Jahresrückblick 2017 – Was bleibt, sind die Leute

Weinflaschen 2017

Ups. Silvestertag und noch keinen Jahresrückblick 2017 erstellt. Dann mal schnell los. Aber wie schreibt man so ein Ding eigentlich? Nach Rubriken vielleicht? Der interessanteste Winzer, das spannendste Weingut, die spektakulärste Weinlage, der beste Weiß-, Rot, Rosé-, Schaum- und Süßwein, die mir 2017 begegnet sind? Laaaangweilig!!!

Oder soll ich mich selbst loben? Wie fantastisch 2017 alles gelaufen ist, welche großartigen Momente und Entdeckungen ich in Spanien gemacht habe und ich immer mehr Leser und Leserinnen und Abonnenten für meinen Blog – auch auf Facebook – generiere? Gääääähn!!!

Hmh, vielleicht schreibe ich einfach mal darüber, warum ich das überhaupt mache und mit welchem Antrieb. Und danach räume ich meinen Arbeitsplatz auf, der vor leeren Weinflaschen, die sich das Jahr über angesammelt haben, geradezu überquillt.

Antrieb 1: Leidenschaft! Klingt super. Alle Blogger machen immer alles aus Leidenschaft, und meine Leidenschaft für Wein ist groß. Ich interessiere mich wirklich für die Leute, Landschaften und Geschichten, die hinter den jeweiligen Weinen stecken. Und ich trink den Stoff auch liebend gern.

Antrieb 2: Anerkennung! Dafür bin ich wirklich dankbar, dass es Leute wie Sie gibt – liebe Leser und Leserinnen -, die offenbar lesen, was ich schreibe. Allein schon dafür, dass Sie anscheinend interessant finden, was ich von mir gebe und es Ihnen vielleicht sogar gefällt, wünsche ich Ihnen ein rundum gutes Jahr 2018!

Antrieb 3: Geld! Jetzt wird’s kompliziert. Denn über Geld spricht man in Bloggerkreisen nicht so gerne. Man macht ja alles – siehe Antrieb 1 – aus Leidenschaft. Aaargh, nun wo ich das Thema Geld erwähnt habe, komme ich aus der Nummer wohl nicht mehr raus. Also ganz ehrlich: Ich habe mit meinem Blog im Jahr 2017 indirekt 1.625 Euro verdient. Das ist lächerlich wenig. Wird aber trotzdem alles versteuert, eine Anzeige beim Finanzamt bringt also nichts, will ich nur erwähnen, sollte es auch mir weniger wohlgesonnene Leser und Leserinnen geben.

Ich habe beim Verdienst das Wort „indirekt“ verwendet, weil kein Artikel, den ich auf meinem Blog verfasst habe in irgendeiner Form bezahlt oder in Auftrag gegeben wurde. Ich mache alles, wie ich will, und ich schreibe, wie ich will. Das war 2017 so und wird auch 2018 so sein. Für viele Beiträge besuche ich Winzer und Weingüter vor Ort und berichte über meine Eindrücke. Für die Führungen und Verkostungen im Weingut bezahle ich nichts, da erhalte ich in der Regel eine individuelle und privilegierte Behandlung. Meist nehme ich nach der Weingutsvisite mehrere Weine mit nach Hause, um sie dort nachzuverkosten. Für diese Flaschen bezahle ich den regulären Preis. Manchmal gibt mir ein Winzer zu meinem Einkauf noch ein oder zwei Flaschen gratis mit auf den Weg. Das war’s. Die Artikel werden von mir nicht zum Gegenlesen bereit gestellt – würde eh nichts bringen, da meine spanischen Gegenüber kein Deutsch verstehen und Google Translator nichts taugt -, sondern nach Fertigstellung allein von mir veröffentlicht.

Pago de Saltamontes, La Seca
Im Pago de Saltamontes, La Seca, D.O. Rueda, mit über 150 Jahre alten Rebstöcken.

Abgesehen davon habe ich 2017 an einer dreitägigen Pressereise durch die Anbauregion Rueda teilgenommen. Diese wurde von einer Hamburger PR-Agentur organisiert und von der D.O. Rueda gesponsert. Anreise, Hotel und diverse Mahlzeiten konnte ich kostenfrei in Anspruch nehmen. Das war toll, weil ich sonst für meine Reisen immer selbst bezahle. Eine schöne Abwechslung war es zudem, in der Gruppe unterwegs zu sein: Im Austausch mit Pressekollegen vom Vinum Weinguide oder von Falstaff lernt man etwas dazu. Seitens der veranstaltenden PR-Agentur gab es nie den Hauch einer Einflussnahme, beispielsweise wie oft, worüber oder wie ich etwas zu schreiben habe. Ich blieb immer unabhängig und frei in dem, was ich berichten wollte. Der Grund, warum ich im Herbst 2017 so viel über Rueda auf diesem Blog und auf Facebook geschrieben habe, liegt schlicht daran, dass ich die Weine großartig fand und es aus meiner Sicht gute Geschichten und Hintergründe über sie zu erzählen gab.

Was gab’s sonst noch umsonst? Einmal hatte ich ein Telefoninterview mit dem netten Marketingleiter von Bodegas Baigorri (Rioja), der zufällig sogar Deutscher ist. Den Artikel über „Weinarchitektur im Rioja“ hatte ich praktisch schon in der Röhre, er wollte mir am Ende unseres Telefonats aber noch einen Karton Wein zum Probieren zukommen lassen. Dieses Angebot nahm ich freilich gerne an und daraus entstand dann ein Artikel nicht nur über die Architektur von Baigorri, sondern auch deren Weine. Aus Mallorca wurde mir auf meine Bitte hin von Vins Nadal ebenfalls ein Gratis-Weinpaket für einen Beitrag zugesendet, weil die Zeit und das Kleingeld für einen Besuch vor Ort fehlten. Mein Text blieb aber stets frei, es wurde nie eine Gegenleistung erwartet, außer dass ich einen Artikel schreibe, den ich eh vorhatte zu verfassen. Last but not least, war ich Teilnehmer des „Social Sherry Tasting“ im Frühjahr. Da erhielt ich von einer Stuttgarter PR-Agentur eine Box mit sechs Sherrys von staubtrocken (Fino, Manzanilla) bis sirupartig süß (PX) und sollte meine Erlebnisse mit den Weinen festhalten und über Soziale Medien kommunizieren. Habe ich auf Facebook und diesem Blog gerne gemacht und dabei viel über Sherry gelernt. Auch hier blieb immer alles freiwillig und ohne inhaltliche Vorgaben.

Sherrys von Oloroso bis PX
Für mich eine Entdeckung: süße Sherrys von Oloroso bis PX

Sie merken an meinen kleinteiligen, fast schon pingeligen Ausführungen vielleicht, dass es sich beim Bloggen viel um Glaubwürdigkeit dreht. Authentizität, Unabhängigkeit und Ehrlichkeit sind wichtige Faktoren in einer Welt, die den herkömmlichen Medien immer mehr misstraut. Teilweise ist dieses Misstrauen auch gerechtfertigt: Lassen wir einmal einige seriöse Leitmedien außen vor, so tummeln sich in deren Schatten zahlreiche Lifestyle-, Reise- oder Food-Medien, die (sogenannte) redaktionelle Leistungen (fast) nur noch gegen Geldleistungen oder Barter-Deals erbringen und dies zumeist nicht einmal als Werbung kennzeichnen. Auch die Bloggerszene hat dieses zweifelhafte Gebaren längst erfasst.

Bleiben wir bei diesem Jahresrückblick noch kurz beim Thema Geld und meinem „indirekten“ Salär. Die klägliche Summe, die ich zuvor als mein Blogger-Jahreseinkommen 2017 nannte, stammt von Weinverkostungen, die ich moderiere und von Weintouren, die ich anbiete. Die Leute, die bei mir eine Tour oder Verkostung buchen, finden mich fast ausschließlich über meinen Blog. Das sind Touristen, die nach Andalusien kommen und über Google bestimmte Suchbegriffe eingeben. Da ich wöchentlich auf meinem Blog publiziere und ein paar SEO-Regeln beachte, stoßen sie auf mich. Bisher beliefen sich meine Angebote nur auf Tagestouren für kleinere Gruppen oder Paare. Jetzt aber will ich wachsen, im Jahr 2018 biete ich verschiedene fünftägige Weinreisen ins Sherry-Gebiet, in die Serrania de Ronda und durch die Provinz Granada für Gruppen ab acht Personen an. Mal schaun wie’s läuft. Wenn ich von so etwas wie einem „Geschäftsmodell“ sprechen kann, dann hilft mein Blog diese Touren zu promoten. Den Blog selbst – das bedeutet mir viel – will ich inhaltlich unabhängig halten. Das heißt konkret: keine Anzeigen, keine bezahlten Links, keine Affiliate-Programme, keine bezahlten Produktvorstellungen, etc.

Nun, wo ich so vor mich hin schreibe und das Jahr 2017 in wenigen Stunden reflektiere (für mehr bleibt selbst in der abgelegenen andalusischen Alpujarra keine Zeit), merke ich, dass es gar nicht so sehr bestimmte Weine sind, die mir in Erinnerung geblieben sind, sondern vor allem die Menschen, die ich über das Thema und meinen Blog kennengelernt habe: Rosa Pascual von Envinados, Miguel Maldonado von Rambla Huarea, Manuel Valenzuela von Barranco Oscuro, Friedrich Schatz von Bodegas F. Schatz, Juan Palomar von Veleta Wine, Pelayo Garcia Vergara von Delgado Zuleta, Flavio Salesi von Descalzos Viejos, Andy und Alison McLeod von Celler Alimara, Alberto und Antonio Garcia von Garcia de Verdevique oder Alfonso und Mario aus der Weinbar Casa Gerardo in Madrid, um nur ein paar davon zu nennen. Und mit Peter Hilgard und Isabel del Olmo von Los Barrancos sowie Dick und Nelleke von Granada Wijnen ist sogar eine Freundschaft entstanden. Vergessen wir also am besten die mickrigen Einnahmen und sind wir einfach dankbar dafür, dass wir leben. 2018 kann kommen!

Paella mit den Erntehelfern von Rambla Huarea
Nach der Weinlese bei Rambla Huarea, mit Miguel Maldonado im August.

8 Kommentare

  1. Hallo Herr Götz,

    auch Ihnen ein gesundes und zufriedenes neues Jahr. Seit einigen Monaten lese ich in Ihrem Blog. Finde ihn interessant, kurzweilig, undogmatisch, ganz einfach unterhaltsam. Man kann immer etwas dazu lernen. Einziges Manko: viele der von Ihnen verkosteten und besprochenen Weine sind hier in Deutschland leider nicht erhältlich. Bei dem einen oder anderen Wein hätte mich eine Probeflasche schon gejuckt…

    viele Grüße und weiter viel Erfolg
    Werner

    1. Hallo Herr Lichtenberger, vielen Dank für Ihren Kommentar und das positive Feedback. Es freut mich, wenn Sie gerne auf meinem Blog lesen. Und ja, leider sind viele der Weingüter und Weine, über die ich schreibe, in Deutschland schwer oder gar nicht zu beziehen, was wohl hauptsächlich daran liegt, dass viele der Bodegas klein sind und in der Regel auf eine Produktion von weniger als 30.000 Flaschen im Jahr kommen.
      Ich werde Ihren freundlichen Kommentar aber zum Anlass nehmen, zukünftig – ergänzend zu meinen Beiträgen – nach Bezugsquellen in Deutschland zu recherchieren. Und falls ich da auf welche stoßen sollte, werde ich den Weinhändler am Ende des Artikels mit angeben.

      Mit besten Grüßen
      Thomas Götz

      1. Hallo Herr Lichtenberger,

        vielleicht ein Tipp: https://www.decantalo.com/de/ ist ein Spanien ansässiger Onlinehändler, der auch den deutschen Markt beliefert. Ich muss zugeben, dass ich noch nicht alluviel dort bestellt habe, jedoch bei Recherchen dort einige Weine gefunden habe, die ich bei hiesigen Händler nicht gesehen habe. Vielleicht lohnt da ein Blick.

  2. Danke für den tollen und ehrlichen Jahresrückblick.

    Ich lese das Blog erst seit 2017, bin immer gern hier und lerne gerade hier eine Menge über spanische Weine und ihre Regionen dazu. Zuweilen nutze ich das Blog mittlerweile auch als Nachschlagewerk 😉

    An dieser Stelle noch eine kleine Verknüpfung, die du vielleicht aufgreifen kannst: Mit der Bodegas Baigorri hatte ich in den letzten zwei Jahren unheimlich viel Spaß. 2016 als Abchluss einer Weintour durch das Rioja und Ribera del Duero mit eher geringen Erwartungen dort gelandet, hat sich das unkonventionelle Weingut so sehr in mein Herz gespielt, dass ich es gleich danach noch zwei weitere Mal besucht habe und seitdem sehr viel Geld da gelassen habe.

    Aber das ist noch nicht alles: Mit Matthias, den du erwähnst, habe ich gleich mehrere Podcast-Folgen aufgezeichnet. Im unserem Podcast „Schöne Ecken“ geht es um Stadtkultur, Architektur und Lukullisches, also alles was das Leben lebenswert macht. Rund um Architektur und Wein gibt es zwei Episoden, in denen Matthias als Gast in Teilen mit dabei ist:

    https://schoene-ecken.de/2016/06/23/se-133-spanien-la-rioja-architektur-und-wein-teil-2/
    https://schoene-ecken.de/2016/06/09/se-132-spanien-la-rioja-wein-teil-1/

    Auch ganz aktuell gibt es zwei Folgen mit Matthias aus Auftakt einer umfangreichen Podcastreihe durch das Baskenland. Mehr auf http://schoene-ecken.de

    Vielleicht hast du mal Lust, rein zu hören?

    1. Hallo Cornelis,

      vielen Dank für deinen Kommentar, das freut mich, wenn dir die Infos auf dem Blog ab und an nützlich sind.

      Ich habe mir grade deine Rioja-Podcasts angehört. Gefallen mir sehr gut, da kann ich viel über Architektur und Perspektiven darauf lernen. Auch die Hintergründe zum Weintourismus sind interessant.

      PS: Der Zaha-Hadid-Anbau für López de Heredia in Haro stellt in der Form einen Dekanter dar.

      Beste Grüße
      Thomas

  3. Hallo Herr Götz,

    Sie scheinen wirklich ein spannendes Jahr erlebt zu haben. 🙂
    Ich informiere mich zurzeit über mallorquinische Weine, habe aber selber noch nie einen getestet. In einem Artikel (https://www.marcelremusrealestate.com/blog/artikel/wein-in-mallorca-die-weingbebiete-binissalem-und-felanitx/) habe ich was über die Weinregionen Binissalem und Felanitx gelesen.
    Haben Sie vielleicht schon Erfahrungen mit Weinen aus diesen Regionen machen können?

    Viele Grüße
    Leon Bender

    1. Hallo Herr Bender,
      Danke für den Kommentar und die Nachfrage. Mallorquinische Weine habe ich hier und da mal auf Weinmessen verkostet, z. B. sind mir die vom Weingut Binigrau in Erinnerung geblieben, die fand ich recht gut. Auf meinem Blog habe ich bislang einen Artikel über die Weine von Vins Nadal – Albaflor auf Mallorca verfasst: https://spaniens-weinwelten.com/2017/08/17/mallorca-vins-nadal-albaflor/
      Ansonsten sind meine Kenntnisse zu Weinen aus Mallorca doch eher begrenzt.

      Mit besten Grüßen
      Thomas Götz

Hinterlasse einen Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert