Die Romé und das Weinprojekt Viñedos Verticales

Vicente Inat im Romé-Weinberg

Von der Rebsorte Romé habe ich erstmals 2017 im andalusischen Ronda gehört. Das war beim Besuch des Winzers Friedrich Schatz. Auf seiner Finca Sanguijela hatte „Federico“ Schatz einen kleinen Testweinberg angelegt. In diesem experimentierte er mit verschiedenen lokalen Sorten, darunter auch die Romé. 

Ein gutes Jahr später konnte ich dann zum ersten Mal einen Wein aus dieser so selten angebauten Rebsorte trinken. Das war bei der Winzerin Clara Verheij in der Axarquia, einer Subzone der D.O. Sierras de Málaga. In ihrem Weingut Bentomiz erzeugt Clara einen Roséwein, wie ich sie mag: Der „Ariyanas Romé Rosado“ kommt sehr trocken, betont mineralisch, frisch und mit animierenden Zitrusnoten daher. Die Jahrgänge unterscheiden sich freilich, aber die Stilistik geht stets in diese Richtung. 

Clara Verheij, Bodegas Bentomiz
Clara Verheij, Bodegas Bentomiz, erzeugt aus der roten Romé einen Roséwein.

So großartig der Romé Rosado von Clara Verheij ist: Die Typizität einer roten Traube drückt sich in einem Rotwein stärker aus. Also schaute ich mich um, ob es hierzu etwas auf dem Markt gibt und wurde mit dem Weingut Sedella fündig. Es befindet sich im Hochland der Axarquia, nur wenige Kilometer vom Mittelmeer entfernt. Weinmacher Lauren Rosillo ist außerdem als Önologe für Weingüter der Familie Martinez-Bujanda in Rueda und La Mancha tätig. Ich habe ihn mehrfach kontaktiert, weil er jedoch immer beruflich unterwegs war, klappte ein Ortsbesuch bisher nicht. 

Die zwei Sedella-Rotweine aus der Hauptsorte Romé und Garnacha Tinta kenne ich aber. Den einen baut Lauren Rosillo in Tonamphoren (und einen kleinen Teil in Zement) aus. Den anderen vinifiziert er in gebrauchten französischen Barriques und Betoneiern. Es sind frische, saftige und elegante Rotweine, die erstaunlich „unmediterran“ wirken, weil sie weniger alkoholisch und weniger schwer sind. 

Axarquia, Subzone der D.O. Málaga
Mediterrane Bergweine kommen aus der Axarquia. Vor allem wird in dieser Region die weiße Sorte Moscatel de Alejandría angebaut. Die Romé gibt es auf wenigen Hektar.

El Camaleón – ein sortenreiner Romé von Viñedos Verticales

Im Jahr 2019 lernte ich schließlich die Weinmacher Vicente Inat und Juan Muñoz kennen. Vicente Inat ist der Önologe von zwei Weingütern in der Serrania de Ronda. Juan Muñoz gehört wiederum das in der Axarquia ansässige Weingut Dimobe. Darüber hinaus erzeugen die beiden in ihrem gemeinsamen Projekt Viñedos Verticales ein paar der interessantesten Weine der D.O. Sierras de Málaga. Ich bin beispielsweise ein Fan ihres Weißweins „Filitas y Lutitas“, den sie in 100 Jahre alten Brandy-Fudern ausbauen. 

Außerdem keltern Vicente Inat und Juan Muñoz einen sortenreinen Rotwein aus Romé. Den „El Camaleón“ vergären sie spontan im 2000-Liter-Eichenfuder. Der Ausbau findet ebenfalls in diesem Holzgebinde statt. Der Jahrgang 2017 kommt saftig-frisch, mit feiner roter Frucht und elegantem Tannin daher. Der 2018er wirkt im Vergleich sogar nochmals frischer, tiefer und balancierter, was auf eine (teilweise) frühere Lese und längere Maischestandzeit zurückzuführen ist. Der Wein ist wirklich brillant.

Vicente Inat im Romé-Weinberg
Vicente Inat von Viñedos Verticales in einem Romé-Weinberg.

Das Lesegut für den El Camaleón stammt aus fünf Parzellen, die sich in der Axarquia verteilen und zwischen 700 und 1000 m.ü.NN liegen. Eine dieser Parzellen besuchte ich mit Vicente Inat im September 2019, ein paar Tage vor der Weinlese. In einem Jeep fuhren wir auf Schotterpisten über Bergkämme zu dem abgelegenen Weinberg. Neben der traumhaften Landschaft faszinieren mich dabei stets aufs Neue die steinigen Böden in diesem Teil Andalusiens. Sie bestehen hauptsächlich aus Schiefer (pizarra) und Phyllit (filitas). In der Axarquia (auch in den benachbarten Montes de Málaga) wachsen die Reben quasi auf Stein.

Romé-Reben auf Schieferböden
Schieferböden im Romé-Weinberg

Wie ich schon sagte, sind die Rotweine aus Romé nicht typisch mediterran. Der „El Camaleón“ (Jg. 2017 und 2018) hat zum Beispiel moderate 13 Prozent Alkoholgehalt und verfügt über eine lebhafte Säure. Somit passt die Romé-Sorte sehr gut zum gegenwärtigen Trinktrend, der auf frische und insgesamt schlankere Weine setzt.

Der Weinname El Camaleón hat übrigens sowohl mit den Eigenschaften der Romé-Traube, als auch mit der Axarquia selbst zu tun: Bei der Weinbergsbegehung zeigt uns Vicente Inat Trauben, deren Beeren ganz unterschiedliche Reifegrade und Farben besitzen. An ein und derselben Traube sind sie mal gelbgrün, mal pink, mal dunkelrot. Eben wie ein Chamäleon. Zudem bietet das trockene und heiße mediterrane Klima der Axarquia einen Lebensraum für Chamäleons.

Romé-Traube mit unterschiedlichen Beerenfarben
Traube mit unterschiedlich verfärbten Beeren. Im Sep. 2019 kurz vor der Weinlese.

Im Grenzland von Málaga und Granada ursprünglich zuhause

Die Romé ist mit ihren Eigenschaften eine klassische mediterrane Rebe (auch wenn ihre Weine nicht klassisch mediterran schmecken). Ihre dickhäutigen Beeren sind in den Traubenclustern dicht aneinander gepresst. Das macht sie eigentlich anfällig für Pilzbefall. Die heißen trockenen Sommer der Axarquia und eine stetige Brise vom Mittelmeer verhindern jedoch die Bildung von Schimmelpilzen. In einem kühleren und feuchten Klima könnte die Romé hingegen keine gesunden Trauben entwickeln.

Kultiviert wird die Romé einzig in der andalusischen D.O. Sierras de Málaga. Ursprünglich kam die Sorte ebenfalls in der benachbarten Provinz Granada vor. Dort ist sie heute nahezu ausgestorben. Wenige einzelne Rebstöcke finden sich noch in alten Mischsätzen in der Alpujarra Alta. Die Besitzer dieser Weinberge keltern Wein allerdings nur zum Eigengebrauch.

Im 1807 erschienenen Werk „Variedades de la Vid Común que Vegetan en Andalucia“ des Botanikers Simón de Rojas Clemente y Rubio wird die Romé als eine von 119 autochthonen Rebsorten Andalusiens beschrieben. Vor allem in den Weinbergen nahe der Hafenstadt Motril (Provinz Granada) sei die Sorte zu finden, so die Ausführungen des Botanikers. Etwa fünf Prozent der dortigen Weinberge seien mit Romé bestockt, und die Sorte werde eingesetzt, um den Mosten Farbe zu verleihen. 

Im Weinberg mit Vicente Inat
Mit Vicente Inat im Weinberg. Meine Frau Emily und beide Kinder waren mit dabei.

Die Romé war also eine klassische Verschnittrebe, welche in Andalusien auch vor der großen Reblausplage nie die Fläche und Bedeutung weißer Sorten wie Pedro Ximénez, Palomino Fino oder Moscatel innehatte.

Dass sich mittlerweile einige Qualitätswinzer aus der D.O. Sierras de Málaga der Romé annehmen, ist natürlich großartig. In der mediterranen Axarquia sind es neben Viñedos Verticales die genannten Weingüter Bentomiz, Sedella und neuerdings Almijara mit einem Rosado. In der zusätzlich vom Atlantik beeinflussten Subzone Serrania de Ronda erzeugt das Weingut La Melonera interessante Cuvées, die Romé enthalten.

Gegenwärtig sprechen wir von kleinen Produktionsmengen und wenig Anbaufläche: So registriert der Kontrollrat der D.O. Sierras de Málaga nur etwa fünf Hektar Rebland. Vom „El Camaleón 2018“ gibt es gerade mal 2.300 Flaschen. Trotzdem könnte die Romé eines Tages identitätsbildend für Rotweine aus Málaga sein. Bisher prägen eingeführte Trauben wie Tempranillo, Syrah, Merlot, Petit Verdot, Cabernet Sauvignon und Pinot Noir die Weinerzeugung. Die autochthone Romé hat aber das Potenzial einen Rang weit oben einzunehmen. Sie ergibt individuelle Weine und ist ein Alleinstellungsmerkmal.

El Camaleón 2017, Viñedos Verticales
Frische Eleganz vom Mittelmeer

Weitere Informationen

“Support your local grape” ist eine Beitragsserie über seltene autochthone Rebsorten Spaniens. Zu allen Blogartikeln der Reihe führt dieser Link.

Link zum Weingut: vvertikales.es

Alle Beitragsfotos: © Spaniens Weinwelten

2 Kommentare

  1. Heute hatten wir das Glück, bei unseren Radtouren durch die Sierra de Málaga Vicente Inat in Moclinejo zu treffen. Super sympathisch, und die Weine von viñedos verticales sehr interessant und weitab vom Mainstream. Wenn man sieht, wie die benachbarten Fincas Avocado und Mango unter hohem künstlichem Bewässerungsbededarf anpflanzen, dann kann man ein Projekt wie das von Vicente nur unterstützen, der keine künstliche Bewässerung braucht und die Lese unter schwierigsten Bedingungen bewerkstelligt. Thomas, danke für den super Tip und die wie immer unschlagbar detaillierte und fachkundige Beschreibung hier im Blog!

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