Zwischen Gebirge und Meer – das Weingut Garcia de Verdevique

Zwischen der Sierra Nevada und der Costa Tropical liegt die Alpujarra-Contraviesa. Trotz der Nähe zur Mittelmeerküste befinden sich die Weinberge der Bodega Garcia de Verdevique bereits auf einer Höhe von 1100 bis 1400 Metern. Es ist eines der faszinierendsten Terroirs Spaniens, geprägt von den Bergen, dem Meer und von Schieferböden. Mit Freunden aus Berlin und Málaga habe ich das Weingut kürzlich nach langer Zeit wieder einmal besucht.

Wir kamen zur Zeit des Rebschnitts und trafen Alberto Garcia, Winzer in vierter Familiengeneration. Zusammen mit seinem Vater Antonio und Bruder Alejandro bewirtschaftet er zehn Hektar Weinberge. Obwohl sie die Rebfläche in den letzten Jahren sukzessive vergrößert und entsprechend neue Weinberge angelegt haben, sind die meisten ihrer Reben zwischen 80 und 130 Jahre alt. Ihre Hauptsorten sind die weißen Jaén Blanco und Vijiriega sowie die Rotweintrauben Jaén Negro und Tinto Varetuo, der lokale Name für Tempranillo in diesem Teil Andalusiens.

In den Weinbergen von Garcia de Verdevique.
In den Weinbergen von Garcia de Verdevique. Sie liegen auf bis zu 1400 Metern Höhe.

Biologischer Anbau und die höchsten Weinlagen Europas

Der Weinbau erfolgt bei den Garcias nach biologischen Prinzipien, also ohne Zusatz von Pflanzenschutzmitteln. Alberto, der in den 2000er Jahren eine Zeit lang bei der Bodega Cesar Principe in der DO Cigales gelernt hat, zeigt uns auch einige Weinberge, die mit Leguminosen begrünt sind. Diese Pflanzen reichern den Boden mit Stickstoff an und sorgen außerdem dafür, dass der Boden die Feuchtigkeit länger speichern kann. Zudem beugen sie der Bodenerosion vor. Gerade in einem heißen und regenarmen Gebiet wie der Alpujarra – einer der südlichsten Zipfel Europas, auf dem Breitengrad von Tunis – bringt dies viele Vorteile mit sich.

Alberto Garcia beim Rebschnitt. Weingut Garcia de Verdevique
Alberto Garcia beim Rebschnitt. Im Hintergrund, leicht schneebedeckt, der 3.480 Meter Hohe Berg Mulhacen in der Sierra Nevada.

Die andalusische Hitze wird durch die bemerkenswerten Höhenlagen abgemildert. Bis auf 1400 Meter Höhe wachsen die Reben bei Garcia de Verdevique. Viel höher geht es in Europa wegen der Frostgefahr und der Kälte nicht. Doch im äüßersten Süden des Kontinents ist diese Höhe Gold wert. Da es nachts stark abkühlt, konservieren die Trauben ihre Säure besser, ihr Reifezyklus verlangsamt sich und sie entwickeln eine gute Balance zwischen Säure und Frucht. Überhaupt erfordert dieses Land, von denen die es bestellen, viel Hingabe und Handarbeit. Zum Beispiel pflügen die Garcias die Steillagen mit Hilfe von Pferden.

Manche Rebstöcke bei Garcia de Verdevique erreichen ein Alter von 130 Jahren.
Manche Rebstöcke bei Garcia de Verdevique erreichen ein Alter von 130 Jahren.

Große Weinvielfalt und ein Costa, ohne Cordales

Aus den handgelesenen Trauben keltert das Weingut eine breite Palette von 21 verschiedenen Weinen, die meisten von ihnen gehen mit der Herkunftsangabe VT Cumbres del Guadalfeo in den Handel. Diese Vielfalt ist erstaunlich, vor allem wenn man bedenkt, dass die Garcias jährlich nur 40.000 Flaschen abfüllen. Zum Portfolio gehören nach traditioneller Methode hergestellte Schaumweine, trockene Rot-, Weiß- und Orangeweine, ein natursüßer PX und ein über 40 Jahre alter, oxidativ ausgebauter Wein, der in Spanien „Rancio“ heißt. Vom Stil her erinnert er an einen Oloroso, ist aber nicht gespritet.

Der traditionelle Wein der Region ist jedoch ein Rosé bzw. Rosado, genannt „Costa“ (dt.: Küste). Klassischerweise werden dafür Rot- und Weißweintrauben in einem Fuder aus Kastanienholz zusammen vergoren. Erst in den 1980er Jahren begannen die Leute in der Alpujarra-Contraviesa damit, Rot- und Weißweine zu keltern. Natürlich hat auch Garcia de Verdevique einen solchen Costa im Sortiment.

Es war ein ziemlich warmer Tag, aber der Wind blies uns heftig um die Ohren. Rechts im Bild, Werner Hofer aus Berlin. Die beiden links sind Clara und Andre vom Weingut Bentomiz in der benachbarten Region Axarquia.

Fünf vielfältige und eigenständige Weine

Nachdem wir die Weinberge ausgiebig besichtigt und uns dem stürmischen Wind widersetzt hatten, gingen wir in die Bodega, um zu verkosten. Im Folgenden stelle ich die Weine vor, die mich dieses Mal am meisten beeindruckten.

Der Schaumwein Esquisto verdankt seinen Namen dem Schieferboden, auf dem seine Reben wachsen. Das Weingut stellt ihn nach traditioneller Methode (Champagner-Verfahren) her und gewinnt ihn reinsortig aus der einheimischen Weißweintraube Vijiriega. Die Zeit zwischen Tirage und Degorgement beträgt 14 Jahre! Nur erstklassige Grundweine überstehen ein so langes Hefelager in der Flasche, ohne davon überwältigt zu werden. Typische Hefearomen wie Brotteig und Gebäck sind zwar vorhanden, drängen sich aber nicht in den Vordergrund. Die Nase bietet auch reifen Apfel und ist insgesamt sehr frisch. Am Gaumen ist er cremig, geht aber nicht in die Breite, sondern ist geradlinig, mit fein eingebundener Perlage und wie schon in der Nase mit lebhafter Säure äußerst frisch. Der Abgang hat etwas von leicht bitterer Mandelschale und ist recht lang. Das hat Charakter und ist fabelhaft!

Garcia de Verdevique, Esquisto 2009
Traditionelle Methode, 14 Jahre Hefelager, aus der Weißweintraube Vijiriega

Nun zu den Stillweinen: Dieser Rotwein aus den Rebsorten Garnacha, Syrah und Petit Verdot wird nur im Stahltank ausgebaut. Wie bei allen Weinen von Garcia de Verdevique erfolgt die Gärung mit Naturhefen (spontan) und ohne Schwefelzugabe. Der Wein hat eine erdig-mineralische Nase von großer Intensität. Auch dunkle Früchte kommen zum Vorschein. Trotz einer Maischegärung von nur drei Tagen hat er viel Farbe und einen vollen Körper. Die Tannine sind feinkörnig und der Abgang ist animierend frisch.

Mil Pieles, 2022

Dieser Orange Wine ist ein Blend aus lokalen Sorten wie Jaén Blanco und Perruño und internationalen Trauben wie Viognier und Chardonnay. Er wird 35 Tage auf den Schalen vergoren und im Stahltank ausgebaut. Im Resultat hat der Mil Pieles 2022 eine überaus sinnliche, parfümierte Nase mit intensivem Blütenduft und einem Tick Karamell. Am Gaumen hat er eine seidige Textur, feine Tannine und einen würzigen Abgang. Dies ist ein sehr eigenständiger und anregender Wein mit viel Persönlichkeit.

Garcia de Verdevique, Mil Pieles 2022
Großartiger Orangewein aus einem Potpurri an Rebsorten.

Tinto 12 Meses en Barrica, 2018

2018 war für andalusische Verhältnisse ein kühles und regnerisches Jahr. Die frische Säure dieser Cuvée aus 60% Tempranillo und 40% Cabernet Sauvignon bringt dies gut zum Ausdruck. Trotz der 15% Alkoholgehalt wirkt der Rotwein am Gaumen keineswegs schwer und üppig, sondern harmonisch und elegant. „Der Alkoholgehalt ist nur eine Zahl, die wenig aussagt“, sagt Alberto Garcia. „Mir geht es nur um die richtige Balance eines Weins.“ Tatsächlich sind der Alkohol und auch das Holz vom 12-monatigen Barrique-Ausbau hervorragend eingebunden. Dieses Gewächs hat Reifepotenzial, es ist jetzt schon klasse, kann aber sicher auch noch in 15 oder 20 Jahren genossen werden.

Jaén Blanco, Botrytis, 2018 (Fassprobe)

Ebenfalls aus dem kühlen Jahrgang 2018 stammt dieser natürliche Süßwein. Er ist einer Laune der Natur zu verdanken. Die Trauben reiften in diesem Jahr langsam, und die Lese zog sich bis in den November. Dann fiel während der Lese der erste Schnee, und einige Trauben des Jaén Blanco entwickelten Edelfäule (Botrytis). Dies ist völlig ungewöhnlich für die Region. Kurzerhand beschlossen die Garcias, aus den edelfaulen Trauben einen Süßwein zu keltern. Noch befindet er sich im Stahltank, es sind nur wenige hundert Liter, bald soll er abgefüllt werden. Er hat eine äußerst anregende Nase nach frischen Apfelschalen und einem Hauch von Rosinen. Am Gaumen ist er sehr frisch, mit polierter Textur und einer tiptop Balance. Die Süße ist vorhanden, aber nicht dominant. Diesen fesselnden Wein wird es in dieser Form wohl nie wieder geben.

Mandelblüte in der Sierra de la Contraviesa.
Auf dem Weg zum Weingut. Mandelblüte in der Sierra de la Contraviesa.

So unterschiedlich die vorgestellten Weine im Stil auch sind, eines haben sie doch gemeinsam: Sie sind allesamt eigenständig und haben Persönlichkeit. Ein einzigartiges Terroir und eine handwerkliche Herangehensweise ergeben freilich auch einzigartige Weine, die nicht kopierbar sind. Dies ist der Markenkern von Garcia de Verdevique.


Weitere Infos:

Alle Fotos: © Thomas Götz, Spaniens Weinwelten

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