Ich komme frisch aus Deutschland zurück nach Spanien. Glücklicherweise war die Versorgung mit Weinen gesichert. Eine meiner liebsten Weinhandlungen ist die Wein-Bastion in Ulm. Untergebracht in einem Kellergewölbe der Bundesfestung aus dem 19. Jahrhundert, kann ich mir kaum einen ansprechenderen Weinort vorstellen. Doch nicht nur die Räumlichkeiten, sondern auch das umfassende und gut ausgewählte Sortiment lohnen einen Besuch. So bin ich seit fünfzehn Jahren seltener, aber regelmäßiger Kunde der Wein-Bastion. Selten deshalb, weil ich bis 2015 in Berlin lebte, seither in Andalusien, ab und zu aber familienbedingt und geschäftlich nach Ulm kam und komme.
Auch letzte Woche habe ich in der Wein-Bastion vorbeigeschaut. Dieses Mal zu einem Termin mit der Geschäftsleitung. Es war ein interessanter Austausch zwischen einem, der über Wein schreibt und einem, der Wein verkauft. Am Ende des Gesprächs schlug ich vor, dass ich vier Flaschen aus der spanischen Sektion mitnehmen könnte. Zuhause würde ich sie mit Freunden und Familie blind verkosten und darüber auf meinem Blog berichten. Also gab mir Jörg Ilgen seinen für die spanische Abteilung zuständigen Mitarbeiter Robert Niemetz an die Hand, und wir wählten vier Weine im Preissegment von sechs bis zehn Euro aus. Die Anbaugebiete Rioja, Bierzo, Jumilla und Toro sowie sortenreine Weine aus den Reben Tempranillo, Mencia und Monastrell sollten unserer Meinung nach eine interessante Degustation garantieren.
Weine aus vier Anbaugebieten: zwei von der Sorte Tempranillo, je einer aus Mencia bzw. Monastrell.
Einen Tag später fand die Blindverkostung statt. Für das Tasting habe ich die Kapseln am Flaschenhals entfernt und die Etiketten rundherum mit Papier abgedeckt. Meine sechs Versuchskaninchen hatten so keinerlei Anhaltspunkt, was sie da im Glas haben. Die verhüllten Weine kennzeichnete ich je mit einem Buchstaben von A bis D.
Bei der Degustation tranken wir die vier Weine rasch hintereinander, ohne uns über sie zu unterhalten. Jeder bekam ferner ein Blatt, auf dem nur die Buchstaben A, B, C, D vermerkt waren. Er bzw. sie notierte darauf das persönliche Ranking: der Wein auf dem ersten Platz erhielt vier Punkte, der Wein auf dem zweiten Platz drei Punkte, der Wein auf dem dritten Platz zwei Punkte und der Wein an vierter und letzter Stelle einen Punkt. Am Ende wurden die Punkte aller sieben Bewertungszettel auf die Weine addiert. Erst nach dieser Notenvergabe wurde das Deckpapier von den Weinflaschen abgenommen und wir servierten Tapas.
Vorteil einer Blindverkostung: Niemand lässt sich vom Etikett oder dem Namen des Weinguts beeinflussen.
An dieser Stelle sollte ich vorweg anmerken, dass wir Sieben keine professionellen Weinkritiker oder Sommeliers sind, sondern mehr oder weniger geübte und interessierte Weintrinker. Das Ergebnis unserer Hobby-Degustation liest sich wie folgt:
Siegerwein, 23 Punkte:
Weingut Valtuille de Abajo, Pago de Valdoneje, 2012, Mencia, D.O. Bierzo, 6,90 Euro
Zweiter Platz, 21 Punkte:
Weingut Ego Bodegas, Goru Organic, 2015, Monastrell, D.O. Jumilla, 6,50 Euro
Dritter Platz, 18 Punkte:
Weingut Hacienda el Ternero, Torno, Crianza 2011, Tempranillo, D.O.Ca Rioja, 9,50 Euro
Letzter Platz, 8 Punkte:
Weingut Carodorum – Carmen Rodriguez Méndez, Carodorum Issos, Crianza 2007, Tinta de Toro (Tempranillo), D.O. Toro, 9,90 Euro
Womit fange ich an? Die Region-Reben-Paare Bierzo & Mencia sowie Jumilla & Monastrell sind generell großartig. Im speziellen Fall landete der Gesamtsieger Pago de Valdoneje aus dem Bierzo bei mir auf dem zweiten Platz. Als Notiz steht auf meinem Zettel: „animalische Noten in der Nase, frische Säure, gesundes Tannin, vielschichtig“. Der Monastrell aus Jumilla war knapp mein persönlicher Favorit. Hier schreibe ich: „beerig, elegant, saftig und voll, insgesamt harmonisch“. Beide Weine kosten unter sieben Euro – sie schmecken fast doppelt so gut. Verblüffend zudem, dass der junge Monastrell Goru Organic von 2015 bereits so ausgewogen daherkommt.
Nach dem Tasting wurden die Etiketten enthüllt und Tapas aufgetischt.
Ein wenig tut mir das desaströse Ergebnis für den Carodorum Issos aus der D.O. Toro leid: sechsmal Letzter und einmal Zweitletzter. Es ist auf einen Fehler meinerseits zurückzuführen. Ich gab dem Wein zu wenig Luft. Viele Weine werden heutzutage jung getrunken, die meisten können problemlos direkt nach dem Öffnen genossen werden. Dass eine Crianza von 2007 allerdings mehrere Stunden Luft, am besten sogar einen Dekanter benötigt, hätte ich mir eigentlich denken sollen.
Quasi frisch entkorkt, stank der Wein bei unserer Blindverkostung geradezu. Ich meinte Sauerkraut zu riechen und tippte sofort auf einen Weinfehler. Ein paar Stunden später, als wir die anderen Flaschen schon geleert hatten, schmeckte dieser Tempranillo plötzlich weich, beerig und samtig – der unangenehme Geruch war verflogen. Alle waren wir einig, dass uns diese Crianza aus Toro nun eigentlich besser mundet als zuvor die Tempranillo-Crianza des Weinguts Hacienda el Ternero aus dem Rioja. Sorry Toro.
Weinfeld im Anbaugebiet Toro (Foto: Patricia R. Soto / © ICEX).
Um Abbitte zu leisten, will ich deshalb eine Lanze für diese erstklassige Weingegend, die sich im Nordwesten Spaniens am Fluss Duero entlangzieht, brechen. Vielen deutschen Weinkonsumenten mag das Anbaugebiet Toro – benannt nach der gleichlautenden Kleinstadt – kein großer Begriff sein. In Spanien verhält es sich anders. Toro wird dort von Kennern fast in einem Atemzug mit bedeutenden „Tempranillo-Regionen“ wie Ribera del Duero und Rioja genannt.
In Toro firmiert Tempranillo unter dem Namen „Tinta de Toro“. Die rote Traube macht fast 5.000 Hektar und somit etwa achtzig Prozent der gesamten Rebfläche der D.O.-Region aus. Die lockeren Flussgesteinsböden mit ihrem hohen Eisengehalt und Sandanteil bilden einen erstrangigen Untergrund für besagte Rebsorte. Der Wein wächst zudem auf 600 bis 750 m. ü. NHN, was merkliche Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht mit sich bringt und die Säure- und Tanninbildung der Beeren begünstigt. Das Klima steht überwiegend unter dem kontinentalen Einfluss des kastilisch-leonesischen Hochplateaus. Geprägt von trocken-warmen Sommern und über 3.000 Sonnenstunden pro Jahr entstehen so kräftige und konzentrierte Rotweine, die nach reifen Früchten – nicht selten nach Fruchtkompott – schmecken.
Lassen Sie sich also vom Ergebnis unserer Blindverkostung nicht abschrecken und probieren Sie unbedingt Weine aus Toro. Für jene aus Jumilla und Bierzo gilt das sowieso allemal.
PS: Wer nun das Pech oder Glück hat, nicht in Ulm zu leben, der kann die von uns verkosteten Spanier auch über den Online-Shop der Wein-Bastion beziehen und selbst probieren. In diesem Fall freue ich mich stets über Eindrücke und Meinungen in der Kommentarspalte.