Victoria Ordóñez und Pedro Ximénez, das passt! Erstere, die Weinmacherin, versteht es aus Letzterer, der Rebsorte, hochfeine Weine zu erzeugen. Es handelt sich hierbei um trockene Weißweine, was erstaunen mag, denn hauptsächlich verwenden andalusische Winzer die Sorte Pedro Ximénez für Süßweine.
Erstmals besuchte ich Victoria Ordóñez im vergangenen März in ihrer Kellerei in einem Industriegebiet in der Stadt Málaga. Danach traf ich sie im Mai auf einer Weinmesse Fenavin wieder. Nun war ich endlich auch mit der Winzerin in den Montes de Málaga, dem Hinterland der gleichnamigen Hafenstadt, in ihren Weinbergen unterwegs. Mit dabei unsere gemeinsame Freundin Una, Victorias Mitarbeiterin Maria und zwei Paare aus Belgien. Es war ein fantastischer Tag in einem einmaligen Terroir.
Montes de Málaga – Böden ohne Boden
Die Montes de Málaga sind vor 600 Mio. Jahren im Zuge von Erdverschiebungen entstanden. Das ist erst einmal nur eine große Zahl. Im Vergleich zur benachbarten Region Axarquia, die geologisch etwa 200 Mio. Jahre alt ist, zeigt sich aber, dass die Montes de Málaga sehr alt sind.
In 600 Mio. Jahren kann geologisch viel passieren: Und so verfügen die Montes de Málaga über äußerst heterogene Böden, die Anteile von Schiefer, Quartz, vulkanischem Magma, Granit, Kalkstein, Sand und mehr aufweisen. Ein solcher Boden-Mix ist weltweit einzigartig und macht die Montes de Málaga für den Weinanbau speziell. Das Resultat sind enorm mineralische und vielschichtige Weine, wie jene von Victoria Ordóñez.
Von „Böden ohne Boden“ spricht die Weinmacherin, als sie uns durch ihre Weinberge führt. Geologen verwenden auch den Begriff „Urboden“. Gemeint ist damit, dass dem Boden die obere fruchtbare Schicht fehlt, aus der sich Pflanzen normalerweise ernähren. In den Montes de Málaga wurzeln die Reben quasi auf Stein.
Da Reben wie keine zweite Kulturpflanze genügsam und leidensfähig sind, kommen sie mit den extrem trockenen und nährstoffarmen Böden der Montes de Málaga zurecht. Allgemein gilt in der Weinwelt sogar die Annahme, dass je mehr eine Rebe leidet, umso besser die Qualität ihrer Trauben.
Die Erträge sind dagegen freilich niedrig: Etwa 900 kg Lesegut gewinnt Victoria Ordóñez aus einem Hektar. Das ist verschwindend gering im Vergleich zu mitteleuropäischen Weingebieten, deren Böden zumeist fruchtbarer sind und wo die Niederschläge höher ausfallen.
Pedro Ximénez – die Málaga-Rebe
Wenn die Montes de Málaga eine riesige geologische Schatzkammer sind, dann ist die Rebsorte Pedro Ximénez der Schatz, den sie enthalten. Nicht Moscatel, sondern PX, so die Kurzform, ist historisch gesehen die klassische Málaga-Weintraube. Die Rebe ist eine Kreuzung aus der arabischen Tafeltraube „Gibi“ und einer uns unbekannten Sorte, deren DNA sich heute in keiner Datenbank aufspüren lässt. Die Mauren brachten die Gibi einst durch den Hafen in die Region Málaga, von wo aus sie sich in ganz „Al Andaluz“ verbreitete und zur PX kreuzte.
Der Name Pedro Ximénez ist vermutlich erst seit dem 16. Jahrhundert in Verwendung. Es könnte sein, dass die Rebe nach dem damaligen Bischof von Toledo benannt ist. In jener Zeit nach der christlichen Rückeroberung Andalusiens war es gebräuchlich arabische durch kastilische Namen zu ersetzen.
Die Stadt und Region Málaga verfügen über eine lange und große Weingeschichte, die mit der Reblausplage ab 1878 fast gänzlich ausradiert wurde. Riesige 112.000 Hektar Rebland und zahlreiche eigenständige Rebsorten fielen dem Schädling damals für immer zum Opfer. Die Dimension wird deutlich, wenn man bedenkt, dass in der DO Málaga y Sierras de Málaga heute Wein auf weniger als 1000 Hektar kultiviert wird.
Victoria Ordóñez entstammt einer Familie, die seit Generationen im Weingeschäft tätig ist. Für ihr eigenes 2015 begonnenes Projekt suchte sie anhand von historischen Quellen nach den besten Weinlagen in den Montes de Málaga. An einigen Orten wurde sie fündig: Unter anderem entdeckte sie über 100 Jahre alte PX-Reben, die sich zwischen Oliven- und Mandelbäumen ausbreiten. Aus zwei dieser Lagen – Santo Pitar und Lagar Rovira – entsteht ihr außergewöhnlicher Weißwein Voladeros.
Voladeros – ein trockener PX vom Feinsten
Der Voladeros, sagt Victoria, sei im Grunde ein Wein, wie er „schon immer in den Bergen erzeugt wurde“. In den Montes de Málaga existierten bis zu 800 sogenannte „Lagares“. Das sind Anwesen in den Bergen, auf denen Wein gemacht wurde und auf denen die Erzeuger zugleich lebten. In den Lagares wurde die PX trocken gekeltert und getrunken. Erst in der Stadt Málaga wurde der Wein in den dortigen Kellereien dann gesüßt und gefärbt, ehe er als „Vino de Málaga“ in alle Welt verschifft wurde.
Für ihren Voladeros 2017 verwendete Victoria Ordóñez nur den Vorlaufmost, also den hochwertigsten Saft. Die Trauben werden hierbei nur gequetscht und nicht gepresst. Nach einer 24-stündigen Kaltmazeration vergärt die Winzerin den Most in 500 l Eichenfässern voll durch, so dass er keinen Restzucker enthält. In den Eichenfässern erfährt der Wein zudem einen zehnmonatigen Ausbau auf der Feinhefe bei wöchentlicher Batonnage.
Das Ergebnis ist ein eleganter, tiefgründiger und mineralischer Weißwein, der seidig über den Gaumen läuft und über einen beispiellosen Charakter verfügt. Das Holz ist perfekt integriert und trägt zur Komplexität bei. Die sehr alten Reben und die Höhenlagen von 800 bis 1000 Metern tragen sicher mit dazu bei, dass eine lebhafte Säure im Weißwein zur Geltung kommt. Beim Jahrgang 2017 liegen die Werte bei über 6 g/l Säure, ohne dass Victoria etwas zugeben würde.
Spannend wird der Voladeros 2018. Aufgrund eines für das südliche Andalusien ungewöhnlich kühlen und regnerischen Jahres hat er nur 10,5% Vol. Alkoholgehalt. Ein Cool-Climate-Wein vom Mittelmeer?! Bis der Wein auf den Markt kommt, müssen wir uns noch etwas gedulden, was mit dem 2017er im Glas nicht allzu schwer fällt.
Weitere Infos:
“Support your local grape” ist eine Beitragsserie, in welcher ich autochthone regionale Rebsorten Spaniens vorstelle. Ergänzend empfehle ich in jedem Artikel einen daraus sortenrein gekelterten Wein. Zur Übersicht aller Blogartikel in dieser Reihe gelangen Sie mit diesem Link.
Einen im März 2019 auf diesem Blog erschienenen Beitrag zu Victoria Ordóñez und ihren Weinen können Sie hier nachlesen.
Link zum Weingut: www.victoriaordonez.com
Bezugsquelle, u.a.: www.vinos.de