Die Osterwoche war für mich in Andalusien eine pure Tasting-Woche. Etliche Freunde kamen zu Besuch, und meistens organisierte ich rund um unser Zusammensein eine mehr oder weniger große Weinprobe. So auch mit meinen Londoner Freunden Alison und Simon, die im Nachbarort Mecinilla ein Haus besitzen, wo sie gelegentlich vorbeischauen. Als Gäste mit dabei hatten Alison und Simon wiederum ihre Londoner Freundinnen Hilary und Marcia.
Als Motto unserer fünf spanische Weißweine umfassenden Verkostung hatte ich mir ausgedacht, Tropfen aus entweder weniger bekannten Weinregionen oder Rebsorten zu servieren. Die Anbaugebiete Rioja, Ribera del Duero und Rueda kennt natürlich so gut wie jeder Weinliebhaber, dasselbe gilt für spanische Vorzeigesorten wie Tempranillo, Verdejo und Albariño. Aber wie verhält es sich zum Beispiel mit einem Weißwein aus den Reben Hondarribi Zuri und Hondarribi Beltza aus dem Weingebiet D.O. Getariako Txakolina? Bei diesen Zungenbrechern spitzen vielleicht selbst ein paar Weinkenner noch die Ohren.
Den besagten Weißwein aus dem Baskenland, Jahrgang 2017, kredenze ich meinen Gästen zuerst. Die Lagen des erzeugenden Weinguts Txomin Etxaniz befinden sich direkt am Atlantik, sie sind entsprechend häufigen Niederschlägen und starken Winden ausgesetzt. Was unter diesem klimatischen Einfluss entsteht, ist ein spritziger trockener Weißwein mit niedrigen 11% Vol., der so gar nicht dem Klischee eines dichten, sonnenverwöhnten spanischen Weins entsprechen will und der unserer Runde ausnahmslos gefällt, bei Marcia sogar auf Begeisterung stößt und für mein Empfinden einen großartigen Sommerwein darstellt.
Als zweites gieße ich einen Wein aus Sauvignon Blanc ins Glas. „Sauvignon Blanc und weniger bekannt?“, mögen Sie nun zurecht kritisch fragen. Der Weißwein stammt aus der Extremadura. In dieser Region im Südwesten Spaniens an der Grenze zu Portugal werden zwar einige exzellente Weine gekeltert, insgesamt ist die Extremadura aber doch fast ausschließlich bekannt für die landschaftsprägenden Korkeichenwälder (Dehesa) und den dort weidenden Ibérico-Schweinen, von denen der berühmte Schinken Jamón Ibérico kommt.
Vermutlich das bekannteste Weingut der Extremadura ist Bodegas Habla. 200 Hektar Rebland, eine hochmoderne, architektonisch avantgardistische Weinkellerei und vornehmlich Rotweine im Preissegment von 6 Euro bis 300 Euro je Flasche zeugen von der Größe und Reputation des Erzeugers. Den bereits erwähnten Sauvignon Blanc 2016 „Habla de ti“ gibt es für zwölf Euro zu haben. Er ist frisch, fruchtig und schön zu trinken. Der Weißwein kommt in unserer Runde gut an, ist für meinen Geschmack aber auch nicht mehr als „schön“. Ein Tipp am Rande: Der preisgleiche Rotwein „Habla del Silencio“ aus Syrah, Cabernet Sauvignon, Tempranillo, Cabernet Franc ist besser und interessanter.
Spannender als der Sauvignon Blanc von Habla schmeckt der Gewürztraminer „Suerte del Rey 2015“ von Bodegas Pena del Valle. Das Weingut ist ebenfalls in der Extremadura ansässig und bewirtschaftet dort stolze 200 Hektar Weinberge. Angesichts des südspanischen Terroirs für mich überraschend, zeigt der Suerte del Rey 2015 die typischen Eigenschaften eines Gewürztraminers, wie wir sie beispielsweise aus dem Ursprungsort Tramin in Norditalien kennen: goldgelbe Farbe, kräftiger Körper, aromatisch komplex, zugleich trocken und mit einer dezenten Süße. Mit 12% Vol. verfügt der Suerte del Rey über einen relativ niedrigen Alkoholgehalt und ferner mit 8 Euro über ein klasse Preis-Leistungs-Verhältnis.
Gewürztraminer spielt im spanischen Weinanbau eigentlich nur in der D.O. Somontano, ganz im Norden in Aragon am Rande der Pyrenäen, eine gewichtige Rolle. Ansonsten fristet die Sorte in Spanien ein Schattendasein. Umso schöner, dass Bodegas Pena del Valle mit diesem Wein zeigt, dass die Rebe auch in der Extremadura bestens gelingen kann.
Die Verkostung schreitet weiter mit einem trockenen Moscatel de Alejandriá aus der Axarquia, einer Bergregion im Hinterland der Costa del Sol, die zum Anbaugebiet D.O. Sierras de Málaga gehört. Hier zeigt sich unsere Runde erstmals uneinig in der Bewertung. Der „Ariyanas Seco 2016“ von Bodegas Bentomiz überzeugt Hilary nicht so ganz, ich glaube sie sagte, er schmecke ihr etwas zu streng. Damit liegt sie nicht falsch, ich würde es nur anders ausdrücken: Was Hilary als streng bezeichnet, sind Hefe- und Brotaromen, die der acht Monate auf der Feinhefe liegende Weißwein entwickelt. Sie geben seinem Körper etwas „Schmackes“, wie man umgangssprachlich sagen könnte. Moscatel de Alejandría ist normalerweise eine Sorte, die sich äußerst fruchtig in der Nase zeigt: Ananas, Mango oder Maracuja kommen im Duft gerne vor. Am Gaumen hinterlassen einige Moscatel, abgesehen von einer frischen Säure, dann nicht immer den nachhaltigsten Eindruck. Dies kann man von diesem komplexen Moscatel mit einem langen Finish allerdings nicht behaupten. Mein Favorit unter den trockenen, von uns verkosteten Weinen.
Den Abschluss bildet ein natürlicher Süßwein, ebenfalls aus der Axarquia, ebenfalls reinsortig aus Moscatel de Alejandría: Typisch für diese andalusische Region, werden die Trauben für den „Jarel Naturalmente Dulce“ von Bodegas Almijara nach der Ernte für mehrere Tage in der Sonne ausgelegt (bei diesem Süßwein sind es acht Tage). Durch die Sonneneinwirkung verlieren die Beeren an Wasser, während Fruchtzucker und Säure erhalten bleiben. Nachts werden die Trauben mit Planen abgedeckt, um sie vor Feuchtigkeit zu schützen. Tagsüber werden die Planen wieder abgezogen. Je länger die Beeren in der Sonne „rosinieren“, umso süßer werden sie. Aus den süßen Trauben bzw. Rosinen können entsprechend natürliche Süßweine erzeugt werden. Der von uns probierte Jahrgang 2016 ist eine echte Gaumenfreude, er duftet nach Honig und reifen süßen Früchten und gibt am Gaumen zugleich eine frische saftige Säure zu erkennen.
Ich bin noch nicht auf meine Eingangsfrage „Gibt es exotische Weine?“ zu sprechen gekommen. Hondarribi Zuri, Axarquia, Moscatel de Alejandría, Extremadura, Getariako Txakolina: Solche Weinreben und Regionen klingen für manche Ohren sicher ungewöhnlich und evtl. auch exotisch. Sind sie aber natürlich nicht. Alle im Rahmen unserer Verkostung beschriebenen Weingüter, Sorten und Gebiete werden in den einschlägigen spanischen Weinführern vorgestellt und von der einschlägigen Weinkritik besprochen und zumeist hoch bewertet. Von Geheimtipps, Exoten oder Entdeckungen kann man diesbezüglich wirklich nicht sprechen. Es handelt sich durchweg um Qualitätsweine. Schade finde ich, dass die deutsche Wahrnehmung spanischer Weine auf ein paar wenige Appellationen begrenzt zu sein scheint. Klammern wir eine Minderheit von Weinexperten aus, so höre ich im Gespräch mit deutschen Weinhändlern immer wieder, dass der „normale“ Weinliebhaber größtenteils nach Rioja und Navarra verlangt. Nichts gegen diese Anbaugebiete, fantastische Weine, aber Spanien hat viel mehr zu bieten, das hat diese kleine Verkostung im Freundeskreis mal wieder gezeigt.