An den derzeit hitzigen Debatten pro und contra einer katalanischen Loslösung von Spanien will ich mich auf diesem Blog nicht beteiligen. Klar ist aber, dass Spanien ein paar exzellente Weingebiete verloren gingen, sollte es tatsächlich eines Tages zur Unabhängigkeit Kataloniens kommen. Allen voran Priorat, eine zerklüftete Bergregion mit abgelegenen Dörfern, schmalen Straßen und mächtigen Weinen.
Auf Hochzeitsreise im Priorat
Im Jahr 2012 führte mich die Hochzeitsreise zwei Tage in dieses winzige Weingebiet im katalanischen Hinterland, das so große Weine wie den L’Ermita von Álvaro Palacios ermöglicht, dessen 2013er Jahrgang es auf volle 100 Punkte bei Robert Parker brachte. Der Tropfen wird derzeit für etwa 1300 Euro die Flasche gehandelt.
Das Weingut Álvaro Palacios liegt nahe der Ortschaft Gratallops, in der meine Frau und ich damals die zwei Bodegas Celler Cecilio und Celler Clos Figueras besuchten. Uns war gar nicht bewusst, dass Gratallops – dieses verschlafene, auf einem Berg gelegene Dorf – so weltbekannte Weingüter wie Clos Mogador und Clos Erasmus beheimatet. Wir waren in Sachen spanischer Wein seinerzeit etwas unbedarft. Spass mit den Weinen und bei den Gesprächen mit den Weinmachern hatten wir trotzdem. Nun gut, wir sahen eh alles rosarot.
Weinberg von Mas Martinet im Priorat (Foto: Matías Costa / © ICEX)
Abends landeten wir in Poboleda, wo wir den Winzer Salvador Burgos kennenlernten und sein faszinierend gelegenes Weingut Celler Burgos Porta besichtigten. In der schroffen und sehr trockenen Berglandschaft des Priorat leiden die Reben und ergeben niedrige Erträge. Ich sah die metertiefen steinigen Böden aus Quartz und Schiefer, durch die sich die Wurzeln arbeiten müssen, und vielleicht macht diese „feindliche Umgebung“ die Weine so außergewöhnlich kraftvoll und mächtig.
Was uns an Salvador Burgos beeindruckte, war die Leidenschaft, mit der er für biodynamischen Weinanbau eintritt sowie sein ausgeklügeltes System der Weinbereitung. Seine Kellerei hat er so am Berg angepasst und angelegt, dass kein mechanisches Pumpen nötig ist, wenn zum Beispiel der Most von den Tanks in die Fässer umgezogen wird. Die Weine – muss man kaum erwähnen – sind freilich außergewöhnlich und konzentriert. Mir gefiel zudem die Preisstaffelung von 11, 22 und 33 Euro. Irgendwie schaffte ich es noch einen Karton in unserem bis an den Rand vollbepackten PKW unterzubringen. Später in Berlin gelang es meinem Freund Peter Eichhorn bei einer Blindverkostung die teuerste der Flaschen daraus zu erkennen. Möglicherweise doch kein Zufall, dass aus ihm ein gefragter Food-Journalist geworden ist.
Weinkeller von Clos Mogador, Gratallops (Foto: Matías Costa / © ICEX)
Dichte, fleischige Weine aus Garnacha
In den schwer zu bearbeitenden Hanglagen des Priorat wird am häufigsten Garnacha angebaut, die rote Rebe bildet die Hauptbasis fast aller Weine. Etabliert sind auch die Sorten Cariñena, Cabernet Sauvignon und Syrah, die gerne in mehr oder weniger großen Mengen für Cuvées verwendet werden. Das als D.O.Ca ausgewiesene Qualitätsweingebiet umfasst ganze elf Dörfer mit einer gemeinsamen Rebfläche von weniger als 2.000 Hektar. Die D.O.Ca Rioja bringt es im Vergleich auf über 60.000 Hektar Rebland.
Im Sommer kann es im Priorat in den auf 200 bis zu 1000 Metern hoch gelegenen Weinbergen leicht über 40 Grad heiß werden und in den höheren Lagen nachts bis auf 10 Grad abkühlen. Für diese Schwankungen – die den Reben guttun, weil sie ihnen bei Nacht Ruhepausen geben und die Reifezeiten verlängern – sorgen teils kräftige Winde von der etwa fünfzig Kilometer entfernten Küste sowie der so genannte „Sere“, ein trockener Wind aus dem Norden.
Umgeben ist das Priorat von der ebenfalls hochinteressanten Weinregion Montsant. Ein Weinhändler in Berlin pries mir einmal einen Montsant-Wein so an, dass es sich im Grunde um einen Priorat-Wein handele, nur günstiger im Preis. Es sei exakt die gleiche Region, meinte er. Das ist falsch! Zwar handelt es sich um Nachbarregionen, aber in Montsant sind die Weinberge eher flache Felder, die Böden fruchtbarer und die Bepflanzungen somit enger.
Historische Karte mit katalanischen Weingebieten (Foto: Matías Costa / © ICEX)
Seit meinem Besuch 2012 bin ich ein ausgesprochener Fan von Priorat-Weinen. Neulich hatte ich mal wieder einen bemerkenswerten im Glas. Genauer gesagt den Les Sentius 2012 von Celler Joan Simó aus Porrera. Ein dichter, fleischiger Tropfen und mit 15,5% Vol. ein echtes Brett.
Hin und wieder höre ich im Freundeskreis negative Bemerkungen, wenn ein Wein einen vermeintlich zu hohen Alkoholgehalt hat. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass Alkohol ein Geschmacksträger ist, der Weine abgerundeter erscheinen lässt. Vergleichbar mit dem Fett in der Wurst. So verhält es sich dann auch mit dem besagten Les Sentius, der vor Kraft und Tanninen strotzt und sich gleichzeitig weich am Gaumen zeigt. Seine beerigen und animalischen Aromen, die drahtige Struktur und der muskulöse Körper bilden ein überzeugendes, harmonisches Ganzes.
Für 15 Euro ist der Les Sentius (hier in Spanien) übrigens relativ günstig zu haben. Niedrige Erträge aufgrund karger Böden und schwieriger Hanglagen sowie wenig Anbauflächen und eine große internationale Nachfrage haben die Weine aus dem Priorat seit den 1990er-Jahren ins hochpreisige Segment katapultiert. Weinmacher wie René Barbier, Alvaro Palacios, Carles Pastrana, Daphne Glorian und José Luis Pérez erzielten in jener Zeit sensationelle Erfolge und zogen das Augenmerk der Weinwelt auf das Priorat. Diese Aufmerksamkeit dürfte auch in den kommenden Jahrzehnten garantiert sein – Unabhängigkeit hin oder her.
Flaschenpost aus Priorat: Les Sentius 2012, Celler Joan Simó