Bodegas Tempore – die Pioniere aus Bajo Aragón

Weinberge Bodegas Tempore, Bajo Aragón

Es ist eine Geschichte, die ich in Spanien häufiger gehört habe: Weinbauern, die über Jahrzehnte ihre Trauben an die Genossenschaft oder an große Erzeuger verkaufen, gründen ihr eigenes Weingut. In den vergangenen 25 Jahren hat das Land in dieser Hinsicht eine explosionsartige Entwicklung vollzogen. In allen Winkeln des Landes streben neue Weingüter empor. Sie setzen auf lokale Rebsorten, auf alte Reben mit niedrigen Erträgen und eine nachhaltige Landwirtschaft. So verhält es sich ebenfalls mit Bodegas Tempore aus dem Landweingebiet V.T. Bajo Aragón. 

Paula Yago – die ich gerade für den Vino-&-Alma-Blog interviewt habe – hat im Jahr 2000 gemeinsam mit ihrem Bruder Victor das Weingut Tempore gegründet. Die Weingeschichte der Familie Yago reicht allerdings viel weiter zurück, wie Paula zu berichten weiß. Bereits ihr Urgroßvater habe ein kleines Weingut im Ort Lécera, fünfzig Kilometer südlich von Zaragoza, besessen. Danach waren es ihr Großvater und Vater, die Weinbau betrieben. Sie kelterten allerdings keinen eigenen Wein mehr, sondern verkauften die Trauben an die 1950 im Dorf gebildete Genossenschaft.

In den 1990ern verließ Victor Yago das Dorf, um Agrarwissenschaften zu studieren. Mit 24 Jahren kam er zurück, um dem Vater in den Weinbergen und bei der Landwirtschaft zu helfen. Und wie das so ist: Wenn junge Leute in die Ferne gehen, kommen sie meistens mit „Ideen“ zurück (sofern sie überhaupt wieder nach Hause kommen). Victors’ Plan lautete, nicht mehr Trauben an die Genossenschaft abzuliefern, sondern eigenen Wein in einem eigenen Weingut zu machen. 

Paula Yago erzählt mir, sie sei zu der Zeit in der Provinzhauptstadt Zaragoza im Marketing tätig gewesen. Gemeinsam sprachen sie in der Familie über die Idee des eigenen Weinguts und sagten sich: „Warum nicht?“. Als Paula und Victor mit Bodegas Tempore begannen, konnten sie auf dreißig Hektar Rebland ihres Vaters zurückgreifen. Heute sind es siebzig Hektar, die sie biologisch bewirtschaften und etwa 350.000 Flaschen, die sie im Jahr abfüllen. Zu den Tempore-Weinen kommen wir etwas später. Schauen wir uns zuerst die Gegend an.

Bajo Aragón – viel Wind und wenig Regen

Bajo Aragón ist eine dieser vielen spanischen Weinregionen, die fast kein Mensch kennt, in der aber stets Wein angebaut wurde. Wie der Name Bajo sagt, befinden wir uns im Süden Aragóns. Das Landweingebiet V.T. Bajo Aragón erstreckt sich in den Provinzen Zaragoza und Teruel. 

Zwar habe ich das Weingut Tempore in Lécera bislang noch nicht besucht, aber ich bin letztes Jahr einmal durch Bajo Aragón gefahren. Es ist eine außergewöhnliche und einzigartige Landschaft: Ein dünn besiedeltes, extrem karges und unendlich weites Hochland. Teils bin ich mit dem Auto auf über 1400 Metern Meereshöhe gefahren, obwohl das Land völlig flach war und ich gefühlt einhundert Kilometer weit blicken konnte. Ich habe an diesem Tag auf der einsamen Landstraße N-420 weitaus mehr Adler und Geier als Menschen gesehen. 

Weinlage von Tempore in Bajo Aragón
Stark kalkhaltige Böden sind typisch für die Region.

Die Weinberge von Bodegas Tempore befinden sich auf 500 bis 600 m.ü.NN. Es herrscht ein kontinentales Klima mit kalten Wintern und heißen Sommern. Im Sommer wird es tagsüber bis zu 40 °C heiß. Ab der zweiten Augusthälfte kann es nachts auf 10 bis 15 °C abkühlen. Das ist vorteilhaft, denn so können die Trauben gut ausreifen, ohne zu viel an Säure zu verlieren. 

Das südliche Aragon ist eine der trockensten Regionen Europas. Der jährliche Niederschlag liegt in der Regel zwischen 275 und 300 mm. Das ist sehr wenig und stellt die größte Herausforderung im Weinbau dar. Paula erzählt, dass die teils über 75 Jahre alten Reben von Bodegas Tempore ohne Bewässerung auskommen. Sie wurzeln tief und haben sich an das extreme Klima gewöhnt. 

Die jüngeren Weinberge, die das Weingut Tempore in den letzten 15 Jahren angelegt hat, werden hingegen mit Tröpfchensystem bewässert. Das Wasser kommt aus hundert Metern Tiefe und wird mit Solarenergie hochgepumpt. Aber auch hier verhält es so, dass neu gepflanzte Reben bei Tempore in den ersten drei Jahren überhaupt nicht bewässert werden. Sie sollen möglichst tief wurzeln, was gut für die spätere Nahrungsaufnahme der Pflanze ist. Außerdem geht es darum, die von Natur aus genügsamen Reben nicht zu sehr zu verwöhnen.

Darüber hinaus wird das Gebiet von einem kräftigen Wind heimgesucht, der regelmäßig übers Land bläst. Er macht die Sommerhitze erträglicher, hält die Weinberge kühl und schützt zudem gegen Krankheiten. Dieser „Cierzo“ genannte Wind bildet in Kombination mit dem trockenen Klima hervorragende Voraussetzungen für biologischen Weinbau wie ihn Bodegas Tempore praktiziert.

Bajo Aragón hat ein kontinentales Klima mit strengen Wintern und heißen Sommern.
Bajo Aragón hat ein kontinentales Klima mit strengen Wintern und heißen Sommern.

Bodegas Tempore – biologischer Weinbau und die Umstellung auf biodynamische Landwirtschaft

Aktuell testet Bodegas Tempore den biodynamischen Weinbau. „Wir haben in zwei Parzellen begonnen und gehen es Schritt für Schritt an, weil wir Erfahrungen sammeln und lernen wollen“, sagt Paula Yago, die hofft, dass in zehn Jahren alle siebzig Hektar des Weinguts biodynamisch sein werden.

Was nachhaltigen Weinbau betrifft, sind Tempore die Pioniere in ihrer Region. Paulas Vater Manuel hatte schon Anfang der 1990er-Jahre auf biologischen Anbau umgestellt, als der erste Weinbauer im Gebiet überhaupt. Ihr Bruder Victor, der seit 2000 für die Weinberge verantwortlich ist, setzte den biologischen Weg konsequent fort. Anfangs stieß er damit auf viel Unverständnis. Andere Bauern warnten ihn, dass seine Reben sterben würden und dass er keine guten Ernten haben würde. Bio – behaupteten sie – sei eine schlechte Form der Landwirtschaft. Doch Victor hat sich davon nicht beirren lassen und ist seinen Weg gegangen. Damals war es schwierig, aber heute zahlt es sich für Tempore aus: Es gibt eine weltweite Bewegung hin zu Bio. Außerdem lassen sich mit gesunden Böden gesunde Trauben und folglich bessere Weine produzieren.

Warum aber gab es lange Zeit so viele Vorbehalte gegen biologische Landwirtschaft und Bioweine? Paula erklärt mir, dass um das Jahr 1980 herum Spanien „modern“ sein wollte. Die Bauern hätten sich große und teure Maschinen gekauft und damit begonnen Pflanzenschutzmittel einzusetzen, weil ihnen die großen globalen Unternehmen sagten, dass das modern und wirtschaftlich sei. Damals dachte jeder, dass man diesem Weg folgen muss.

Heute jedoch erkennen immer mehr Leute, dass es ein Fehler war allein auf große Erntemengen zu setzen. Die Desertifikation schreitet in den trockenen Gebieten Spaniens voran, weil das Land ausgelaugt ist und die Böden müde sind. Sie ergeben kaum mehr Erträge. Im Gegensatz dazu sind biologisch oder biodynamisch bestellte Böden lebendiger und vitaler. Sie verfügen unter anderem über mehr Nährstoffe, und sie sind lockerer und können Wasser besser aufnehmen. Die Mehrarbeit, die biologische Landwirtschaft verlangt, lohnt sich langfristig sogar im wirtschaftlichen Sinn.

Seit den 1990ern bewirtschaftet Familie Yago alle Weinberge biologisch.
Seit den 1990ern bewirtschaftet Familie Yago alle Weinberge biologisch.

Das Band der Familie – die Weinlinie „Generación Tempore“

Das Portfolio von Bodegas Tempore besteht aus den drei Weinlinien Terrae, SO2-Free und Generación. Es sind trocken ausgebaute Weiß-, Rosé und Rotweine, die das Weingut aus den autochthonen Rebsorten Garnacha Tinta, Garnacha Blanca und Tempranillo gewinnt. Vor allem die Rotweine sind weniger schwer und weniger „holzlastig“, als wie ich das von so manch anderen Erzeugern aus aragonesischen Anbaugebieten wie Campo de Borja oder Somontano kenne. 

Ganz ausgezeichnet gefallen mir die vier Rotweine der Reihe „Generación Tempore“. Sie zeigen durchweg saftige Frische, einen guten Trinkfluss und Persönlichkeit. Es ist eine Weinstilistik, die mir zusagt. Paula meint, es gehe Tempore darum, die Traube in ihrer reinen Form zu zeigen – also die Primärfrucht und das Terroir im Wein auszudrücken.  Die meisten ihrer Weine – fährt Paula fort – bauen sie sortenrein aus. Außerdem sind sie auf größere 500-l-Barriques umgestiegen, damit der Holzeinfluss im Wein nicht vordergründig ist. Unter anderem ist Paulas Ehemann Eduardo für die Weinbereitung zuständig. Ihm gelingt es sehr schön, das Holz einzubinden.

Rotweine der Generación-Reihe aus Garnacha und Tempranillo
Rotweine der Generación-Reihe aus Garnacha und Tempranillo

Auf den Etiketten der Generación-Weine wird die Familienlinie sichtbar: Victor (Jg. 76), Paula (Jg. 73), ihr Vater Manuel (Jg. 46) und Großvater Antonio (Jg. 20). Es sind abstrakt gehaltene Portraits, in die Landschafts- und Weinmotive montiert sind. Somit wird auf den Etiketten zum einen das Band der Generationen und zum anderen die Verbundenheit der Familie Yago mit dem Land und Wein sichtbar. Es kommt zwar immer zuerst auf den Geschmack des Weins an, aber die Etiketten sind wirklich gut gestaltet und ausdrucksstark.

Großvater Antonio ist heuer übrigens 100 Jahre alt geworden und erfreut sich guter Gesundheit, wie Paula erzählt. Sein Rezept für ein langes Leben? Drei Gläser Wein am Tag. Ich finde, das klingt nach einem weisen Tipp, der leichter zu befolgen ist als die Ratschläge meines Hausarztes. 

Paula Yago mit ihrem Großvater Antonio.
Paula Yago mit ihrem 100 Jahre alten Großvater Antonio.

Ich muss sagen, wenn ich den 100-jährigen Antonio Yago mit seiner erwachsenen Enkeltochter auf dem Foto oben sehe, dann berührt mich das. Was hat er nicht schon alles gesehen? Bereits als junger Mann hat er den Spanischen Bürgerkrieg erlebt. Er war da, als sein Vater noch ein eigenes kleines Weingut besaß. Als 1950 die Kooperative im Dorf gegründet wurde und die Familie von da an über Jahrzehnte Trauben an die Genossenschaft verkaufte. Und er hat gesehen, wie seine Enkel erneut ein Familienweingut gründen und aus alten Reben, die er gepflanzt hat, wieder Wein machen. Wein, den sie mittlerweile in 25 Länder weltweit exportieren. 

Paulas Lebensmotto ist auf der Weinflasche, die ihr Gesicht abbildet, aufgeschrieben: „Entdecke deine Ursprünge wieder und schaffe einen neuen Anfang“. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind bei Tempore eins.


Weitere Infos:

Bezugsquelle: vinoalma.de

Beitragsfotos 1-4 und 6: © Bodegas Tempore

2 Kommentare

  1. Hallo,
    schöner Text, welcher diese faszinierende Familien- Geschichte und die harte Arbeit des „Weinmachens“ verbindet. Ich folge den Wein- Spuren der Familie nun seit 2015 und die Entwicklung der Qualität überzeugt mich. Die Generación Weine sind toll, aber auch der Terrae Mas de Aranda darf nicht unterschlagen werden.
    cheers, Mike

    1. Danke für den freundlichen Kommentar. Und richtig, der Terrae Mas de Aranda hat mir ebenfalls hervorragend gefallen. Alles Gute und beste Grüße. Thomas

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