Miguel Maldonado Gonzalez ist ein Mann mit Courage. Es erfordert Mut und Passion ein Weingut im kargen Niemandsland zwischen den Provinzen Granada und Almeria zu betreiben. Die Böden sind sandig und mit Geröllgestein übersät, die Sommer extrem heiß und staubig. Wenn es dann einmal regnet, kann es sein, dass ein Teil des Landes von Sturzfluten einfach weggespült wird. Alles schon passiert, aber Miguel gibt nicht auf, ganz im Gegenteil, für sein Weingut Rambla Huarea schmiedet er große Pläne.
Auf das Weingut Rambla Huarea bin ich durch einen Tipp der selbständigen Önologin Rosa Maria Pascual und einer weiterführenden Internetrecherche gestoßen. Die Etiketten und der Name des Weins „Poeta en Nueva York“ sprachen mich sofort an. Teilt der Besitzer etwa meine Liebe zu New York? Bedingt, wie ich bei unserer Begegnung erfahren sollte. Es handelt sich vielmehr um den Titel eines Gedichtbands von Federico García Lorca, der in Andalusien überall präsent ist. Und weil Miguel Maldonado Gonzalez ein Verehrer Lorcas ist und zugleich nach einem originellen Namen für seine Weine suchte, brachte er beides zusammen.
Winzer Miguel Maldonado Gonzalez zeigt mir die unterschiedlichen Blätter der Rebsorten Tempranillo, Cabernet Sauvignon und Garnacha.
Mein Besuch von Rambla Huarea beginnt am Wohnhaus von Miguel in Adra, einer Küstenstadt in der Provinz Almeria. Von dort aus machen wir uns in Begleitung von Rosa Maria Pascual, die ihn als gelernte Önologin berät und unterstützt, im Jeep auf den Weg zum Weingut. Schnell wird mir klar warum: Die letzten zwanzig Minuten zum Weingut führen über eine Schotterstraße, die es in sich hat, und ich glaube, dass sich Miguel netterweise um den Zustand meines PKWs sorgte. So erfahre ich bereits auf der gemeinsamen Hinfahrt, dass Miguel hauptberuflich als Spanischlehrer in Almeria arbeitet und drei bis vier Tage die Woche hinaus auf sein Weingut geht, mit dem er 1999 begann. In Zeiten, in denen besonders viel Arbeit anfällt, kommen auch Frau und fünfzehnjährige Tochter als Helfer mit – ein echter Familienbetrieb.
Schwierig zu bewirtschaften: Land mit lockerem Sandboden und viel Geröllgestein.
Je weiter wir die Schotterstraße landeinwärts fahren, umso mehr frage ich mich, wie jemand auf die Idee kommt an so einem gottverlassenen Fleck ein Weingut zu betreiben. Geschweige denn, wie man so einen Ort überhaupt findet. Ganz einfach, sagt Miguel, er sei hier geboren und aufgewachsen. Einst lebten rund tausend Leute in diesem Tal, erzählt er mir und zeigt auf eine Ruine, die früher seine Schule war. Es folgt eine weitere Ruine – die ehemalige Bäckerei. Und so geht das munter weiter: Zu jedem verfallenen Gebäude, das wir passieren, kennt Miguel eine Geschichte. Erstmals seit ich in Andalusien bin, bekomme ich ein Gefühl davon, was Landflucht bedeutet.
Der Rebbestand beläuft sich auf etwa zwei Hektar und verteilt sich auf zwei Dutzend kleine Parzellen rund um die Bodega im Hintergrund.
Miguel Maldonado Gonzalez hat das Weinmachen zur Hälfte im Blut, und zur Hälfte brachte er es sich selbst bei. Zur Hälfte im Blut deshalb, weil sein Großvater und Vater den in der Alpujarra üblichen Hauswein Vino de Costa (deutsch: Küstenwein) kelterten. Die Trauben wurden noch in Bottichen mit Füßen gestampft, eine Ertragsreduzierung im Weinberg, Entrappung der Beeren oder eine Gärung unter Temperaturkontrolle gab es freilich nicht. Entsprechend schmeckt ein solcher Vino de Costa grob und hat nichts mit der hohen Kunst der Vinifizierung zu tun. Als Reminiszenz an diese früheren Tage unterhält Miguel noch ein paar Rebstöcke von Pedro Ximénez und der ertragreichen autochthonen Jaén Negro, aus denen der Costa bevorzugt gemacht wird.
Eingang zum Verkostungsraum und Weinkeller.
Den großen Schritt vom Vino de Costa für den Eigengebrauch hin zum auf dem Handelsmarkt bestehenden Qualitätswein brachte Miguel sich selbst bei. Er las Fachliteratur und besuchte Weingüter in Portugal, Italien und Frankreich, um zu sehen und zu lernen. Schrittweise verbesserte er die Kellertechnik und vergrößerte seine Anbaufläche auf heute immer noch nicht allzu große zwei Hektar. Seine drei Weine kommen auf eine Gesamtmenge von etwa 5.000 Flaschen jährlich. Je einen sortenreinen Syrah und Sauvignon Blanc sowie ein Verschnitt aus Tempranillo, Cabernet Sauvignon und Garnacha füllt er ab.
Darüber hinaus ist es faszinierend zu sehen, wie viele Rebsorten Miguel für mögliche zukünftige Weine ausprobiert: Ob Monastrell, Moscatel de Alejandría, Chardonnay, Petit Verdot oder die autochthonen Vijiriega und Tintilla de Rota – von all diesen Sorten hat er ein paar Rebstöcke gepflanzt, um zu sehen, ob und wie sie mit den kargen Böden, der Hitze und Trockenheit zurecht kommen. Mittelfristig will Miguel neue Weine keltern und seine bisherige Jahresproduktion verdoppeln.
Önologin Rosa Maria Pascual bereitet unser Tasting vor.
Das Tal, in dem wir uns befinden, heißt Rambla Huarea. So wie das Weingut, das nur wenige Kilometer vom Mittelmeer entfernt auf etwa 300 m. ü. NHN liegt. Das wüstenartige Land schenkt den Menschen wenig. Neben Wein sind es einzig Mandel-, Feigen- und Olivenbäume, die mit den trockenen Bedingungen zurecht kommen. Die sandigen Böden sind arm an Nährstoffen, Miguel düngt sie mit Pferdemist und pflügt sie im Frühjahr um.
Auch die Hitze stellt ein Problem dar. Selbst nachts kühlt es im Sommer nicht mehr ab, die Trauben produzieren deshalb viel Zucker und kommen mit der Reifung kaum hinterher. Es ist ein Balanceakt den richtigen Lesezeitpunkt zu treffen – einerseits soll der Zuckergehalt der Beeren wegen des späteren Alkoholanteils nicht zu hoch sein, andererseits sollen die Reben eine schöne Frucht und Säure entwickeln.
Poeta en Nueva York ist der Oberbegriff für die drei Weine von Rambla Huarea.
Diesen Kontext in Betracht gezogen, sind die Weine von Rambla Huarea unfassbar gut und sündhaft günstig. Den frischen Jahrgang 2016 habe ich mit Miguel und Rosa Maria verkostet und später ebenfalls bei mir zuhause mit der Familie probiert. Alle waren wir äußerst angetan: Der Sauvignon Blanc mit gerade einmal 12% Vol. entpuppt sich als herrlicher Sommerwein. Er zeichnet sich durch einen feinen Duft nach Apfel und Ananas aus, der nicht aufdringlich oder fett daherkommt. Am Gaumen zeigt er eine saftige Säure und ausgewogene Balance.
Auch der Tempranillo offenbart für seine Jugend eine erstaunliche Harmonie. Es ist ein komplexer Wein, der über gesunde Tanninne und ein breites Armenspektrum von animalisch bis vegetabil verfügt. Je zehn Prozent Cabernet Sauvigon und Garnacha sind darin ergänzend enthalten. Der Wein wurde zehn Monate im Barrique ausgebaut, die Klärung erfolgte mit Eiweiß, und der Alkoholgehalt ist mit 13% Vol. verblüffend gering.
Etiketten mit Stil. Auf nur etwa 5.000 Flaschen beläuft sich die Jahresproduktion.
Gemessen an der Klasse seiner Weine verkauft sie Miguel auf seinem Weingut für sehr günstige 4,20 Euro die Flasche. In einigen Delikatessen- und Weingeschäften in Granada und Almeria wandert sein Poeta en Nueva York dann für etwa 6,50 Euro über die Ladentheke. Ich frage ihn, warum er verhältnismäßig wenig Geld für seine Weine verlangt. Er sei klein und die Konkurrenz in Spanien riesengroß, erwidert er. Stetig wolle er die Qualität seiner Weine verbessern, so dass er den Verkaufspreis irgendwann auf um die zehn Euro setzen kann.
Vergrößern will Miguel ferner die kleine Bodega. In ein paar Jahren soll der Bau einer Vinothek beginnen, mit der er größere Gruppen empfangen kann – der Weintourismus boomt gerade in Spanien. Mich lädt er abschließend noch zur diesjährigen Ernte im August ein. Ich könne einen Tag lang mitarbeiten, ein paar Fotos machen und am Ende des Tages gäbe es ein große Paella für alle Helfer. Wer kann dazu schon nein sagen? Wir bleiben also in Kontakt.
Dos Poetas en Almeria. Gracias por un buen día.
Link zum Weingut: www.poetaennuevayork.es
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