Im Salon der Sterne 2017

Carlos Rey Lustres, Salon de las Estrellas

Ich komme aus einer Stadt, in der kein Starkult betrieben wird. Zur Berliner Coolness gehört es, sich beim Umgang mit Bekanntheiten keine Blöße zu geben. Verabreden sich Barack Obama und Jesus Christus in einem Café, dann tut der Berliner so als sei es das normalste der Welt und schaut eher noch betont weg als hin. In Madrid dagegen werden selbst Weinkritiker gefeiert. Zugegeben, José Peñín ist Spaniens renommiertester und geschäftlich erfolgreichster Experte in diesem Metier. Er ist nicht nur Herausgeber des jährlichen Weinführers Guía Peñín, sein Medienunternehmen veranstaltet auch zahlreiche spanische Weinsalons auf dem ganzen Erdball: New York, Shanghai, Madrid. Auf eben einer solchen Veranstaltung, dem VI Salon de las Estrellas, war ich gerade. Der bescheiden auftretende Herr Peñín kam kaum dazu Weine zu verkosten, weil er ständig um Gruppenfotos gebeten wurde. Gelassen ließ er es über sich ergehen, mir scheint er hat eine gewisse Routine dabei entwickelt freundlich in die Smartphone-Kameras seiner Bewunderer zu lächeln.


Der Weinsalon fand im Dachgeschoss des Bahnhofs Chamartin statt.

Zumindest an solchen Tagen ist es gut, dass sich kein Mensch für mich interessiert. So konnte ich im Gegensatz zu José Peñín in aller Ruhe probieren und ein Urteil bilden. Besonders prima fällt meine Wertung (mal wieder) bei den Weißweinen aus Galicien aus. Allen voran die zwei Albariño von Carlos Rey Lustres, die sich spektakulär griffig am Gaumen zeigen und von Mineralik geprägt sind. Um die 12.000 Flaschen im Jahr keltert der Jungwinzer in der Appellation Rías Baixas. Diverse von mir verkostete Chardonnays, Cayetanos, Moscatels oder Sauvignon Blancs aus Campo de Borja, Navarra, Alicante, der Extremadura und vielen weiteren Destinationen reichen für meinen Geschmack da nicht heran. Im Vergleich kommen sie manchmal fast schon flach und langweilig herüber. Die Verdejos aus Rueda verfügen hingegen über ähnlichen Grip und Saftigkeit, so der 2016er von Finca Montepedroso, der gemessen am Preis von um die sieben Euro sogar richtig Klasse ist.

Carlos Rey Lustres, Salon de las Estrellas
Carlos Rey Lustres (re.) mit seinen Albariño-Weinen aus der D.O. Rías Baixas.

Das Preis-Leistungsverhältnis ist auch die Idee, die hinter der Sternevergabe des Guía Peñín und dem „Salon der Sterne“ (Salon de las Estrellas) steckt. Rund 13.000 spanische Weine verkostet das Team um José Peñín jährlich. Die Bewertungen finden im gängigen 100-Punkte-System statt. Parallel werden Weine im Guía Peñín mit maximal fünf Sternen ausgezeichnet. Neben der Punktbewertung fließt in dieser Kategorie der Kaufpreis als weiteres Kriterium mit ein. So kann es vorkommen, dass ein mit 95 Punkten sehr hoch bewerteter Wein „nur“ drei oder vier Sterne besitzt, weil er hochpreisig ist. Hingegen kann ein günstiger Wein, der nach Punkten „nur“ auf 90 kommt, fünf Sterne erhalten. Diese fünf Sterne signalisieren dann die besonders exzellente Preis-Leistung.

An dieser Stelle bekomme ich nun ein Problem mit dem Artikel. Denn mir ist etwas passiert, was einem Schreiberling nie passieren darf! Ich habe meine Gesprächs- und Verkostungsnotizen verloren. Die stehen in einem Büchlein, das der Veranstalter eigens an die Besucher herausgab. Das Notizheft, das ich nun zuhause an meinem Schreibtisch vorliegen habe, ist allerdings leer. Ich muss es demnach kurz vor dem Verlassen des Weinsalons mit jemandem vertauscht haben und kann somit nur aus meinem Gedächtnis und mit Hilfe von gemachten Fotos berichten. Was blieb also hängen?


Rodrigo Fernández von Casa Gualda (D.O. Ribera del Júcar) mit einem frisch-fruchtigen Tempranillo 2016. 

Bei den Rotweinen stellten jene aus der D.O. Ribera del Júcar eine interessante Entdeckung dar. Das 2002 proklamierte Weingebiet erstreckt sich auf einem Hochplateau südöstlich von Madrid in der Provinz Cuenca. Auf den steinigen Böden gedeihen unter anderem Tempranillo und insbesondere die autochthone Sorte Bobal. Aus dieser entstehen dichte, saftige Rotweine, von denen der Bobal 60’s 2014 aus über fünfzig Jahre alten Reben von Vega Moragona empfehlenswert ist. Richtig gut schmeckten mir aus Ribera del Júcar auch die Rotweine von Carolina Hernández vom Weingut Illana. Die einzeln ausgebauten Petit Verdot, Tempranillo und Bobal tragen allesamt eine weiche Handschrift und besitzen Tiefgang.

Nochmals weiter südöstlich liegt in Murcia die D.O. Jumilla, in der die großartigen Monastrell-Weine gekeltert werden. Auf dem Weinsalon gefielen mir jene von Bodegas Luzón am besten. Und da wir uns grade auf dem Südost-Drall befinden: Auch aus Alicante kommen vermehrt gute Weine, stellvertretend seien jene von Finca Collado und im Speziellen deren Plaer de Monastrell 2013 genannt. Neben einem kraftvollen Körper enthalten die Rotweine eine animierende Saftigkeit, die sie nicht plump erscheinen lässt, sondern im Gegenteil interessant zu trinken macht.

Alles gut also? Ganz zufrieden bin ich mit dem Weinsalon nicht. Das hat mit seiner Zusammensetzung zu tun. Sicher: Über achtzig Weingüter aus rund dreißig spanischen Anbaugebieten ist mehr als ich an einem Tag schaffen könnte. Trotzdem fehlte mir etwas: Weingüter aus Andalusien? Bis auf eines Fehlanzeige. Von den Kanarischen Inseln? Nichts. Aus Katalonien? Nur eines aus Penedes. Kein Priorat, Montsant, Terra Alta, Tarragona! Wirken sich die politischen Verwerfungen etwa schon auf die Weinwelt aus? Und da ich die galicischen Weißweine eingangs so gelobt habe: Die kommen aus der D.O. Rías Baixas, während so spannende Appellationen wie Ribeira Sacra, Ribeiro, Monterrei und Valdeorras alle nicht vertreten waren. Dafür gab es viel Rueda, Navarra, Ribera del Duero und am allermeisten Rioja.


Klasse! Eduardo Monge und Lorena Garbati von Viña Ane (Rioja).

Also dann eben Rioja. Großartig ist die Viña Ane-Kollektion des kleinen Weinguts Monge-Garbati. Sie wissen ja schon von meinem Missgeschick mit den Verkostungsnotizen. Diese könnte ich nun gut gebrauchen. Woran ich mich noch erinnere ist, dass ich deren Weine außergewöhnlich gut und vielschichtig fand. Mit weiteren Worten kann ich diese Aussage leider nicht unterlegen. Neben Rotweinen wie der „Autor 2013“ ist auch ein Weißwein aus über hundert Jahre alten Reben spannend. Grade einmal 0,5 Hektar davon sind im Besitz von Monge-Garbati. Der daraus gewonnene Viña Ane Centenaria ist eine Cuvée aus neun Rebsorten. Schon mal von Maturana und Turruntes gehört? Die sind unter anderem mit drin. Das Weingut Monge-Garbati trägt somit auch zu der für deutsche Weinkonsumenten fast unbemerkten Weinrevolution bei, die in ganz Spanien seit geraumer Zeit stattfindet. Vor allem kleinere Weingüter setzen wieder auf autochthone, lange vergessene Sorten und keltern daraus spannende Weine. In deutschen Supermarktregalen landen diese Weine freilich nicht, und selbst über den Fachhandel sind sie nur schwierig zu beziehen.

Abschließend ein weiterer kleiner Erzeuger aus Rioja. Von El Vino Prodigo hatte ich recht eindrucksvolle Rotweine im Glas, die sich elegant und komplex anfühlten. Das Weingut wurde 2014 von Pedro Peciña Gil und seiner Frau María Ruiz gegründet. Vier Weine keltern die beiden in Rioja Alta, darunter den Prodigus Venit aus über achtzig Jahre alten Tempranillo-Reben. Es lohnt sich gewiss dieses Weinprojekt im Auge zu behalten, mit Pedro tauschte ich mich angeregt aus und werde deren Entwicklung weiter verfolgen.

Nach dem Salon de las Estrellas begab ich mich noch ins Viertel La Latina in die dortige Weinbar El Tempranillo. Ein schick eingerichtetes Etablissement mit einem Bartresen, an dem man gerne sitzt und das Geschehen beobachtet. Blendet man die lächerlichen Preise und den lustlosen Service aus, so kann man sich hier richtig wohlfühlen. Da ich auf schlechte Bedienung allergisch reagiere, landete ich dann doch wieder (wie schon letztes Jahr) in Casa Gerardo bei Alfonso und Mario, meinem Lieblingsort für Wein und Käse in Madrid.


Pedro Peciña Gil, El Vino Prodigo, Rioja

Hinterlasse einen Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert