Im Osten manch Neues: Die Entdeckung der Rioja Oriental

In altem Weinberg in Rioja Oriental

Manchmal sage ich, dass mich die Rioja an New York erinnert: Egal wie oft man hinfährt, es wird nie langweilig und man entdeckt stets etwas Neues. Das liegt zum einen an der Größe des Weinbaugebiets, zum anderen an der Vielfalt seiner Terroirs. Zuletzt war ich in der Rioja Oriental unterwegs, der unbekanntesten Zone der Appellation, und auch hier gab es Überraschungen.

Die Rioja erstreckt sich 120 Kilometer entlang des Flusses Ebro und wird im Norden und Süden von Gebirgszügen eingerahmt. Atlantisches, kontinentales und mediterranes Klima treffen hier aufeinander. Die sieben Zuflüsse des Ebro bilden wiederum eigene Täler und Mikroklimas. Hinzu kommen unterschiedliche Böden und Höhenlagen der Weinberge von 300 bis 900 Meter.

Das 67.000 Hektar große Weinbaugebiet bietet somit eine beeindruckende Vielfalt an Landschaften und Terroirs und gliedert sich in drei Haupt-Produktionszonen: Da ist die Rioja Alta im Westen, auf Deutsch die Obere Rioja, in der sich viele berühmte Weingüter befinden, etwa im Eisenbahnviertel der Kleinstadt Haro. Außerdem der baskische Teil, die Rioja Alavesa, die nördlich des Ebro liegt und sich zwischen dem Fluss und dem Bergzug Sierra Cantabria erstreckt. Auch hier gibt es viele namhafte Erzeuger in Orten wie Elciego und Laguardia.

Die dritte Zone ist die Rioja Oriental, die Östliche Rioja. Obwohl sie mit über 25.000 Hektar Rebfläche fast 40 Prozent der gesamten Rioja ausmacht, ist sie die bei weitem unbekannteste der drei Zonen. Der Weintourismus ist zum Beispiel in Alta und Alavesa viel stärker ausgeprägt. Auch dürfte es für Rioja-Kenner ein Leichtes sein, aus dem Stegreif jeweils fünf bekannte Weingüter in Alta und Alavesa aufzuzählen. Aber fünf bekannte Weingüter in der Rioja Oriental? Das ist wirklich eine knifflige Aufgabe. 

Im Februar besuchte ich eben diese Rioja Oriental, unter anderem zur Vorbereitung einer Masterclass, die ich auf der ProWein über die Zone hielt. Ein kleiner Ausschnitt davon ist im unten stehenden YouTube-Video zu sehen. Für die Session hatte ich insgesamt vier Weine ausgewählt, davon drei Rotweine aus der Rebsorte Garnacha, der Königin der Rioja Oriental. Und um diese drei Weine, die jeweils auch ganz unterschiedliche Terroirs der Rioja Oriental repräsentieren, geht es in diesem Beitrag. Zuerst das Video.  

Decoding Rioja Oriental auf der ProWein 2024 (ab Minute 1:56).

Von Rioja Baja zu Rioja Oriental

Rioja Oriental ist historisch gesehen ein Gebiet der Weinbauern und nicht der Abfüller. Traditionell kauften viele große Erzeuger in der Rioja Alta Trauben von Weinbauern in Rioja Oriental sowie Fassweine von den dortigen Genossenschaften. Das ist auch heute noch so. Was wir aber seit zwei, drei Jahrzehnten außerdem sehen, ist, dass manche Weinbauern zu Weinmachern werden, also ihre Trauben selbst verarbeiten und den Wein selbst abfüllen. Und die Genossenschaften verkaufen zwar immer noch lose Weine nach Rioja Alta, aber gleichzeitig haben sie auch begonnen, eigene Weinlinien aufzulegen und zu vermarkten.

Bis 2018 hieß die Zone Rioja Baja, also die Untere Rioja. Dies ist insofern zutreffend, als dass der Ebro das Gebiet von West nach Ost durchfließt und die östliche Rioja daher flussabwärts und somit niedriger liegt als die beiden anderen Zonen: Haro in der Rioja Alta liegt am Ebro auf 480 Metern Höhe, während Alfaro, der östlichste Ort der Rioja Oriental, auf 310 Metern Höhe liegt. Der Höhenunterschied zwischen diesen beiden rund 100 Kilometer voneinander entfernten Orten beträgt also 170 Meter.

Trotzdem wurde die Zone umbenannt, und ich finde, dass der neue Name auch zutreffender ist. Denn es stimmt zwar, dass sich im Ebro-Tal in der Rioja Oriental die niedrigsten Weinberge der Rioja befinden. Aber zugleich gibt es in der Zone die höchsten Weinberge der gesamten Rioja, die bis zu 900 Meter hoch liegen, zum Beispiel in der Sierra de Yerga, der Sierra de la Hez oder im Iregua-Tal. Insofern würde ich sagen, dass es nicht die eine Rioja Oriental gibt, sondern viele „Riojas Orientales“.

1914 gepflanzter Weinberg im Ocón-Tal, Rioja Oriental.
1914 gepflanzter Weinberg im Ocón-Tal, Rioja Oriental.

Mediterranes Klima und Cierzo-Wind

Die Landschaft unterscheidet sich von der in Rioja Alta und Alavesa. Das Ebrotal ist in der Oriental-Zone weiter. Obwohl wir fast 400 Kilometer vom Mittelmeer entfernt sind, bildet der Ebro einen breiten Korridor, durch den warme Mittelmeerluft ins Landesinnere bis in die Rioja Oriental strömen kann. Dieser Korridor des Ebrotals verengt sich, je weiter man flussaufwärts in Richtung Alta und Alavesa geht, wodurch der mediterrane Einfluss in diesen Gebieten abnimmt. Das Klima in Rioja Oriental ist somit mediterran geprägt. Es ist wärmer und trockener als in den beiden anderen Zonen, mitunter liegt das Niederschlagsaufkommen bei weniger als 400 mm im Jahr.

Ein wichtiges Merkmal ist auch der Cierzo-Wind, der von Norden aus den Pyrenäen über das Ebrotal weht. Der Vorteil dieses Windes ist, dass er die Weinberge kühlt und durchlüftet. „Er hält die Weinberge frisch und gesund“, sagen viele Winzer in der Rioja Oriental. Im Sommer kann es tagsüber bis zu 40 Grad heiß werden, und der Cierzo-Wind ist gut, um die Hitze zumindest etwas zu mildern. Wer also nach Rioja Oriental fährt, wird dort nicht nur viele Weinberge, Mandel-, Oliven- und Obstbäume sehen, sondern auch viele Windräder – eben weil es so windig ist.

Finca La Montesa, ein Anwesen mit 100 ha Rebfläche, Bodegas Palacios Remondo. Rioja Oriental
Finca La Montesa, ein Anwesen mit 100 ha Rebfläche. Bodegas Palacios Remondo. Im Februar war auch die Zeit der Mandelblüte.

Garnacha: Die Königin von Rioja Oriental

In den 1980er Jahren war Garnacha die mit Abstand meist angebaute Rebsorte in Rioja Oriental und bedeckte über 80 Prozent der Rebfläche. Seither hat der Tempranillo stark zugelegt, er kommt heute auf einen Rebflächen-Anteil von 69 Prozent in Rioja Oriental, während jener der Garnacha auf 12 Prozent zurückgegangen ist. 

Dennoch ist Rioja Oriental nach wie vor Garnacha-Land: Rund 70 Prozent aller in der DOCa Rioja gepflanzten Garnacha-Reben stehen in der Rioja Oriental. In der gesamten Rioja-Appellation liegt der Garnacha-Anteil bei 6,6 Prozent, in der Rioja Alta bei rund 4 Prozent und in der Rioja Alavesa sogar unter einem Prozent. 

Viele Winzer in der Rioja Oriental bedauern heute die Umstellung auf Tempranillo. Ab den 1980er Jahren ersetzten sie Garnacha vor allem deshalb, weil Tempranillo ertragreicher ist und dunklere Weine ergibt. Das war damals angesagt. 

Doch mit dem Klimawandel verändern sich die Parameter: In den letzten 60 Jahren ist die Durchschnittstemperatur in der Rioja um ein Grad Celsius gestiegen. Auch die Zahl der Tage mit Temperaturen über 35 Grad hat zugenommen. Das macht vor allem dem Tempranillo zu schaffen, der Hitze und Trockenheit weniger gut verträgt als Garnacha. 

„Tempranillo hat zu wenig Säure und einen zu hohen pH-Wert“, sagten mir mehrere Winzer in der Rioja Oriental. Sie erzählten mir, dass sie in heißen Jahren die Garnacha mit einem pH-Wert von etwa 3,45 ernten, während Tempranillo einen pH-Wert von 3,9 bis 4 erreicht – dies ist ein gewaltiger Unterschied zugunsten der Garnacha. Außerdem bilden die Buschreben der Garnacha ein größeres Blätterdach als jene des Tempranillo, was sie besser vor Sonneneinstrahlung schützt. 

Obwohl Garnacha also nicht mehr die Hauptrebsorte im Anbau ist, bleibt sie für mich die Königin der Rioja Oriental. Denn sie passt hervorragend ins dortige mediterrane Klima und bringt meiner Meinung nach die außergewöhnlichsten Weine der Region hervor. Drei hochspannende Garnachas und Weingüter, die ich für die Masterclass auf der ProWein ausgewählt habe, stelle ich nun vor.

Traditionell dient Garnacha in der Rioja als Verschnittsorte in Rotwein-Cuvées sowie zur Herstellung von Roséweinen. Es gibt darüber hinaus immer mehr spannende sortenreine Rotweine aus Garnacha, etwa die des Winzers Carlos Mazo. Er gründete 2012 sein Weingut Vinos En Voz Baja und ist ein Beispiel für jemanden, der den Sprung vom Weinbauern zum Weinerzeuger geschafft hat. 

Carlos Mazo in einem der zwei Weinberge für den Barrio Pastores. Nahe Aldeanueva.
Carlos Mazo in einem der zwei Weinberge für den Barrio Pastores. Nahe Aldeanueva.

Sein Vater arbeitete von seinem 16. Lebensjahr bis zu seiner Pensionierung in den Weinbergen der berühmten Bodega Campo Viejo. An den Wochenenden arbeitete der Vater in seinen eigenen Weinbergen in der Ortschaft Aldeanueva. Und Carlos half ihm dabei. Allerdings stellte sein Vater keinen Wein her, sondern verkaufte die Trauben an die örtliche Genossenschaft.

Im Jahr 2012 begann Carlos, eigene Weine aus den Weinbergen der Familie zu keltern. Zuerst in einer Garage und seit zwei Jahren in einer kleinen, aber feinen Kellerei mitten im Dorf Aldeanueva. Er arbeitet sehr handwerklich. So hat er zum Beispiel eine alte Handpresse im Keller stehen und benutzt nur diese. Derzeit bewirtschaftet er sechs Hektar Weinberge, aufgeteilt in 10 Parzellen und füllt rund 25.000 Flaschen pro Jahr ab. Auch seine Frau Isabel hilft im Weingut mit.

Weine Vinos en Voz Baja
Klassifikation nach burgundischer Art! V.l.n.r.: der Zonenwein Costumbres, der Ortswein Barrio Pastores und der Lagenwein Nace La Sierra

Ortswein aus Aldeanueva

Carlos Mazo hat hauptsächlich die Garnacha im Anbau, er keltert aber auch einen großartigen Einzellagenwein namens „Nace La Sierra“ mit Tinto Velasco als Hauptsorte. Der Wein, den ich auf der ProWein vorstellte, ist Barrio Pastores 2022. Dies ist sein Ortswein, ein reinsortiger Garnacha, den er aus zwei kleinen Parzellen in der Gemeinde Aldeanueva gewinnt. Beide Plots sind weniger als einen Hektar groß. Der Großvater seiner Frau pflanzte die Reben im Jahr 1989 in der traditionellen Buscherziehung. 

Die beiden Weinberge liegen in der Nähe des Dorfes, der eine auf einer Höhe von 380 Metern, der andere auf 420 Metern. Auf dieser Höhe befinden sich die meisten Weinberge in Aldeanueva, und Weine aus diesen tieferen Lagen tendieren dazu, mehr Körper zu haben und sich im Mund etwas breiter anzufühlen. Da auch die Böden typisch für Aldeanueva sind – ein Weinberg ist eher lehmig und reich an organischer Materie, der andere eher kalkhaltig und nährstoffarm – repräsentiert der Wein sehr gut den Charakter und das Terroir der Ortschaft.

420 Meter Höhe, kalkgeprägte Böden, 35 Jahre alte Garnacha-Reben.
Barrio Pastores, Weinberg 1/2: ca. 420 Meter Höhe, arme kalkgeprägte Böden, 35 Jahre alte Garnacha-Reben.
Carlos Mazo im Weinberg in Aldeanueva, Rioja Oriental
Barrio Pastores, Weinberg 2/2: ca. 380 Meter Höhe, fruchtbare lehmige Böden, 35 Jahre alte Garnacha-Reben.

Für den Barrio Pastores stampft Carlos Mazo die Trauben mit den Füßen, und der Wein vergärt mit den Stielen spontan. Danach reift das Gewächs für 12 Monate in einem 3.000-Liter-Fass. Insbesondere die Verwendung der Traubenstiele verleiht dem Wein eine anregende Kräuterherbe und einen prima Gripp am Gaumen. 

2022 war ein trockenes und heißes Jahr, das Trauben mit eher kleinen Beeren und mehr Konzentration hervorbrachte. Es ist dem Winzer unglaublich gut gelungen, aus einem so schwierigen Jahrgang einen so balancierten, saftigen und trinkigen Wein zu erzeugen, unter anderem weil er während der Maischestandzeit wenig extrahiert. 

Die Nase ist rein und sauber, mit frischer Frucht und insgesamt sehr ausdrucksstark. Der Wein hat eine seidige Textur, feine Tannine, ist knackig und gleichzeitig rund am Gaumen, mit roten Früchten und floralen Aromen, die so typisch für Garnacha sind, wenn man die Trauben nicht zu spät erntet. Wartet man zu lange mit der Lese, können die Aromen der Garnacha sehr dunkelfruchtig, fast schokoladig ausfallen, und man verliert an Präzision. Nicht so bei diesem Wein. Er ist präzise und elegant. Insofern ist Barrios Pastores 2022 auch ein wunderbares Beispiel für einen mediterranen Garnacha, bei dem Frische und Trinkbarkeit im Vordergrund stehen.

Zum Mittagessen servierte der Winzer köstliche „Migas“.

Übrigens: Der Name des Weinguts Vinos en Voz Baja bedeutet übersetzt „Weine mit leiser Stimme“. Sie mögen leise sein, aber im Deutschen gibt es das Sprichwort „Stille Wasser sind tief“. Und die Weine von Carlos Mazo sind definitiv tief und vielschichtig. Zweifellos ist er einer der derzeit interessantesten Erzeuger der Rioja.

Von Aldeanueva nach Alfaro sind es nur zehn Autominuten. Alfaro ist die östlichste Gemeinde der DOCa Rioja, die Moncayo-Berge in Aragón sind bereits in Sichtweite. Außerdem ist Alfaro flächenmäßig eine der größten Gemeinden Spaniens. Und mit 4.300 Hektar Rebfläche ist sie auch die Gemeinde mit den meisten Weinbergen in der gesamten DOCa Rioja, von allen 144 Gemeinden, die zur Appellation gehören. 4.300 Hektar sind zum Beispiel doppelt so viel wie die Rebfläche der DOQ Priorat.

Apropos Priorat: Eingangs schrieb ich, dass es schwierig ist fünf bekannte Weingüter in der Rioja Oriental aufzuzählen. Aber Bodegas Palacios Remondo ist sicherlich sehr bekannt. Denn es ist das Familienweingut von Starwinzer Alvaro Palacios, der es im Jahr 2000 übernommen hat. 

Alvaro Palacios ist bereits die fünfte Winzergeneration der Familie Palacios. Sein Vater, José Palacios, gründete 1947 das Weingut in Alfaro. Für die Verhältnisse in der Rioja Oriental, traditionell ein Land der Weinbauern und nicht der Abfüller, war das sehr früh.

Ein Bild aus den Anfangstagen. Bodegas Palacios Remondo
Ein Bild aus den Anfangstagen. Es hängt in den Büroräumen des Weinguts.

José Palacios baute also die Kellerei in Alfaro. Er kaufte Trauben von Winzern in der Umgebung und erzeugte daraus seine Weine. Aber er kaufte auch eine Halle in Logroño und brachte die Weine zum Abfüllen dorthin. Warum? Auf diese Weise konnte er nämlich „Rioja Alta“ auf das Etikett schreiben. Denn die Rioja Baja galt damals als rückständiger und minderwertiger als die Rioja Alta.

In den 1980er Jahren begann José Palacios eigene Weinberge in einem Anwesen namens Finca La Montesa anzulegen. Heute umfasst die Finca am Fuße der Sierra de Yerga rund 100 Hektar Rebfläche. Unter anderem kommt von hier der Rotwein „La Montesa“, eine Garnacha mit großartigem Trinkfluss und Preis-Genuss-Verhältnis.

Damals folgte José Palacios den Regeln der Zeit und pflanzte mehrheitlich Tempranillo im Spalier an. Als sein Sohn Alvaro Palacios das Weingut übernahm, beschloss er, zu den Wurzeln der Rioja Oriental zurückzukehren. Das heißt: Zurück zur Rebsorte Garnacha und zurück zur traditionellen Buscherziehung. 

Seither wandelt das Weingut schrittweise die Tempranillo-Parzellen in Spaliererziehung um in Weinberge mit Garnacha-Buschreben. Diese Rückkehr zur Garnacha und zur traditionellen Buschrebe ist auch im Hinblick auf den Klimawandel wichtig, wie ich schon zuvor erklärte. Und da Alvaro Palacios der „Quality Leader“ der Region ist, an dem sich viele Winzer orientieren, kann man davon ausgehen, dass andere in der Rioja Oriental seinem Beispiel folgen werden.

Aus dem 3 Hektar großen Weinberg Quiñon de Valmira kommt der gleichnamige Einzellagenwein, Rioja Oriental
Aus dem 3 Hektar großen Weinberg Quiñon de Valmira kommt der gleichnamige Einzellagenwein, einer der großen Garnacha-Weine Spaniens.

Drei höher gelegene Weinberge in der Sierra de Yerga

Der Wein, den ich auf der ProWein präsentierte, ist Propiedad 2021. Er stammt aus drei Weinbergen, die zwischen 70 und 90 Jahre alt sind und alle mit Buschreben bepflanzt sind. Die drei Parzellen befinden sich an unterschiedlichen Standorten in der Sierra de Yerga auf einer Höhe von bis zu 640 Metern. Die Sierra de Yerga ist ein Gebirgszug, der hauptsächlich zum Gemeindegebiet von Alfaro gehört. Es gibt dort einen Berg namens Monte Yerga, der 1100 Meter hoch ist. Die Landschaft ist eher sanft hügelig, nicht schroff, aber wir haben eine gute Höhenlage.

Diese größere Höhe bedeutet kühlere Temperaturen, vor allem nachts. Dies hat den Vorteil, dass die Trauben langsamer reifen und die Säure besser konservieren. Die drei Parzellen für Propiedad 2021 wurden Ende September und Anfang Oktober geerntet. 

Die Weinlage Las Mulgas, ziemlich weitab vom Schuss in der Sierra de Yerga.
Die Weinlage Las Mulgas, ziemlich weitab vom Schuss in der Sierra de Yerga. Die Trauben sind Teil des Propiedad 2021.

Je höher man in der Sierra de Yerga kommt, desto mehr sind die Weinberge auch dem Cierzo-Wind ausgesetzt. Eine weitere Besonderheit ist der Boden in den Yerga-Bergen: Der Oberboden in einer Tiefe von 0,5 bis 2 Metern besteht hauptsächlich aus Lehm und Kalk. Je höher man in die Berge kommt, desto mehr Kalkstein findet man in diesem Oberboden. Besonders wichtig ist der Unterboden: Er besteht aus weißem Kalkstein mit einem hohen Anteil an Kalziumkarbonat. Die Wurzeln der Reben können diesen Stein durchdringen, und im Weingut sagen sie, dass dieser spezielle Unterboden Weine mit einer helleren Farbe, sehr guter Säure und Finesse hervorbringt.

Tatsächlich ist der Propiedad 2021 ein beeindruckend subtiler und eleganter Wein – mineralisch, geradlinig, superfrisch und mit einer feinen, komplexen Aromatik. Es ist ein Paradebeispiel für einen Garnacha aus einer höheren Lage. Die Spontanvergärung findet mit 40 Prozent der Traubenstiele statt, gefolgt von einer 10-monatigen Reifung in 600-Liter-Eichenfässern und in Fudern. Laut Alvaro Palacios bewahren die großen Fässer die Frische des Weins besser als die kleinen Barriques, vor allem in den heißeren Jahren, die wir aufgrund des Klimawandels immer häufiger erleben.

Weinberg Las Mulgas. Blick nach Norden über das Ebrotal. Rioja Oriental
Im Weinberg Las Mulgas: 85 Jahre alte Reben. 640 Meter hoch gelegen. Mischsatz mit Garnacha und weiteren lokalen Sorten. Blick nach Norden über das Ebrotal.
Drei außergewöhnliche Garnacha aus Alfaro.
Drei außergewöhnliche Garnachas aus Alfaro.

2021 war ein trockenes Jahr, aber nicht zu heiß im Sommer und mit kühlen Nächten, so dass die Weine insgesamt sehr frisch ausfallen. Bei Palacios Remondo ist man mit dem Jahrgang hochzufrieden, erzählen mir Isabel Palacios und der technische Leiter des Weinguts, Eduardo Vela. Alvaro Palacios war an diesem Tag in Asien unterwegs.

Übrigens: Die früheren Jahrgänge von Propiedad waren anders zusammengesetzt als die heutigen. Im Jahr 2001 bestand der Wein aus 40 Prozent Garnacha, 45 Prozent Tempranillo sowie aus Graciano und Mazuelo. 2005 waren es 60 Prozent Garnacha und 40 Prozent Tempranillo, und 2010 waren es bereits 100 Prozent Garnacha. Heute sind es 90 Prozent Garnacha und 10 Prozent andere einheimische Sorten, die wir in diesen alten Weinbergen bzw. Mischsätzen finden, wie zum Beispiel Tinto Velasco.

Einen dritten Besuch stattete ich Bodegas Aradón im Dorf Alcanadre im Ocón-Tal ab. Die Ortschaft befindet sich ganz abseits der ausgetretenen Pfade, direkt an der Grenze zwischen den autonomen Gemeinschaften La Rioja und Navarra. Zur DOCa Rioja gehören auch ein paar Gemeinden in Navarra, die Einheimischen sprechen in Bezug auf diese Gemeinden von „Rioja-Navarra“. Bodegas Aradón hat auch einige Weinberge in Rioja-Navarra, aber die meisten liegen in den Dörfern Alcanadre und Ausejo in La Rioja. 

Weinberg von Bodegas Aradón. Im Hintergrund das Dorf Alcanadre.
Weinberg von Bodegas Aradón. Im Hintergrund das Dorf Alcanadre.

Bodegas Aradón ist eine 1957 gegründete Genossenschaft. Zunächst stellten sie Fasswein für die großen Weinhäuser der Rioja Alta her. Das tun sie auch heute noch, und sie beliefern einige der besten und bekanntesten Weingüter in Rioja Alta. Aber in den 1990er Jahren begannen sie auch, ihren eigenen Wein abzufüllen und zu verkaufen. Sie sind sicherlich eine der besten Genossenschaften der Rioja, mit sehr guten Einstiegsweinen, die im Laden zwischen 6 und 10 Euro kosten.

Großes Erbe an alten Weinbergen

Die Mitglieder der Genossenschaft bewirtschaften 530 Hektar Rebfläche, die sich auf rund 1.500 Parzellen verteilen. Im Schnitt ist eine Parzelle also nur 0,35 Hektar groß! 

Und der Bestand an alten Weinbergen, die zur Kooperative gehören, ist erstaunlich. Mit dem Jeep fuhren wir drei Stunden über holprige Wege, überall sah ich alte Buschreben. Wir befanden uns in einem Seitental, auf einer Art „Zwischenplateau“ auf 450 bis 550 Metern Höhe. Das ist höher als im Ebrotal, aber niedriger als in der Sierra de Yerga. Die menschenleere Landschaft und diese alten Weinparzellen sind schlichtweg faszinierend und haben mir wieder einmal eine überraschende, bisher unbekannte Seite der Rioja gezeigt. Das typische Image der Rioja Oriental, sofern die Leute überhaupt ein Bild von der Region haben, sind große Weinfelder im weiten Ebrotal. Aber in Wirklichkeit ist die Zone viel facettenreicher als die meisten Leute denken.

110 Jahre alte Reben nahe Alcanadre. Rioja Oriental
110 Jahre alte Reben nahe Alcanadre.

La Garnacha Prometida 2018, den ich als dritten Rotwein auf der ProWein vorstellte, gehört zu einer höherpreisigen Weinlinie, in der Bodegas Aradón Rotweine aus sehr alten Garnacha-, Graciano- und Tempranillo-Reben keltert. Die Trauben stammen aus vier Mikroplots mit 70 bis 100 Jahre alten Buschreben. Es handelt sich um eine kleine Produktion von 2.100 Flaschen. Der Wein reifte 14 Monate in 500-Liter-Eichenfässern sowie zu einem Drittel in Betoneiern. Der Weinname bedeutet übersetzt „Gelöbnis an die Garnacha“. Für das Weingut ist es ein Versprechen: „Wir wollen zurück zum Ursprung“, sagen sie, also zurück zur Garnacha, der traditionellen Sorte dieser Region. 

In der Nase ist das Gewächs floral und duftig, am Gaumen samtig. Die reife Frucht ist frisch und saftig. Wieder so ein typischer Garnacha-Ausdruck: Die Sorte hat zwar eher dünne Schalen und nicht so viele Tannine wie Graciano, Mazuelo oder auch Tempranillo. Aber die Garnacha ist ausdrucksstark und delikat in ihren Aromen, und dank ihrer recht guten Säure hat sie auch ein Rückgrat, das dem Wein Spannung verleiht.

Einer der Garnacha-Weinberge, dessen Trauben in den La Garnacha Prometida 2018 gehen.
Eine der Weinlagen für den La Garnacha Prometida 2018.
Gekeltert aus 70 bis 100 Jahre alten Reben.

Traubenpreise orientieren sich an Fläche und nicht an Kilogramm

Ein Punkt ist mir ganz wichtig: Für die Winzer ist es schwierig, diese alten Weinberge zu erhalten. Denn die Erträge alter Weinberge sind bekanntlich viel geringer als die von jungen Weinbergen. Der erlaubte Ertrag in der DOCa Rioja für Rotweintrauben liegt bei 6.500 Kilogramm pro Hektar. Und die durchschnittlichen Traubenpreise sind heutzutage sehr niedrig, etwa 60 bis 75 Cent pro Kilo. Wenn man also einen alten Weinberg hat, der weniger als 2.000 Kilogramm pro Hektar produziert, wie es bei diesen alten Parzellen der Fall ist, kann man bei so niedrigen Traubenpreisen kaum Geld verdienen. Weinberge mit jungen, ertragreicheren Reben sind wirtschaftlich viel attraktiver.

Doch Bodegas Aradón will diese alten Weinberge erhalten und hat deshalb ein interessantes Vergütungssystem entwickelt, das es den Winzern ermöglichen soll, diese alten Schätze zu bewahren. Für Trauben, die sie für ihre Top-Weinlinie beziehen, zahlen sie nicht pro Kilo, sondern pro Hektar. So erhalten die Besitzer dieser alten Weinberge für einen Hektar das gleiche Geld wie für einen jungen Weinberg mit einem Ertrag von 6.500 kg pro Hektar. Das ist eine prima Sache, denn so wird ein alter Weinberg wirtschaftlich genauso attraktiv wie ein junger, und es gibt keinen Grund mehr, die alten Reben auszureißen und durch junge zu ersetzen. 

Bodegas Aradón zeigt, wie alte Weinberge durch kreative Vergütungssysteme auch in Zukunft erhalten werden können. Im Vordergrund steht die Qualität der Trauben und nicht die Quantität. Dieser Fokus auf mehr Wert und weniger Menge könnte beispielhaft für Winzergenossenschaften in ganz Spanien und für einen nachhaltigeren Weinbau sein. Man kann nur hoffen, dass dieser Ansatz Schule macht.

Weinlage auf 550 Metern Höhe. Nahe Alcanadre. Bodegas Aradón. Rioja Oriental
Weinlage auf 550 Metern Höhe. Auf einem Plateau nahe Alcanadre. Bodegas Aradón.

Alle Beitragsfotos: © Thomas Götz, Spaniens Weinwelten

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