Rueda lässt mich noch nicht los. Zur Erntezeit war ich im September drei Tage im Rahmen einer Pressereise in diesem nordspanischen Anbaugebiet unterwegs. Fasziniert hat mich die unendlich weite, fast menschenleere Landschaft und ebenso die teils großartigen Weißweine aus Verdejo mit viel Grip und knackiger Säure. Zwei Bodegas, die ich mit den Kollegen besucht habe, blieben in meinen Beiträgen bislang außen vor. Dem soll nun Abhilfe geleistet werden.
Teodoro Recio und La Granadilla haben als gemeinsames Merkmal, dass es sich um jeweils junge, 2015 gegründete Weingüter handelt, die aus alteingesessenen Weinbauernfamilien hervorgingen. Lange verkauften sie Trauben ausschließlich an andere Weinerzeuger, ehe sie nun das Wagnis und Abenteuer eines eigenen Wein produzierenden Unternehmens eingingen. Was mir an beiden Weingütern ebenfalls gefällt: Sie verzichten auf die Unsitte ihre reinsortigen Verdejos im Barriquefass zu vergären. Das macht die Weißweine aus dieser Rebe für meinen Geschmack fett und behäbig und übertönt die natürliche Frische und Aromatik der Sorte.
Teodoro Recio – drei Lagen, dreimal 100% Verdejo
Als wir an einem Montagmorgen mit unserem Bus bei Teodoro Recio nahe der Ortschaft La Seca vorfahren, ist Sohn Roberto mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Die Nacht zuvor wurde die letzte Ernte des Jahres eingeholt. Nachtlese ist populär in Rueda. Bei den niedrigeren Temperaturen, sagt man, würden die Trauben weniger Aromen verlieren und zudem besser vor zu früh einsetzender Oxidation geschützt sein.
Gelesen wird mit massiven Fahrzeugen, die mich an Mähdrescher erinnern. Durch starkes Rütteln der Rebstöcke entfernen sie die Beeren von den Traubenstielen und fangen das Lesegut in einem Behälter auf. Die Technik ist so ausgeklügelt, dass unreife oder verschrumpelte Beeren automatisch aussortiert werden. Eine derartige Maschine, die umgerüstet auch für die Olivenernte eingesetzt werden kann, schafft einen Hektar pro Stunde. Bei Handlese benötigt es für diese Zeit und Menge fünfzehn bis zwanzig Arbeitskräfte.
Teodoro Recio mit Sohn Roberto und in der Bildmitte Saray.
In Rueda, so mein Eindruck, setzt man weniger auf Weinromantik als auf Effektivität. Bei Teodoro Recio ist man stolz auf die eigenen Maschinen und die moderne Kellertechnik. Der Vater von Teodoro hat mit einem kleinen Traktor begonnen, heute verfügt man über einen beachtlichen Fuhrpark. Die Weinkellerei selbst sieht von außen eher wie eine metallverarbeitende Fabrik aus. Quadratisch, praktisch, gut.
Auf eine Produktion von 300.000 Litern jährlich ist die Anlage ausgerichtet. Dass sich Sohn Roberto und Assistentin Saray trotzdem bei uns dafür entschuldigen, dass sie nur eine sehr kleine Bodega seien, sagt viel über die Verhältnisse in Rueda aus. Wer es hier nicht auf mindestens eine Millionen Flaschen im Jahr bringt, läuft mengenmäßig unter ferner liefen.
Groß oder nicht groß? Das ist hier nicht weiter die Frage. Denn am Ende entscheidet die Qualität. Und die ist bei Teodoro Recio durchaus beachtlich. Vierzig Hektar Rebland nennt das Weingut sein eigen, verteilt auf drei Parzellen mit dreißig, vierzig, und siebzig Jahre alten Rebstöcken. Aus jeder einzelnen Lage wird ein sortenreiner Verdejo gekeltert.
Kleines Weingut in Rueda? Als solches bezeichnet sich Bodega Teodoro Recio selbst.
„Robeser“ nennt sich der Einstiegswein. Er ist frisch, saftig und hat eine spürbare Säure wie sie für die meisten Rueda-Weine kennzeichnend ist. Ich liebe diese Weißweine, deren Struktur man im Mund so richtig erfühlen kann.
Mit dem „Clauma“ betreten wir anspruchsvolleres Gelände. Er steht nach der alkoholischen Gärung für fünf Monate auf der Hefe, das verleiht ihm mehr Körper und Haltbarkeit bei gleichzeitigem Erhalt der typischen Eigenschaften der Verdejo-Rebe (frisch, saftig, zartfruchtig, dezente Bitternoten).
Zehn Monate wird der nochmals komplexere „Teodoro Recio“ auf der Hefe gelassen. Er ist länger anhaltend im Geschmack und entwickelt einen schönen Schmelz auf der Zunge. Es gibt für mich nichts an diesen drei genannten Weinen auszusetzen. Muss ja auch nicht sein. Fazit: ein junges sympathisches Weingut mit vielversprechenden und prima Weinen.
La Granadilla – Vater, vier Brüder, eine Schwester, achtzig Hektar Rebland
Unsere Pressetour geht weiter. An zweieinhalb Tagen besuchten wir sieben Weingüter, und dazwischen standen diverse Degustationen auf dem Programm. Familie Descalzos-Matos vom Weingut La Granadilla treffen wir zuerst auf einem ihrer Weinberge.
Familie Descalzo-Matos von Bodega La Granadilla in Nava del Rey.
Vater, vier Brüder und eine Schwester bewirtschaften insgesamt achtzig Hektar Rebland. Sie verzichten auf den Einsatz von Pestiziden und Herbiziden, statt Kunstdünger verwenden sie ferner ökologisch wertvollen Schafdung. Aktuell 60.000 Flaschen eines sortenreinen Verdejo-Weißweins produziert ihre Bodega La Granadilla im Jahr. Bei einer Keller-Kapazität von 300.000 Litern hat man noch Pläne für die Zukunft – Weinsortiment und Mengen sollen schrittweise vergrößert werden. Parallel verkauft die Familie weiter Trauben an andere Erzeuger.
Auch die Descalzo-Matos besitzen eine dieser gigantischen Maschinen, mit der sie die Weinfelder abräumen. Ob die maschinelle Ernte mit dem starken Schütteln nicht die Reben beschädige, frage ich einen der Söhne. „Niemals!“, entgegnet er. Die Handlese sei viel schädlicher als die Maschinenlese! „Ach so“, gebe ich kleinlaut bei. Seine Antwort kam mit einer derart inbrünstigen Überzeugung, dass ich auf kritische Nachfragen verzichte.
Frischer Most, seit zehn Stunden im Tank.
Abgesehen vom überzeugenden Verdejo von La Granadilla – der sich betont fruchtig zeigt (Steinobst und tropische Anklänge) und über eine fein unterlegte Säure von um die 6 g/l verfügt – finde ich beim Besuch der Kellerei besonders interessant, dass wir Weine in verschiedenen Entwicklungsstadien probieren können.
Zuerst wird mir ein dickflüssiger gelbgrüner Most (Foto oben) ins Glas geschenkt, der erst seit zehn Stunden im Tank lag und dessen Trauben die Nacht zuvor geerntet wurden. Seine intensive Trübung kommt unter anderem von Fruchtfleisch-, Kern- und Schalenresten. Im Grunde handelt es sich um einen ungefilterten, süßlich schmeckenden Saft.
15 Tage alter Most, bereits fertig vergoren.
Deutlich heller sieht der Most fünfzehn Tage später – nach der alkoholischen Gärung – aus (Foto oben). Einige Trübstoffe haben sich bereits unten im Tank abgesetzt und wurden entfernt. Er schmeckt jetzt nicht mehr nach süßem Saft, sondern nach trockenem Wein, dem in den folgenden Monaten unter anderem mit einem Hefelager, der Reifung im Tank, Schönung und Filtrierung ein Feinschliff verpasst wird.
Dass diese „Verfeinerung“ gelingt, daran habe ich wenig Zweifel. Selbst wenn die zwei hier vorgestellten Weingüter faktisch jung sind, so merkt man doch, dass man es mit Personen zu tun hat, die sich ihr ganzes Leben mit Wein und Weinanbau beschäftigten. Es dürfte sich lohnen Teodoro Recio und La Granadilla zukünftig im Auge zu behalten. Ihre Weine stellen meines Erachtens bereits zum jetzigen Zeitpunkt interessante Alternativen zu bekannteren Erzeugern von Rueda-Weinen wie beispielsweise Marqués de Riscal, Yllera oder Protos dar.