Cuatro Vientos – zwischen Sierra und Meer

Blick auf Weinberge von Cuatro Vientos in Richtung Mittelmeer

Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen, und ich verspürte den Drang nochmals eine Weintour in der Sierra de la Contraviesa zu unternehmen. Dieser karge, einsame, weitläufige Gebirgszug, der sich in der andalusischen Provinz Granada zwischen den schneebedeckten 3000er-Gipfeln der Sierra Nevada und der Costa Tropical genannten Mittelmeerküste erstreckt.

Sierra de la Contraviesa mit den bodegas Barranco Oscuro und Los Barrancos
In der Sierra de la Contraviesa: Blick auf die schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada und davor die zwei großartigen Weingüter Los Barrancos und Barranco Oscuro.

Die Sierra de la Contraviesa ist ein ganz besonderes Fleckchen Erde. Auf den Weinanbau bezogen heißt das konkret: mit bis zu 1400 m die höchsten Lagen Kontinentaleuropas; kalte Winter, heiße und extrem trockene Sommer; Schieferböden. Die Erträge sind gering, die Qualitäten hoch. Während in fruchtbareren D.O.-Regionen Spaniens die Winzer zwischen 5000 und 8000 Liter pro Hektar generieren, keltern die Weinmacher in der Sierra de la Contraviesa gerade einmal 2000 bis 3000 Liter aus einem Hektar. Dafür enthalten die Weine der Contraviesa in der Regel ergänzend zum kräftigen Körper eine saftige Säure (durch die Hochlage und kühle Sommernächte hervorgerufen) und eine schöne Mineralik (dank der Schieferböden). Die Weine sind dicht, tief und komplex. Auch der biologische Anbau wird durch das heiße, trockene Bergklima begünstigt. Naturgemäß gibt es weniger Schädlingsbefall als in einem feucht-milden Klima.

Blick auf Weinberge von Cuatro Vientos in Richtung Mittelmeer
Blick auf Weinlagen von Bodega Cuatro Vientos in Richtung Mittelmeer, das im Hintergrund leicht schimmert.

Die Weintour, die ich mit meinen Freunden Simon und Alison unternahm, führte uns zu Bodega Cuatro Vientos. Das Weingut ist in der Provinz Granada sehr bekannt. Zum einen, weil es bereits 1940 gegründet wurde und mit 35 Hektar Rebland und einer jährlichen Produktion von um die 85.000 Flaschen eines der Größten der Region ist. Zum anderen für seine Malafollá-Weine, die einen eher unansehnlichen, zerknautschen Typen auf dem Etikett zeigen. „Malafollá“ übersetzt sich wörtlich als „schlechter Fick“. In Granada wird damit aber eine unfreundliche, unangenehme Person bezeichnet. Dabei schmecken die Weine viel besser als man dem Namen nach vermuten sollte. Dazu später mehr.

Malafolla
Gar nicht so unfreundlich: Der Malafollá aus Granada.

Begrüßt werden wir bei unserer Ankunft von Alicia. Cuatro Vientos gehört vier Brüdern, sie hat einen davon geheiratet und kümmert sich um viele verschiedene Dinge, damit der Betrieb läuft. Dem Weingut angegliedert sind ein Restaurant, ein Café mit Shop und ein Museum, das althergebrachte Werkzeuge, Maschinen und Techniken des Weinanbaus und der Weinherstellung präsentiert. Mit diesem Rundum-Paket aus modern ausgestattetem Weingut, historischem Museum und kulinarischer Versorgung richtet sich Cuatro Vientos an den Bedürfnissen eines stets wachsenden Weintourismus aus, der mittlerweile selbst die abgelegene Sierra de la Contraviesa erfasst hat.

Alicia, Cuatro Vientos
Alicia schenkt uns hier eine Weißwein-Cuvée aus der autochthonen Vijiriega und Chardonnay ein.

Rund eine Stunde führt uns Alicia durch die großzügigen Räumlichkeiten von Weingut und Museum, ehe wir uns an die Degustation machen. Wir probieren die Weine aus der Serie „Marqués de la Contraviesa“, der Premium-Marke von Cuatro Vientos. Im Weingutsverkauf liegen sie bei acht bis elf Euro die Flasche. Der 2015er Weißwein aus Chardonnay und der autochthonen Vijiriega lässt sogleich eine straffe Säure und kernige Struktur erkennen. Er ist sehr sauber im Geschmack und saftig. Kein Fruchtdrops, sondern eher zartfruchtig und säurebetont, was mir gut gefällt und typisch für die Weißweine der Sierra de la Contraviesa ist.

Sortentypisch und klar in ihren Aromen kommen auch die reinsortigen Rotweine daher. Da wäre als erstes der elegante Syrah (Crianza 2012) zu nennen. Sein dichter Körper und seine weichen Gerbstoffe harmonieren prächtig. In der Nase und am Gaumen zeigen sich reife, rote Früchte. Der folgende Cabernet Sauvignon (Crianza 2012) ist ein völlig anderer Tropfen, er offenbart typische vegetabile Noten von grüner Paprika und Spargel – ein einwandfrei gemachter Wein. Den Abschluss dieser ersten Verkostungsrunde bildet die Cuvée aus Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon, Tempranillo, Merlot und Syrah. Ebenfalls eine Crainza von 2012 mit zwölf Monaten Ausbau in Barriques aus französischer und amerikanischer Eiche. Alicia bezeichnet den Wein als „Flaggschiff“ des Weinguts, und ja, er ist breit angelegt: muskulös, aber nicht fett; frisch und saftig; komplex und mit einer feinen Würze unterlegt.

mit Francisco Molina von Cuatro Vientos
Im Gespräch mit Francisco „Paco“ Molina, dem Önologen von Cuatro Vientos.

Im Anschluss übergab uns Alicia für die Fachfragen an Francisco Molina, den verantwortlichen Weinmacher, mit dem wir die folgende Stunde verbringen sollten. Zuerst tauschten wir uns über ein paar generelle Dinge aus, um die es bei so gut wie jedem Gespräch zur Weinherstellung geht: Alter der Reben, Beschaffenheit der Böden, Klima, angewandte Methoden des Weinanbaus und des Ausbaus im Keller.

Die Reben wachsen bei Cuatro Vientos auf einer durchschnittlichen Höhe von 1100 m. ü. NHN. Die höchsten Weinberge liegen auf 1270 Metern. Im äußersten Süden Spaniens ist diese Hochlage von wichtiger Bedeutung, denn sie sorgt für kühle Sommernächte, in denen die Beeren ihre Zuckerproduktion herunterfahren und stattdessen Säure und Tannine natürlich herausbilden – die Voraussetzung für ausbalancierte, hochwertige Trauben. Sind diese im Herbst gelesen, so werden sie bei Cuatro Vientos spontanvergoren, also ohne Zugabe von Reinzuchthefen.

Über Wein reden macht freilich durstig, und so lädt uns Paco dazu ein, die noch nicht abgefüllten 2017er-Weine aus dem Stahltank zu verkosten. Also schnell ab in den Keller.

Mit Francisco Molina im Keller
Für mich immer ein Höhepunkt: den neuesten, noch nicht abgefüllten Jahrgang aus dem Tank zu verkosten.

Wir probieren den Pinot Noir 2017, der in Kombination mit Merlot zu einem Naturwein ausgebaut wird. Biologischer Anbau, Spontanvergärung und der Verzicht auf jedwede Zugabe von Schwefel charakterisieren den Wein. Wow! Welche Frische, welche Eleganz, welche Kraft zeigt sich da in meinem Glas. Bis es soweit ist, dass der Wein abgefüllt wird, dürften noch mindestens zwei Jahre vergehen – ich kann es jetzt schon kaum erwarten.

Von den einzeln ausgebauten Sorten des Jahrgangs 2017, die wir in der Folge probieren, sticht ganz besonders der Garnacha heraus. Kühl, aromatisch, dicht, intensiv – diese Rebe erscheint mir wie geschaffen für die Hochlagen und schieferhaltigen Böden der Sierra de la Contraviesa. Fantastisches Potenzial, und es bleibt abzuwarten wie dieser Garnacha 2017 schmeckt, wenn er in ein paar Jahren abgefüllt ist. Meine Erwartungen sind hoch.

Francisco Molina, Cuatro Vientos
Francisco Molina in seinem Büro und Labor.

Abschließend führte uns Paco in sein Büro und Labor. Hier analysiert er die Weine auf Alkohol- und Schwefelgehalt, auf Säurewerte und andere Parameter. Darüber hinaus unternimmt er verschiedene Tests, zum Beispiel bezüglich der Stabilisierung und Schönung. Bei dieser werden Trubteile aus dem Wein entfernt. Während es hierfür allgemein üblich ist frisch geschlagenes Eiweiß oder Gelatine zu verwenden, welche die Trubpartikel binden und am Boden absetzen, verwendet Paco bei der Schönung ein speziell zubereitetes Kichererbsenmehl. Vom Eiweiß ist er wegen der zunehmend hohen Allergikerrate abgekommen. Veganer Wein? Genau genommen ja. Aber das sagt jetzt nicht Paco, sondern das ist meine deutsche Deutung. In Spanien ist Veganismus nämlich so gut wie nicht existent. Sollte es allerdings unter den Lesern dieses Blogs Veganer geben, dann rasch die Weine von Cuatro Vientos trinken. Für alle anderen gilt das sowieso und ebenso.


Link zum Weingut: www.bodegacuatrovientos.es
Alle Fotos in diesem Beitrag von © Simon Roth.

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