Der Duden definiert Blog als „tagebuchartig geführte Webseite“. In diesem Sinne verstehe ich meinen Blog Spaniens Weinwelten ebenfalls. Weniger als eine Plattform für Weinkritik und News aus der Weinszene, sondern vielmehr als ein Online-Tagebuch, in dem Leser verfolgen können, was ich gerade in Sachen spanischer Wein so unternehme und entdecke.
Vergangenes Wochenende war ich mittlerweile das dritte Jahr in Folge bei der Weinernte von Juan Esteban im kleinen andalusischen Bergdorf Mecina-Fondales mit dabei. Juan keltert den für die Alpujarra-Region typischen „Vino de Costa“ – ein Rosado, der jung getrunken wird und für den Sorten wie Jaén Blanco, Jaén Negro, Vijiriega und Tempranillo zusammen gelesen und zusammen vergoren werden. In etwa so wie beim Gemischten Satz aus Wien.
Hohe Weinberge nah am Mittelmeer
Dass der Vino de Costa – zu deutsch „Küstenwein“ – in den Bergen der Alpujarra entsteht, klingt dem Namen nach wie ein Widerspruch. Aber die verschiedenen Sierras südlich der Provinzhauptstadt Granada liegen nah an der Mittelmeerküste, bzw. ihre Ausläufer reichen sogar direkt ans Meer heran. Trotz dieser Nähe zum Meer wird Wein teils auf über 1400 m.ü.NN angebaut, das ist europäische Spitze.
In der Alpujarra herrscht folglich ein mediterranes Bergklima mit trockenen heißen Sommern und in den Höhenlagen teils empfindlich kalten Wintern. In Kombination mit den hauptsächlich vorkommenden Schieferböden stellt dieses Terroir gewiss kein schlechter Standort für den Weinanbau dar, und tatsächlich zeigen Weingüter wie Barranco Oscuro, Garcia de Verdevique oder Los Barrancos, dass die Region ein Potenzial für exzellente und charaktervolle Weine besitzt.
Costa – ein kräftiger Rosado aus roten und weißen Rebsorten
Der „Costa“, wie hier jeder sagt, ist kein so ein exzellenter Wein. Charakter hat der Typ aber schon. Ein wenig grob und ungehobelt kommt er manchmal daher, aber zugleich herzlich und herzhaft. Er ist der Wein der einfachen Leute. Kein Lifestyle, sondern Alltagskultur. Keine Szene, sondern Tradition. Kein Wein, mit dem sich Kritiker beschäftigen würden. Schließlich handelt es sich um einen jung getrunkenen Roséwein, der nur wenige Wochen im Keller ausgebaut wird. So etwas wie Ertragsreduzierung im Weinberg oder das Auslesen von schlechten Trauben bei der Ernte gibt es darüber hinaus nicht. Alles was nach Beere aussieht, wird von den „Alpujarreños“, so nennt man die lokalen Bewohner, zu Wein verarbeitet.
Die Einheimischen keltern den Costa zumeist für den Eigengebrauch, was typisch für die Gegend ist: Bis in die 1970er Jahre war die Alpujarra eine der abgelegensten und ärmsten Regionen Spaniens und Europas. Jene Familien, die nicht wegzogen – zum Beispiel nach Deutschland, um im Straßenbau oder in Fabriken ihr Geld zu verdienen – lebten einzig von der Landwirtschaft (Mandeln, Oliven, Gemüse, Obst). Sie waren fast ausschließlich Selbstversorger, auch beim Wein. In diesem Kontext entstand der Costa: ein von einfachen Bauern zum Eigenkonsum erzeugtes alkoholisches Getränk.
Und am Mittag wie hier Juan Esteban …
Es gibt in manchen Tavernen der Alpujarra bis heute entsetzlichen hausgemachten Costa, der mich in Gänsehaut erschauern lässt. Es gibt aber auch guten Costa, den ich gerne trinke, zum Beispiel jenen von Juan Esteban. Kräftig, mit sauberen Aromen und einer säurebetonten Struktur zeigt er sich. Obwohl die Alpujarra im äußersten Süden Spaniens liegt, enthalten die Weine aus der Region zumeist eine prima Säure, die ihnen Frische und Saftigkeit verleiht. Der Grund hierfür sind die besagten Höhenlagen, die auch im heißen Sommer in den Nächten für Abkühlung sorgen.
Juan, der eigentlich Bauarbeiter ist, hat sich mehrere Edelstahltanks zur Vergärung und für den Ausbau seines Weins angeschafft, die er in einer kleinen Garage aufgestellt hat. Die Trauben erntet er aus zwei Weinparzellen, die auf über 1100 m Höhe liegen und zusammen etwa 2,5 Hektar groß sein dürften. Einen Weinberg hat Juan selbst gepflanzt. Die Reben sind etwas über 20 Jahre alt und hören auf Namen wie Jaén Blanco, Jaén Negro und Montua. Auch Stöcke der bekannteren Tempranillo-Traube finden sich in dem Mischsatz.
Den zweiten Rebengarten hat noch Juans Vater angelegt. In diesem kommen die Reben auf ein Alter von über 40 Jahren, ebenfalls ist es ein Mix aus verschiedenen weißen und roten lokalen Varietäten. Um die 2.000 Liter Wein produziert Juan jährlich aus dem Lesegut. Etwas zu viel für sich allein, und so gelangt sein Costa als Bag-in-Box für 1,60 Euro je Liter auf den Markt und zum Ausschank in lokalen Tavernen.
Nach der diesjährigen Weinlese trafen wir uns wie schon vergangenes Jahr zur zünftigen Brotzeit im Hof von Juans Vater Ramon. Dazu gab es einen Rotwein aus einer Bag-in-Box, der saftig und rund und richtig gut schmeckte. „Von wem ist der Wein?“ frage ich Ramon. „Der ist von mir“, entgegnet er zu meinem Erstaunen. „Ich habe hier ein paar Reben Cabernet Sauvignon und Jaén Negro, daraus mache ich ihn.“ Wie sich im Gespräch herausstellt, keltert Ramon einen astreinen Naturwein ohne jegliche Zugaben wie Schwefel, Zuchthefen, Aufsäuerung, etc. Nicht weil Naturwein grade im Trend liegt, sondern weil er Wein schon sein ganzes Leben lang so gemacht hat, wie er sagt. Der Ertrag – mal wieder typisch Alpujarra – leider nur 200 Liter und somit einzig für den Eigengebrauch.
Cabernet Sauvignon und Jaén Negro für den Naturwein von Ramon.
Und hier der Weinkeller von Ramon.
Und hier im Keller von Juan, wo der Costa entsteht. Ein Garagenwein im wahrsten Sinne des Worts.
Jedes Jahr ist freilich anders. So sah Juans Costa 2017 aus. Ein Rosé, der farblich stark ins Rote geht. Mit Schmackes eben.