Die Rückkehr des gemischten Satzes

Eine ehemalige Starköchin aus Hongkong, ein ehemaliger Förster aus Arribes und ein Südafrikaner in der Rioja. Spaniens Weinszene ist genauso bunt und vielfältig wie die zahlreichen alten Weinberge im Land, in denen verschiedene Rebsorten glücklich zusammen und nebeneinander wachsen. Gemischte Sätze gibt es also nicht nur in Wien, sondern auch zuhauf auf der Peninsula. In diesem Beitrag geht es um drei Rotweine aus solchen alten Mischsätzen von den hier genannten Personen.


Bei einer meiner Recherchen in den unendlichen Tiefen des Internets bin ich vor einigen Jahren auf eine Grafik des Statistischen Amts der Europäischen Union (eurostat) gestoßen. Sie zeigt die prozentuale Verteilung des Rebbestands nach Altersklassen in europäischen Weinländern. Daraus ist abzulesen, dass fast 40% der spanischen Rebfläche 30 Jahre oder älter ist. Führend in dieser Kategorie sind übrigens Bulgarien, Rumänien und Zypern mit deutlich mehr als 60% der Reben von oder über 30 Jahren.

Verteilung Reben nach Altersklassen

Da es sich um Daten aus dem Jahr 2020 handelt, bedeutet dies, dass die damals über 30 Jahre alten Weinberge also mindestens in den 1980er-Jahren oder früher gepflanzt wurden. Dies ist nicht unwichtig, denn die 1990er-Jahre bedeuteten einen Wendepunkt im spanischen Weinbau. Ab dann wurden nämlich viele Weinberge mit EU-Subventionen neu angelegt: in Spaliererziehung, mit Massenträgerklonen und als Monokulturen.

Die alten Weinberge, vor allem jene, die heute über 50 Jahre alt sind, wurden hingegen häufig in Buschrebenerziehung und als gemischte Sätze aus einer Massalen Selektion gepflanzt. Weshalb das? Unter anderem, weil diese Mischsätze widerstandsfähiger gegen Krankheiten und generell robuster in Extremsituationen als monovarietale und monoklonale Weinberge sind. Vor der Einführung der chemischen „Pflanzenschutzmittel“ im Weinbau war das ein gewichtiges Argument.

It doesn’t matter if you’re black or white

Spanien, mit 910.000 Hektar Rebfläche das größte Weinbauland der Welt, verfügt also über einen beachtlichen Bestand an alten Mischsätzen. Bis in die 1980er-Jahre wurden die schwarzen und weißen Sorten in diesen gemischten Sätzen von den Winzern in vielen Regionen häufig gemeinsam gelesen und zusammen vergoren. Oft entstand dabei eine „Clarete“, also ein Roséwein.

Gemischter Satz. Weinlese bei Jade Gross
Weinlese 2025 bei Jade Gross

Heute hingegen lesen die meisten Weingüter die verschiedenen schwarzen und weißen Sorten in einem Mischsatz separat und bauen sie im Keller getrennt voneinander aus. Als Grund führen sie unter anderem an, dass die Rebsorten nicht gleichzeitig reif werden. Das heißt, jede Sorte hat ihren eigenen optimalen Reifezeitpunkt und wird eben genau dann geerntet, wenn der Winzer diesen Punkt für gekommen hält.

Doch es gibt inzwischen auch eine wachsende Minderheit, die die alte Tradition der gleichzeitigen Traubenlese im Mischsatz wieder aufgreift und einen sogenannten „Field Blend“ keltert. Ihre Vertreter sagen, dass sich das mit der Reife alles ausgleicht: Leicht unreife und leicht überreife Trauben ergeben am Ende einen guten Durchschnitt.

Und ist es vielleicht nicht sogar so, dass ein authentischer Ausdruck des Terroirs, beispielsweise einer Einzellage, nur dann gegeben ist, wenn alle in der Lage wachsenden Rebsorten gemeinsam zu einem Wein verarbeitet werden?

Abseits dieser philosophischen Frage liegen die praktischen Vorteile eines gemischten Satzes auf der Hand: Zum Beispiel tragen die mitgelesenen weißen Trauben bei einem Rotwein zu mehr Frische, einem niedrigeren Alkoholgehalt und einem niedrigeren pH-Wert bei. Gerade in Zeiten des Klimawandels kann dies von großem Wert sein.

Natürlich wissen wir auch, dass viele Wege nach Rom führen. Ob Mischsatz oder kein Mischsatz ist letztlich nicht so entscheidend, denn am Ende kommt es auf die Qualität und den Charakter im Glas an. Und das bieten die folgenden „Field Blends“ – drei Rotweine, die aus alten Mischsätzen und aus gemeinsam gelesenen schwarzen und weißen Rebsorten gekeltert sind – auf jeden Fall.

Jade Gross – Piano, piano 2023

Jade Gross, Rioja, mit ihrer Weinkollektion
Jade Gross: eigenständige, spannende Weine

„Piano, piano ist ein Wortspiel. Zum einen habe ich früher klassisches Klavier gespielt, zum anderen erledige ich viele Dinge gerne schnell und auf einmal. Aber als ich anfing, Wein zu machen, musste ich lernen, langsamer zu werden, weil die Welt des Weins viel Geduld erfordert.“ 

Das sagt die Winzerin Jade Gross, die, obwohl sie noch in ihren 30ern ist, auf eine bewegte Laufbahn blicken kann. Sie wuchs in Hongkong als Tochter eines US-amerikanischen Vaters und einer chinesischen Mutter auf. Dann studierte sie Human Rights Law in London, entschied sich aber nach einiger Zeit ihrer Leidenschaft zu folgen: Essen und Trinken. Nach einer Kochausbildung in Paris gelangte Gross über die Stationen Alain Ducasse, D.O.M. (São Paolo) und El Celler de Can Roca (Girona) ins baskische 2-Sterne-Restaurant Mugaritz. Dort fing sie mit 23 Jahren an zu kochen und mit 26 war sie Küchenchefin.

So lernte Jade Gross auch den riojanischen Kultwinzer Abel Mendoza und seine Frau Maite Fernández kennen. Sie inspirierten sie dazu, ihrem Leben abermals eine Wendung zu geben. Gross verließ die Sternegastronomie und keltert seit 2019 Weine in Rioja. „Ich habe keine Weinberge und kein Weingut geerbt. In den ersten Jahren mietete ich einen Raum in einem großen Weingut an.“ 

Inzwischen hat sie sich eine funktionale Kellerei am Ortsrand von San Vicente de la Sonsierra in Rioja Alta bauen lassen. Ihre Produktion stieg von 800 Flaschen im ersten Jahrgang auf über 10.000 Flaschen. Sie wolle gar nicht viel größer werden, da sie alle Arbeiten im Weinberg und im Keller selbst ausführe, sagt Gross. Ihre Weinbereitung verlaufe oftmals noch nach dem Prinzip Trial and Error. „Ich habe so viele Fächer studiert, dass ich keine Zeit für Önologie hatte“, sagt sie lächelnd. Gleichwohl ist ihre Kollektion aus vier Rot- und Weißweinen bereits fantastisch, etwa der wunderbar saftige, am Gaumen griffige Rotwein „Piano, piano 2023“ mit einem klaren dunklen Fruchtausdruck, den sie aus einem 480 Meter hoch gelegenen Mischsatz mit Tempranillo, Graciano und weißer Viura gewinnt. 

El Hato y el Garabato – Cotexa 2022

Liliana Pérez und José Beneitez sind Hato y Garabato
Liliana Pérez und José Beneitez sind Hato y Garabato

Auch José Beneitez fand erst auf Umwegen zum Wein. Zunächst arbeitete er als Förster in der Region Arribes, in den Wäldern an der spanisch-portugiesischen Grenze. Nach einigen Jahren hatte er das Gefühl, seinem Leben „einen Wandel geben zu müssen”. Die Idee eines eigenen Weinguts lag nahe, denn Josés Familie besaß mehrere Weinberge: Mischsätze mit uralten Reben zwischen 90 und 120 Jahren, die sein Urgroßvater gepflanzt hatte.

Schließlich gründete er 2015 gemeinsam mit seiner Frau Liliana Pérez das Weingut El Hato y el Garabato. Zuvor hatte José Beneitez Weinbau in Rioja studiert und praktische Erfahrungen bei Dominio del Bendito (Toro) sowie bei Niepoort im nahegelegenen Portugal gesammelt. Seit einigen Jahren ist er außerdem verantwortlicher Önologe beim angesehenen Weingut Viñas del Cenit in Zamora.

Die Reben in Arribes wurzeln auf einem Hochplateau, hauptsächlich auf Granitsand. In den Hängen zur Duero-Schlucht kommt Schiefer häufiger vor. Das Klima ist teils atlantisch, teils kontinental. In den bis zu 750 Meter hoch gelegenen Weinbergen kann es demzufolge ziemlich kühl werden, weshalb viele Weine aus Arribes eine knackige Säure aufweisen. 

Obwohl die Region am Duero liegt, ist hier so ziemlich alles anders als in den Duero-Gebieten flussaufwärts. Hier dominiert nicht der Tempranillo den Anbau, sondern es gibt eine große Vielfalt an Rebsorten: Juan Garcia, Rufete, Bruñal, Bastardo, Doña Blanca und viele mehr.

Gemischter Satz: Cotexa 2022
Leichter Rotwein mit der Seele eines Weißweins

Der Rotwein „Cotexa 2022” stammt von diesen alten Mischsätzen. Seine Hauptsorte ist Juan Garcia, dazu kommen zahlreiche weitere Rebsorten. Rund 30 % weiße Trauben machen den Blend aus. So entsteht ein Rotwein mit der Seele eines Weißweins: Er hat nur 11,5 % Alkohol, eine helle, transparente Farbe und ist schlank am Gaumen. Dies ist überhaupt kein typischer Rotwein vom Duero, wie man ihn aus Gebieten flussaufwärts, beispielsweise aus Toro oder Ribera del Duero, kennt. Vielmehr ist er das genaue Gegenteil: ein leichter, knackiger, säurebetonter Rotwein, den ich mir zu vielen Gerichten aus der Meeresküche vorstellen kann.

MacRobert & Canals – Cuatro Corros 2023

Bryan MacRobert in einem 90 Jahre alten Mischsatz
Bryan MacRobert in einem 90 Jahre alten Mischsatz

Der Südafrikaner Bryan MacRobert kam zwar nicht über Umwege zum Wein, aber zumindest über Umwege in die Rioja. MacRobert war gleichzeitig für die Weingüter The Sadie Family im Swartland und für Terroir al Limit im Priorat tätig. Er pendelte zwischen Südafrika und Katalonien, bis er der aus Rioja stammenden Önologin Clara Canals begegnete, seiner heutigen Frau. Über Clara, die für Bodegas Ysios den Wein macht, lernte er die Rioja-Region kennen und lieben – ihre Traditionen, ihre Vielfalt an Böden, Terroirs und Rebsorten.

4.000 Flaschen umfasste der erste Jahrgang 2013 seines Weinguts MacRobert & Canals (er betreibt es gemeinsam mit seinem Schwiegervater). Schrittweise steigerte er die Produktion der Kellerei. Die Weine sind wirklich grandios, und ganz besonders hat mir beim Tasting der „Cuatro Corros 2023“ gefallen. Dieser superfrische Rotwein entsteht aus vier winzigen Plots in der Gemeinde Villabuena de Alava in der baskischen Rioja. Dieses Dorf hat 300 Einwohner und über 40 Weingüter.

Die vier Rebgärten für den „Cuatro Corros“ sind ungefähr zur Hälfte mit schwarzen und weißen Reben gepflanzt: Garnacha, Tempranillo, Mazuelo, Graciano, Viura, Malvasia, Garnacha Blanca und Calagraño. MacRobert liest alle Trauben zusammen und baut sie in gebrauchten 600-l-Fässern aus. Der Jahrgang 2023 ist wahnsinnig anregend in der Nase, rotfruchtig und floral, dazu vibrierend und hochelegant am Gaumen. Dies ist ein spezieller, einzigartiger Rotwein von großer Klarheit, der – wie gesagt – zu etwa 50% aus weißen Trauben gekeltert ist.

Gemischter Satz: Cuatro Corros 2024
50% schwarze Trauben + 50% weiße Trauben = hochfein und frisch

Weitere Infos:

Fotos: © Thomas Götz, Spaniens Weinwelten

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