderen Lagen durch ihren einzigartigen und spezifischen Charakter unterscheidet“, wie es im Reglement der D.O. Cava heißt.

Der Kontrollrat der D.O. Cava entscheidet nach einem mehrjährigen Prüfungsprozess, welcher Weinberg den Anforderungen eines Paraje Calificado entspricht. Das Cava-Gebiet ist mehr als 38.000 Hektar groß und derzeit gibt es nur acht solcher Lagen. In der Qualitätspyramide der D.O. Cava stehen sie ganz oben, noch über der Kategorie Gran Reserva. Bei einem Paraje Calificado sind etwa die Erntemenge auf 8.000 Kilogramm je Hektar und die Weingewinnung auf 48 Hektoliter je Hektar begrenzt. Zum Vergleich: Die Champagne erlaubt eine Traubenernte von 15.500 Kilogramm je Hektar. Darüber hinaus müssen die Reben mindestens zehn Jahre alt und der Anbau zwingend biologisch sein sowie die Lese von Hand erfolgen. Last, but not least verlangt die D.O. Cava ein Hefelager von mindestens 36 Monaten. Die meisten Cava de Paraje Calificado übertreffen diese Vorgabe um Längen.

Mit Kollegen im Paraje Calificado "La Capella".
Mit Kollegen im Paraje Calificado „La Capella“.

La Capella – die Begehung eines Paraje Calificado

Zehn Jahre Flaschenlager hat der Cava de Paraje Calificado „La Capella“ vom Weingut Juvé & Camps. Ich komme frisch aus dem Penedès-Gebiet zurück, wo ich an einer Ausbildung zum Advanced Cava Educator teilnahm und wir besagte Lage La Capella besuchten. Der Weinberg ist sieben Hektar groß, doch nur 1,5 Hektar davon sind als Paraje Calificado ausgewiesen. Die Reben in dieser spezifischen kleinen Parzelle sind 46 Jahre alt und in Buscherziehung gehalten. Es handelt sich um die Sorte Xarel.lo, die mit ihren Eigenschaften ausgezeichnet in die mediterrane Region passt. Beispielsweise kann die eher spätreifende Xarel.lo auch bei Hitze gut Säure konservieren. Mit ihren dicken Schalen zeigt sie außerdem eine gute Resistenz gegen Pilzkrankheiten, was wiederum den biologischen Anbau begünstigt. Zudem soll der spezielle Klon in der La-Capella-Lage besonders gut mit Trockenheit klarkommen, erklärt uns Pep Jiménez.

Pep ist für die Bestellung der Weinberge bei Juvé & Camps verantwortlich. 75 Löcher haben er und sein Team derzeit in verschiedenen Lagen ausgehoben, um die Zusammensetzung der Böden zu studieren. La Capella sei etwas besonderes, sagt er: So verfüge die Parzelle über eine fruchtbare obere Erdschicht von nur fünfzig Zentimetern. Im heißen Sommer trocknet dieser Boden an der Oberfläche schnell aus, und dies zwingt die Reben in tiefere Schichten vorzudringen. Hierfür müssen die Wurzeln einen harten Lehmboden durchbrechen, in dem sie wertvolle Nährstoffe und Feuchtigkeit finden. Ein weiterer signifikanter Aspekt ist der Standort von La Capella. Zum Beispiel ist die Parzelle im Süden und Westen von Bäumen umgeben, was ein eigenes Mikroklima hervorbringt.

Blick auf Weinberg La Capella von Juve y Camps
Blick auf La Capella. Nur jene mit Buschreben bepflanzte Parzelle, am Ende des Weinbergs, direkt bei den Bäumen, ist als Paraje Calificado klassifiziert.

Im Anschluss an die Begehung trinken wir den Schaumwein auf einem Aussichtsturm auf dem Anwesen von Juvé & Camps. Das Hefel­ager für La Capella Brut Nature 2011 beträgt 120 Monate. Nur Wei­ne aus Trauben von höchs­ter Qua­li­tät kön­nen so lan­ge auf der Hefe lie­gen, ohne über­wäl­tigt zu wer­den. Mundgefühl, Intensität und Länge sind grandios, die Aromatik äußerst komplex, die Balance nahezu perfekt. Die Xarel.lo-Traube, aus der La Capella gekeltert ist, gilt übrigens als die „lokale Chardonnay“. Die autochthone Sorte der Penedès-Region verfügt ebenfalls über prima Säure und ein hervorragendes Reifepotenzial. Auch definiert sich die Xarel.lo weniger durch Primärfrucht. Stattdessen bringt sie die typischen Aromen eines Hefelagers ausgezeichnet zur Geltung. Der Preis für La Capella liegt bei um die 75 Euro. So mancher höherpreisige Champagner darf sich im Vergleich ganz warm anziehen.

Das Klima in Penedès begünstigt Brut Nature und Jahrgangsschäumer

Sowohl Champagner als auch Cava entstehen nach der Méthode Traditionelle. Ein entscheidender Unterschied besteht im Klima der Regionen. Über 90 Prozent aller Cavas stammen aus dem katalanischen Penedès-Gebiet, das sich nah an Barcelona und dem Mittelmeer befindet. Die Durchschnittstemperatur liegt wäh­rend der Vegetationsphase um etwa 5°C höher als in der nordfranzösischen Champagne. Deshalb verfügt Cava in der Regel über weniger Säure als Champagner und eignet sich somit hervorragend für den knochentrockenen Stil Brut Natu­re. Viele Top-Cavas enthalten keinen Restzucker und dennoch fallen sie nicht karg und minimalistisch aus. Bei Champagner empfiehlt sich dagegen häufig der Einsatz einer Dosage, um die hohe Säu­re auszubalancieren. Sie kommen mehrheitlich als Brut daher.

Das warme mediterrane Klima in Penedès trägt außerdem dazu bei, dass die Trauben jedes Jahr problemlos ausreifen. Deshalb sind Jahrgangssekte laut Reglement der D.O. Cava in den Kategorien Reserva, Gran Reserva und natürlich auch Paraje Calificado sogar Pflicht. Laut Gesetz müssen mindestens 85 Prozent der Trauben aus dem auf dem Etikett angegebenen Jahrgang stammen. Eine geringer Blend mit Basisweinen aus anderen Jahren ist also möglich. In der kühlen Champagne ist es dagegen üblich viele Jahrgänge miteinander zu verschneiden, weil die Trauben in besonders kühlen Jahren nicht immer optimal ausreifen.

In der Parzelle La Capella mit Blick aufs Weingut Juvé & Camps. Paraje Calificado.
In der Parzelle La Capella mit Blick aufs Weingut Juvé & Camps.

Paraje Calificado von Vins El Cep und Familia Ferrer

La Capella von Juvé & Camps blieb nicht der einzige Cava de Paraje Calificado, den ich in den letzten Tagen im Glas hatte. Zu zwei weiteren eine kurze Beschreibung.

Familia Ferrer, Can Scala Brut Nature 2008
Die Ferrer-Familie ist Gründer des Cava-Giganten Freixenet. In diesem viel kleineren Projekt geht es allerdings nicht um Menge, sondern um Qualität. Der Schaumwein ist ein Blend aus den weißen Trauben Xarel.lo und Parellada. Die Weinlage Can Scala befindet sich in einem kühleren und höhergelegenen Teil des Penedès. 150 Monate Hefelager bringen eine enorme Dichte und Cremigkeit mit sich. Dazu äußerst subtile und komplexe Aromen und superfrisch. Großes Kino. Um die 80 Euro.

Vins El Cep, Claror Can Prats Brut Nature 2014
Vins El Cep ist ein hochinteressanter Erzeuger, auf den ich in zukünftigen Artikeln sicher zurückkommen werde. Das Weingut ging 1998 aus dem Zusammenschluss von vier befreundeten Winzerfamilien hervor. Seither sind sie die Pioniere im biodynamischen Weinbau im Cava-Gebiet. Ihre Lage Can Prats ist als Paraje Calificado ausgewiesen, und der hieraus gewonnene Schäumer ist eine klassische Cuvée aus Xarel.lo, Macabeo und Parellada. Die Reben sind 53 bis 61 Jahre alt. 90 Monate Hefelager. Im Resultat ein Schaumwein von großer Harmonie, Tiefe und Ausdruckskraft. Um die 45 Euro.

Vins El Cep: Winzerin Maite Estevez und Ehemann mit ihrem fantastischen biodynamischen Cava Claror Can Prats 2014.
Vins El Cep: Winzerin Maite Esteve und Ehemann mit ihrem fantastischen biodynamischen Cava Claror Can Prats 2014.

Weitere Infos:

Neben den genannten Weingütern Juvé & Camps, Vins El Cep und Familia Ferrer verfügen außerdem die Cava-Erzeuger Codorniu, Pere Ventura und Alta Alella über eine oder mehrere Lagen, die als Paraje Calificado klassifiziert sind. Es handelt sich demnach um einen kleinen Kreis. Der D.O. Cava gehören insgesamt 349 Weingüter an.

Alle Beitragsfotos: © Thomas Götz, Spaniens Weinwelten

3 Kommentare

  1. Hallo Herr Götz,

    danke für diesen informativen und dank der Fotos auch sehr anschaulichen Artikel.
    Wo finde ich denn eine Liste der acht Parajes Calificades? Oder sind es inzwischen schon mehr?

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