Ein Salon in Madrid – Wein am Limit und Rioja-Etikettentrinken

In Madrid hat der von Guía Peñin veranstaltete Salon „Mejores Vinos de España“ reichlich Spass mit Spitzenweinen beschert. Nach dem Salón Selección Málaga im Februar und der Fenavin in Ciudad Real im Mai war es meine dritte spanische Weinmesse in diesem Jahr.

Die Weinshow stellte den Abschluss eines goldenen Oktobers dar, der mich außerdem in drei galicische Anbaugebiete führte. Zufällig fiel der Termin auf den dritten Geburtstag meines Weinblogs. Zu diesem kleinen Jubiläum beglückwünsche ich mich mangels ausbleibender Leser-Zuschriften einfach mal selbst. In den vergangenen drei Jahren habe ich es auf exakt 160 Blogbeiträge gebracht.

Darüber hinaus beglückwünsche ich José Peñin zum 30-jährigen Jubiläum seines renommierten spanischen Weinführers sowie zur 20. Auflage eben dieses Weinsalons der, wörtlich übersetzt, „Besten Weine aus Spanien“.

Eingang Salon de los Mejores Vinos. Feria Madrid.
Jährlich im Oktober in Madrid. 2019 zum 20sten Mal.

Um am „Salon de los Mejores Vinos de España“ teilzunehmen, benötigen Weingüter zwei Voraussetzungen. Erstens: Ihre Weine, bzw. ein Teil davon, müssen es im aktuellen Peñin-Guide auf mindestens 90 Punkte oder höher bringen. Zweitens: Sie müssen eine nicht unerhebliche Tischgebühr entrichten. Es ist also nicht nur Klasse, sondern auch Liquidität gefragt. Von den Inhabern dreier kleinerer Weingüter (deren Weine mit mehr als 90 Punkte bewertet sind) habe ich beispielsweise erfahren, dass sie die Kosten für einen Stand nicht aufbringen können und deshalb fernbleiben.

Es gab dann aber doch zahlreiche liquide Top-Weingüter, die sich präsentierten. Definitiv mehr als genug, um alle an zwei Tagen am Stand aufsuchen zu können. Einige meiner Höhepunkte stelle ich im Folgenden vor.

Tag 1: Garnacha ganz groß und ein paar „Exoten“

Beginnen wir mit dem „Best Wine in Show“: Ein sortenreiner Garnacha aus dem Priorat. Der Les Manyes 2016 von Terroir al Limit. Bei einem Preis von 230€ die Flasche darf man diese Qualität wohl erwarten, mögen Sie jetzt denken. Aber so einfach ist das nicht. Der zugegeben hohe Preis ist erst einmal nur eine Zahl. Die große Kunst ist es einen solchen Wein in die Flasche zu bringen.

Bei den Böden handelt es sich für das Priorat ganz untypisch nicht um Schiefer, sondern um Lehm. „Die Garnacha kommt auf rotem Lehm sehr gut zum Ausdruck“, erklärt Kellermeisterin Tatjana Peceric. Was sie und Weingutsinhaber Dominik Huber gemeinsam aus eben diesem Terroir herausholen, ist wirklich am Limit. Frischer, tiefer, balancierter und eleganter als der Les Manyes 2016 geht es nicht.

Tatjana Peceric, Kellermeisterin von Terroir al Limit, mit dem Les Manyes 2016
Tatjana Peceric, Kellermeisterin von Terroir al Limit, mit dem Les Manyes 2016

Wunderschöne und spektakuläre Garnacha – ebenfalls mit der Betonung von Frische und Eleganz – sind darüber hinaus der Pielago 2017 von Bodegas Jimenez-Landi und der Reina de los Deseos 2016 von Uvas Felices (in Kooperation mit Comando G). Beide Gewächse kommen aus dem Umland von Madrid, genauer der Sierra de Gredos.

Ganz anders der Naturwein Acinipo 2012 von Bodega F. Schatz. Ein würziger Rotwein mit einem straffen Säurezug. Kraftvoll, ohne üppig zu wirken. Es handelt sich um einen sortenreinen Lemberger (!), den der gebürtige Schwabe Friedrich Schatz in der andalusischen (!) Serrania de Ronda keltert. Die Region – eine Subzone der DO Sierras de Málaga – beheimatet heutzutage eine ganze Reihe hervorragender Weingüter wie La Melonera und Los Aguilares. Friedrich Schatz ist der Weinpionier in Ronda. Einer der ersten Stunde. Seit Anfang der 1980er-Jahre erzeugt er dort biodynamische Weine.

Friedrich Schatz, Bodega F. Schatz, mit dem Acinipo 2012
Friedrich Schatz, Bodega F. Schatz, mit dem Acinipo 2012

Den Weinmacher José Beneitez kenne ich eigentlich durch sein persönliches Projekt El Hato y el Garabato, das an der portugiesischen Grenze in der DO Arribes ansässig ist. Sein Weißwein Otro Cuento 2017 aus Doña Blanca und der Rotwein Sin Blanca 2016 aus der Rebe Juan García gehören zu meinen positiven Entdeckungen des langsam ausgehenden Jahres 2019.

José ist darüber hinaus als Önologe für die Weinbereitung bei Viñas del Cénit in der Tierra del Vino de Zamora tätig. Und für diesen Erzeuger war er auch auf der Messe anwesend. Unter anderem kredenzte er mir den saftig-mineralischen Cénit 2016 aus 100% Tempranillo. Die Reben dieses Weins stammen zum Teil aus Vor-Reblaus-Zeiten und sind bis zu 150 Jahre alt. Die Höhenlage von um die 750 Meter sorgt für kühle Nächte und somit für gute Säurewerte der Beeren. Ein klasse Gewächs, aromatisch und mit viel Zug am Gaumen.

José Beneitez, Önologe bei Viñas del Cénit
José Beneitez, Önologe bei Viñas del Cénit

Als ich Anfang Oktober in der galicischen Appellation Ribeira Sacra unterwegs war, gehörte zu den Höhepunkten der Besuch beim Weingut Algueira. Nachdem uns dort Fabio Gonzalez den Betrieb und die Weine vorstellte, hat es mich nun enorm gefreut in Madrid seinen Vater und Weingutsgründer Fernando González zu treffen. Fernando ist ein Weinpionier und hat entscheidend zur heutigen Reputation des Anbaugebiets Ribeira Sacra beigetragen.

Selbstverständlich haben wir zusammen einige seiner großartigen Gewächse aus Sorten wie Godello, Mencia und Brancellao nachverkostet. Ganz besonders schön dabei der weiße Algueira Escalada 2017 aus Godello und der Algueira Risco 2016 aus der Rotweinrebe Merenzao. Im französischen Jura heißt diese Sorte Trousseau. Der Wein selbst verfügt über burgundische Eleganz.

Fernando Gonzalez, Adega Algueira, mit dem feinen Risco 2016
Fernando González, Adega Algueira, mit dem Risco Merenzao 2016

Wo wir gerade bei der Rotweinsorte Merenzao sind: Zudem habe ich auf dem Weinsalon an zwei Profi-Degustationen (sogenannte Master Classes) teilgenommen, die jeweils von den DO-Gebieten Ribeira Sacra und Somontano angeboten wurden.

Bei der Master Class der galicischen DO Ribeira Sacra stach unter anderem der elegante, fein strukturierte Capricho de Merenzao 2016 vom Weingut Ponte da Boga heraus. Die wichtigste Rotweinsorte des Gebiets ist aber nicht Merenzao, sondern Mencía. Diesbezüglich eine Empfehlung wert ist der saftige, druckvolle TX Os Conventos 2015 von Tolo do Xisto. Frische und Mineralität sind darüber hinaus ein weiteres Merkmal der Weine aus Ribeira Sacra.

Im Gegensatz dazu erinnerten mich die Rotweine aus der Appellation Somontano (z. B.: Enate Reserva Especial 2006, Grillo 2011, Sers Gran Reserva 2012) durchgängig an dickflüssige Marmelade. Fett wirkende Weine wie diese sind quasi das Pendant zum Schweinsbraten mit Brotknödeln, Spätzle und dick angeschwitzter Pilzsoße. Einmal im Jahr ist das schön, aber dann genügt es wieder. Es handelt sich um einen Weinstil, der nicht mehr zeitgemäß ist und einen müden Eindruck hinterlässt.

Deutlich lebhafter kommt aus diesem Anbaugebiet der Weißwein Clarión 2015 von Viñas del Vero daher: Eine aromatisch komplexe Cuvée aus den in Somontano beliebten weißen Sorten Chardonnay, Gewürztraminer und Garnacha Blanca.

Master Class Ribeira Sacra
Master Class Ribeira Sacra

Tag 2: Das große Rioja-Etiketten-Trinken

Habe ich mich am ersten Messetag noch auf ein paar „exotische“ Abwege begeben, bestand der zweite Tag nahezu vollständig aus Etikettentrinken mit Schwerpunkt Rioja.

Am Stand von Sierra Cantabria war der 99-Punkte-Wein La Nieta bereits ausgegangen. So musste ich mich mit dem Finca el Bosque 2017 und dem Amancio 2015 begnügen. Es gibt Schlimmeres, das können Sie mir glauben.

Fast eine Schnappatmung hat der El Carretil 2017 von Artadi bei mir ausgelöst. Der beste Wein des Tages. Eine unfassbare Präsenz, Harmonie, Tiefe und Kraft zeichnen ihn aus. Muss ich erwähnen, wie herausragend frisch, elegant und mineralisch jener Tempranillo ist? Das erübrigt sich eigentlich. Hochfein kommt freilich auch der Valdegines 2017 daher, ebenfalls ein Einzellagenwein aus Tempranillo.

Artadi ist vor vier Jahren übrigens freiwillig aus der DOCa Rioja ausgeschieden. Man sei mit dem Klassifizierungssystem, das sich am Ausbau der Weine orientiert (Joven, Crianza, Reserva, Gran Reserva) nicht mehr einverstanden gewesen, wird mir am Stand erklärt. Der Fokus von Artadi liege auf den Weinbergen, also dem Terroir. So besteht die absurde Situation, dass diese einzigartigen Lagenweine gesetzlich als Tischwein (Vino de Mesa) ausgewiesen sind, was der untersten Qualitätsstufe von Weinen entspricht. Das Beispiel zeigt, wie irreführend Klassifizierungen sein können.

Top-Weine von Artadi, Rioja Alavesa
Elektrisierend, präzise, hochfein.

Ein weiteres Superschwergewicht aus dem baskischen Teil des Rioja ist Bodega Lanzaga, die zur Weingruppe von Telmo Rodriguez gehört. Schwergewicht ist jetzt aber nur auf die Bedeutung bezogen, nicht auf den Charakter der filigranen Weine. Spätestens die Verkostung des hochfeinen El Velado 2016 (ein Mischsatz mit viel Garnacha, Tempranillo und weiteren autochthonen Reben) hat einen Weinflash bei mir ausgelöst. Ab dem sortenreinen Tempranillo Las Beatas 2016 finde ich in meinen Notizen nur noch Comic-Sprache wie „Wow“, „Hammer“ oder „Mega“ vor. Für einen seriösen Blogger klingt das nicht wirklich überzeugend. Mit der Klasse dieser Weine kann meine Sprache also nicht mithalten.

Besonders gut gefällt mir das Foto unten. Es sagt vielleicht mehr als tausend Worte. Der nette Herr am Lanzaga-Stand ging nicht gerade zimperlich beim Einschenken vor. Da war selbst von diesen großen Weinen mehr als nur ein kleiner Schluck im Glas.

Selektion Bodega Lanzaga, Rioja Alavesa
Wow. Die Lagenweine von Lanzaga

Die Premiumweine von Sierra Cantabria, Artadi und Lanzaga. Geht da noch mehr? Lässt sich das noch steigern? Definitiv nicht. Doch das Level lässt sich halten. Und zwar mit Marques de Murrieta.

Die Castillo Ygay Gran Reserva Especial dieses Traditionsweinguts gehört zu den legendären Kultweinen des Rioja und somit ganz Spaniens. Wie es sich für einen klassischen Rioja gehört, besteht der Jahrgang 2009 aus der Hauptrebe Tempranillo und enthält ferner 19% der roten Mazuelo (Carignan). Jene Zweitsorte verleiht dem Wein viel Wucht und Frische. Feinnerviges Tannin, elegante Säure und eine seidige Textur lassen die Castillo Ygay Gran Reserva Especial 2009 im Gesamteindruck sehr harmonisch und nobel erscheinen.

Castillo Ygay Gran Reserva Especial 2009. Der Kultwein aus dem Rioja
Einer der spanischen Kultweine schlechthin

Danach musste ich erst mal kurz durchatmen, … um mich anschließend gleich wieder zu einem Top-Weingut aus Rioja Alavesa zu begeben. Richtig lecker trinkt sich der Erre Punto Maceración Carbonica 2018 von Remírez de Ganuza. Es handelt sich um einen jungen, fruchtig-frischen Rotwein, der im Keller einer Kohlensäuregärung (Ganztraubengärung) unterzogen wird. Ein typischer Wein für die Region – wie mir Sommelier Valentin Checa erklärt – der einfach nur Trinkspass bereitet.

Komplexer und anspruchsvoller ist freilich die Remírez de Ganuza Reserva 2012. Dieses elegante Gewächs ist ein typischer Rioja-Verschnitt aus 85% Tempranillo, 10% Graciano sowie 5% der weißen Viura und Malvasia. Spannend ist darüber hinaus die Blanco Reserva 2011 aus 70% Viura, 20% Malvasia und 10% Garnacha Blanca. Ein mächtiger Weißwein, der packt und überwältigt.

Für beide Reserva-Weine werden die Trauben übrigens halbiert. Aus dem oberen „Schulterteil“ mit den reiferen Beeren werden die Reservas gekeltert. Aus der unteren Hälfte entstehen Weine wie zum Beispiel der Maceración Carbonica.

Bei Remírez de Ganuza, erzählt mir Valentin Checa, verteilen sich 80 Hektar Rebland auf beachtliche 250 Lagen. Die durchschnittliche Größe eines Weinbergs beträgt somit nur 0,32 Hektar. Eine beeindruckende Kleinteiligkeit. Bevor Fernando Remírez de Ganuza 1989 das Weingut gründete, war er als Weinbergs-Makler im Rioja tätig. Man darf davon ausgehen, er hat ein paar der besten Lagen für sich reserviert.

Remirez de Ganuza. Hochfeines Zeugs.
Remirez de Ganuza. Meisterhaftes Zeugs.

Das waren jetzt durchgängig große Namen, die sicher vielen Leserinnen und Lesern bereits bekannt sind. Für mich war es aufschlussreich, die Spitzengewächse dieser renommierten Weingüter einmal der Reihe nach probieren zu können. Auch wenn ich auf diesem Blog mantraartig wiederhole, dass das Weinland Spanien viel mehr als nur Rioja ist, so wäre das Weinland Spanien ohne Rioja doch weniger als es ist.

Abseits der „üblichen Verdächtigen“ gab’s mit Artuke einen weiteren Erzeuger aus dem Rioja, dessen gesamte Weinkollektion mir brutal gut gefallen hat. Arturo de Miguel und sein Bruder Kike arbeiten nach eigener Aussage „mehr im Weinberg als im Keller“. Wie ich es zuvor bei Artadi darlegte, geht es Artuke ebenfalls darum, das Terroir von Rioja Alavesa zu betonen und zum Ausdruck zu bringen. So ist es nicht verwunderlich, dass die Brüder beispielsweise mit El Escolladero 2017 und La Condenada 2017 zwei Parzellenweine in kleiner Auflage von jeweils knapp über 1000 Flaschen keltern. Beide genannten Rotweine sind ganz großes Kino – mächtig und ausdrucksstark. Für mich der perfekte Abschluss und Zeit auf den Heimweg zu gehn.

Arturo de Miguel von Artuke (Rioja Alavesa) im Gespräch.
Weinmacher im Gespräch: Arturo de Miguel (li.) und Chema Rivera von Ponte da Boga (re.)

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