Mit Dick und Nelleke pflege ich seit einigen Monaten eine schöne Weinfreundschaft. Das niederländische Weindistributoren-Paar habe ich über einen Freund kennengelernt. Fast immer wenn sie in die Alpujarra kommen, organisieren wir eine themenbezogene Degustation wie beispielsweise zu andalusischen Weinen oder zu Pinot Noir. Gerade erst verkosteten wir Chardonnays, wovon ich heute nun näher berichten will.
Alles außer Chardonnay?
Es gibt die Phrase vom ABC-Trinker. ABC steht für „Anything but Chardonnay“, ins Deutsche übersetzt: Alles außer Chardonnay. Auch ich gehörte einer Zeit lang dieser Fraktion an, weil ich schlichtweg die falschen Chardonnays trank: butterig, fett und mit Holznoten überladen. In dieser Stilistik kamen und kommen zahlreiche Weine aus dieser weltweit beliebten und verbreiteten Weißweinrebe daher – weil viele Konsumenten danach verlangen.
Meine Meinung änderte sich in den letzten Monaten, als ich vermehrt mit spanischen Chardonnays in Berührung kam. Auf ihre Weise sehr unterschiedlich – jedoch alle filigran, fein, animierend und saftig – schmeckten mir die Chardonnays von Castillo de Monjardín, Binigrau, Bodegas F. Schatz und Descalzos Viejos. Meine Vorurteile gegenüber Chardonnay gerieten ins Wanken und wurden schließlich gebrochen.
Chardonnays von F. Schatz und Descalzos Viejos haben meine Antipathie umgekehrt.
Das Chardonnay-Tasting
Mit Dick und Nelleke verkosten wir Weine stets blind. Die Flaschen werden mit Alufolie überzogen. Erst nachdem wir alle Weine probiert, unsere Notizen und Bewertungen gemacht haben, enthüllen wir die Etiketten und tauschen dann unsere Meinungen und Eindrücke aus.
Diesmal war Dick an der Reihe die Weine zu besorgen und den Ablauf der Blindverkostung zu steuern. Beim Einkauf entschied er sich für zwei andalusische Chardonnays sowie je einen aus Frankreich und Australien.
Die Weine bewerteten wir nach einem 10-Punkte-Schema: max. 3 Punkte für den Geruch, max. 5 Punkte für den Geschmack und max. 2 Punkte für den Gesamteindruck.
Meine persönlichen Favoriten waren der Chablis 2015 von Domaine Alain Gautheron (Burgund) sowie der Cloe 2016 von Chinchilla (Serrania de Ronda). Beiden gab ich 7,5 Punkte. Mit je 5,5 Punkten dahinter landeten der Chardonnay 2016 von Veleta Wine (Granada) und die Chardonnay Winemakers Reserve 2015 von Jacob’s Creek (Adelaide Hills). Im Folgenden seien meine Verkostungsnotizen der Reihe nach dargelegt.
Die vier von uns blind verkosteten Chardonnays.
Cloe, Chardonnay 2016, Chinchilla Wine, Bodegas Doña Felisa, Serrania de Ronda
Der Cloe Chardonnay hatte den schönsten Duft aller vier Weine, worüber sich am Ende alle vier Tester einig waren. Auf Anhieb gefielen mir die zarten floralen Aromen von Holunder und Flieder, und die damit gesetzten Erwartungen erfüllte der Wein auch im Mund: weiche Säure, feine Frucht, schlanker Körper, saftig im Geschmack.
Aufgrund der lebhaften Frische schätzte ich, dass der Wein entweder aus einer nordspanischen Region wie Navarra oder einem norditalienischen Gebiet wie Südtirol kommt. So mag es verwundern, dass wir es hier mit einem andalusischen Weißwein zu tun haben.
Seine Reben wachsen allerdings in der Serrania de Ronda auf über 800 m. ü. NHN, was kühle Nächte und längere Reifezeiten mit sich bringt, in denen die Beeren Säure produzieren. Ferner ist das Gebiet um die andalusische Stadt Ronda nicht nur einem mediterranen Klima ausgesetzt, sondern steht ergänzend unter atlantischem Einfluss, der mitunter kühle Winde und Regen bringt.
Chardonnay 2015, Domaine Alain Gautheron, Chablis, Burgund
Im Duft eher verschlossen, blieb dieser Wein in der Nase unspektakulär. Am Gaumen präsentierte er sich ganz anders: mineralisch mit straffer Struktur und knackiger Säure, dazu eine animierende Saftigkeit und ein langer Nachhall. Ich war mehr als angetan.
Den Ursprung des Weins vermutete ich an der französischen Loire, und war dann überrascht und erfreut, dass es sich um einen Chablis handelte. Die wenigen Weine aus dieser Appellation, die ich bisher trank, hatte ich schmelziger sowie frucht- und körperbetonter in Erinnerung.
Das gleichnamige Weingebiet um die Stadt Chablis liegt im Norden des Burgund. Weltweit genießt es den größten und besten Ruf für Chardonnay-Weine: Chardonnay und Chablis – das sind fast schon Synonyme.
Die Reben für diesen säurebonten Chablis von Domaine Alain Gautheron stammen aus einer Lage. Sie werden teilweise im Pièce (Holzfass) und zu Teilen im Stahltank ausgebaut und danach miteinander verschnitten.
Meine Notizen zum Chardonnay-Tasting.
Chardonnay 2016, Veleta Wine, Dominio Buenavista, Granada
Verglichen mit den zuvor verkosteten Chardonnays enttäuschte mich dieser Wein. Ich roch Vanille und Gewürznelken, was nicht so ganz mein Ding ist. Im Mund fühlte sich der Wein etwas fett und konturlos an. Deutlich treten Holznoten in Erscheinung.
Ich tippte bei diesem Wein auf Chile, eventuell auch Kalifornien oder Neuseeland. Und siehe da, er kommt aus der andalusischen Alpujarra! Ganz aus meiner Nähe und von einem Weingut, das ich schon mehrfach besucht habe und dessen Weine ich ansonsten sehr schätze, beispielsweise den säurebetonten Vijiriega (eine autochthone weiße Sorte).
Ganz falsch liege ich mit meinem Übersee-Tipp dann aber doch nicht. Winzer Juan Palomar lebt seit über vierzig Jahren in den USA und lernte das Weinmachen in Napa Valley. Palomar pendelt zwischen der Alpujarra und Ohio. Rund sechzig Prozent der Produktion exportiert sein Weingut Dominio Buenavista in die USA, entsprechend ist der Geschmack dieses Chardonnays auf den dortigen Markt ausgerichtet.
Winemakers Reserve Chardonnay 2015, Jacob’s Creek, Adelaide Hills
Mit der gleichen Punktzahl (5,5) wie den Chardonnay von Dominio Buenavista bewertete ich jenen von Jacob’s Creek. Er verströmte noch mehr Holz- und Vanillegeschmack (negativ), wirkte in seiner Struktur aber kompakter und gut ausbalanciert.
Hinter der Weinmarke Jacob’s Creek steht der Weinproduzent Orlando Wines, der wiederum zum Global Player Pernod Ricard gehört.
Der Reserve Chardonnay 2015 ist ein vergleichsweise teurer, gut gemachter Wein, der sich an den Erwartungen eines konservativen Weinmilieus orientiert. Ein breiter und zugänglicher, insgesamt aber langweiliger Tropfen für Etikettentrinker, denen nicht nach sensorischen Abenteuern steht.
Salud! Dick und Nelleke links, ich, Emily und unser Sohn Andi rechts.
Das Gesamtergebnis unserer Blindverkostung liest sich übrigens ziemlich anders als mein persönliches Ranking. Mein Co-Favorit aus Chablis vermochte niemand anderen zu überzeugen. Er landete mit einem Punktdurchschnitt von 5,6 auf dem letzten Platz.
Mein zweiter Liebling Cloe gefiel zumindest allen: Mit 8,5 Durchschnittspunkten ging dieser Wein eindeutig als Sieger des Tastings hervor. Der 2016er-Jahrgang ist übrigens interessanter als der 2015er, den ich an anderer Stelle zuvor schon getrunken hatte.
Platz 2 ging mit durchschnittlich 6,7 Punkten an den Chardonnay von Veleta Wine, der mir ja nicht so zusagte. Rang 3 belegte der Australier Jacob’s Creek mit 5,9 Punkten, der mir ebenfalls wenig gefiel.
Etwas kurios: Die beiden andalusischen Chardonnays auf Platz 1 und 2 kosten im Handel unter zehn Euro, während die teureren Jacob’s Creek (ca. 20 Euro) und Chablis (ca. 15 Euro) in der Gesamtrechnung nur die Plätze 3 und 4 belegen.
Hintergrund-Information:
Nelleke und Dick betreiben seit etwa sechs Jahren das Weinunternehmen Granada Wijnen. Sie haben ein exzellentes Gespür für kleine Weingüter, die außergewöhnliche wie hervorragende Weine erzeugen. Zehn südspanische Bodegas haben sie inzwischen unter Vertrag – das heißt, sie importieren deren Weine in die Niederlande und verteilen sie dort weiter an Weinhandlungen und Restaurants. Für Endkunden bieten Nelleke und Dick sogar einen günstigen Versand nach Deutschland an. Falls Sie also mal Lust auf spannende Weine von kleinen Erzeugern aus Andalusien haben, können Sie diese über den obigen Link finden und bestellen.