Die weiße Airén ist tatsächlich die am häufigsten angebaute Rebe Spaniens. Dabei gab es bis vor wenigen Jahren keine nennenswerten Weißweine aus dieser Sorte. An ihrem Ursprungsort in Kastilien-La Mancha ändert sich das so langsam. Der mit Abstand beste Airén kommt von Bodegas Verum: 2019 Las Tinadas Airén de Pie Franco ist ein echter Top-Wein, der mindestens eine Liga höher spielt als alles, was ich von dieser Traube kenne. Bevor ich zum Wein komme, ein paar Infos zur Rebsorte.
Airén – großflächig im Anbau und doch weitgehend unbekannt
Die Airén ist in den Weinfeldern in den Hochebenen von Kastilien-La Mancha seit Jahrhunderten zuhause. Ebenfalls kommt die Traube in levantinischen Gebieten wie Jumilla vor, allerdings in deutlich geringeren Größenordnungen wie in La Mancha. Insgesamt wächst Airén in Spanien auf 209.000 Hektar Rebland, wie den Zahlen des spanischen Agrarministeriums für 2019 zu entnehmen ist. Die Traube liegt damit sogar knapp vor der „Nationalrebe“ Tempranillo. Dabei ist die Anbaufläche seit Jahrzehnten rückläufig. Im Jahr 1990 stellte die robuste, trockenheitsresistente und ertragreiche Airén noch rund 480.000 Hektar Weinberge.
Obwohl sie im Anbau großflächig vertreten ist, fristet die Airén ein Schattendasein bezüglich Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. Weshalb die Sorte einem breiten Weinpublikum unbekannt ist, liegt wohl daran, dass sie vor allem der Brandy-Erzeugung dient, in großem Stile als Fassware exportiert wird und ebenfalls in abgefüllte (Massen)Weine ohne Herkunfts- und Sortenangabe wandert.
Qualitätsweine aus Airén – ich hatte es erwähnt – sind ein junges Phänomen. Mehrheitlich handelt es sich um Weißweine aus den Anbaugebieten D.O. La Mancha und V.T. Castilla. Mit Viña Elena kenne ich außerdem einen Erzeuger in der D.O. Jumilla, der einen Orange Wine daraus keltert.
Genetisch stammt die Airén von der weißen Traube Heben ab. Aus jener Heben als Mutterrebe sind zahlreiche Weißweinsorten wie beispielsweise Pedro Ximénez, Albillo Mayor und Viura (Macabeo) hervorgegangen. Die Airén eingeschlossen, sind sie allesamt sogenannte neutrale Rebsorten. Das heißt, die Trauben besitzen eine eher geringe Eigenaromatik, sie können dafür aber sehr schön ein jeweiliges Terroir reflektieren. Es handelt sich demnach um Sorten, die weniger durch Primärfrucht bestechen, sondern verstärkt erdig-mineralische Anklänge hervorbringen.
Las Tinadas – wurzelechte Reben, hohe Lage und alte Tonamphoren
Im 2019 Las Tinadas tritt dieser mineralische Wesenszug ebenfalls zutage. Dazu kommt ein delikater Duft von Kräuteraromen, Zitrusfrucht und Apfel. Vor allem aber ist dieser Weißwein hinsichtlich Tiefe, Länge und Eleganz allen anderen Airéns aus dem La-Mancha-Gebiet meilenweit voraus. Das Gewächs mit 12% Vol. verfügt über großartige Frische und eine elegante cremige Textur. Es hat Spannung, eine beeindruckende Klarheit und eine astreine Balance. Man muss schon in benachbarte Regionen schauen, um Ebenbürtiges zu finden: Dieser Wein kann sich mit den besten Albillo Reals aus Gredos und den besten (trocken ausgebauten) PX aus Andalusien messen.
Abgesehen von der für Airén bislang nicht gekannten Eleganz hat Las Tinadas eine weitere Besonderheit zu bieten: Die Trauben entstammen nämlich einer Einzellage mit wurzelechten (!) Reben. Zwar wurde der Weinberg erst im Jahr 1950 angelegt. Bei der Bepflanzung wurde aber auf die üblichen amerikanischen Unterlagsreben verzichtet. Daher der Zusatzname „Airén de Pie Franco“. Pie Franco bedeutet wurzelecht. Als weitere wichtige Terroir-Faktoren sind die beachtliche Höhenlage des Weinbergs von 740 m.ü.NN und die Böden mit einem hohem Anteil an Kalkstein zu nennen.
Vielleicht ist es eben der Kalksteinboden, der die Finesse im 2019 Las Tinadas mit sich bringt. Sicher trägt auch die Weinbereitung dazu bei: Winzer Elias López Montero vergärt den Wein mit autochthonen Hefen im Stahltank und baut ihn danach vier Monate auf der Feinhefe in 100 Jahre alten Tonamphoren (4.500 Liter) aus. Es sind die traditionellen Gefäße der Weinbereitung in La Mancha. Ebenfalls wird der Wein weder geschönt, noch gefiltert. Die Weinbereitung entspricht also dem, was man auf Englisch als „minimal intervention“ (minimale Einflussnahme) bezeichnet. Ein Begriff, der in der spanischen Weinszene derzeit in aller Munde ist.
Verum – mit alten Reb(sort)en in die Zukunft
Mit 2019 Las Tinadas Airén de Pie Franco heben Bodegas Verum und Winzer Elias López Montero die Airén-Traube auf ein neues Niveau. So viel Tiefgang und Eleganz kannte man von dieser Rebsorte bislang nicht. Vom ersten Jahrgang des Weins gibt es 7000 Flaschen.
Ergänzend zu Las Tinadas weist Bodegas Verum auch mit der Ulterior-Weinreihe den Weg in eine qualitätsorientierte Zukunft im „Massenweinland“ La Mancha auf. Biologischer Anbau, Ertragsreduzierung im Weinberg, wenige Eingriffe bei der Weinbereitung, die Verwendung traditioneller Rebsorten und der Fokus auf einen frischen und eleganten Weinstil sind diesbezüglich die relevanten Stichworte. Verum ist sicher einer der spannendsten Erzeuger in La Mancha, und ich bin bereits jetzt darauf gespannt, was wir von diesem Weingut zukünftig noch alles hören und trinken werden.
Weitere Infos:
Bodegas Verum wurde 2005 gegründet und ist in Tomelloso in La Mancha ansässig. Die Verum-Weine gelangen mit der Herkunftsbezeichnung V.T. Castilla in den Handel. Das Weingut gehört zur Altosa-Gruppe, die im Besitz der Familie López Montero ist. Die Familie erzeugt seit 1788 Weinbrände und Destillate, welche bis heute den Hauptteil der Produktion ausmachen.
“Support your local grape” ist eine Beitragsserie über alte autochthone Rebsorten Spaniens, die lange Zeit vergessen bzw. vernachlässigt waren und nun wieder an Zulauf gewinnen. Zu allen Blogartikeln der Reihe führt dieser Link.