In und um Jerez herum – auf der Weinshow Vinoble

Alcazar, Jerez, Vinoble

Die wohl schönste Weinmesse Spaniens ist die Vinoble in Jerez. Sie findet alle zwei Jahre in den Gebäuden und Gärten der rund 1000 Jahre alten maurischen Festung Alcazar statt, gerade erst wieder vom 29. bis 31. Mai.

Für mich stellte die Veranstaltung den Abschluss eines von Messen und Events dominierten Frühjahrs dar. Wer etwa meinen Bericht zur Barcelona Wine Week lesen möchte, wird als Abonnent bei Wein+Markt fündig. Während der Beitrag zu Spaniens größter Weinmesse Fenavin in Ciudad Real auf Weinkenner.de erschien.

Die Vinoble hob ich mir für diesen Blog auf. Und so famos dieses Event auch ist, so herausragend und rar einige der präsentierten Weine waren: Am interessantesten sind oftmals die Veranstaltungen, die im halbprivaten Rahmen stattfinden. Der Madrider Distributor „Enociones“ lud etwa zur Mittagszeit eine Gruppe von Medienschaffenden, Sommeliers und Szenegängern ins Weingut Santa Petronila ein, das sich mitten in der berühmten Weinlage Macharnudo befindet, wenige Kilometer von Jerez entfernt.

In der Weinlage Macharnudo, nahe Jerez.
In der Weinlage Macharnudo, nahe Jerez.

Die Öffnungszeiten der Vinoble orientieren sich mit 10 bis 14 Uhr und 17 bis 21 Uhr ganz am andalusischen Lebensstil. In der dreistündigen Mittagspause fuhr uns ein Bus zum Event auf Santa Petronila. Hier präsentierten sich neun Weingüter aus Jerez, Lebrija, Lanzarote, Málaga und anderen Herkünften. Dazu wurden Leckerbissen wie Mohama, Iberico und Thunfisch-Carpaccio und abschließend eine Paella gereicht.

Viña Santa Petronila – alles Bio, alles En Rama

Fünf der Weinguter kannte ich zuvor nicht, so auch die Gastgeber von Viña Santa Petronila. Die Bodega gehört dem Ehepaar Brita Hektor und Agustin Benjumeda. Sie ist Norwegerin und lehrte als Professorin an der Universität von Sevilla. Er ist Spanier und arbeitete als Schiffsingenieur. Im Jahr 2006 erstanden sie das reizende Anwesen, dessen Gebäude und Kellerei 1722 errichtet wurden und dem 16 Hektar Weinberge angehören – alle in der mehrere hundert Hektar großen Macharnudo-Lage.

Das Land bewirtschaften sie komplett biologisch, was in Jerez keine Selbstverständlichkeit ist und immer noch zu wenig geschieht. Die Trauben stampfen sie mit den Füßen, und ihre exzellenten Fino, Amontillado und Oloroso füllen sie ungeschönt und ungefiltert „En Rama“ ab. Die Produktion ist sehr klein, einen Teil der Trauben verkaufen sie noch, und ergänzend keltern sie aus ihrer Hauptrebsorte Palomino Fino den mineralisch-frischen Weißwein Marismas.

Brita Hektor und Agustin Benjumeda gaben ihre Jobs auf, um sich ganz dem Weingut zu widmen. „Dann lebt ihr jetzt euren Traum“, sage ich zu Brita. „Oder unseren Albtraum“, entgegnet sie scherzhaft. In der Tat braucht es viel Ausdauer, Investitionen und einen langen Atem, um ein Weingut zum Laufen zu bringen und bekannt zu machen. Bei Santa Petronila ist es nur eine Frage der Zeit: Terroir, Philosophie und Qualität passen zu hundert Prozent. Das Wort Geheimtipp sollte man nicht überstrapazieren, in Deutschland kennt sie aber so gut wie niemand, das steht fest.

Agustin Benjumeda und Brita Hektor betreiben das Weingut Viña Santa Petronila. Hier mit ihren Kindern Maria, Victoria und Joaquin im Bild.
Agustin Benjumeda und Brita Hektor betreiben das Weingut Viña Santa Petronila. Hier mit ihren Kindern Maria, Victoria und Joaquin im Bild.

Zurück auf der Vinoble

Ich hatte die „time of my life“. Es gibt kaum etwas größeres als Sherry. Zwar schrumpfte das Gebiet seit 1990 von 23.000 Hektar auf heute um die 6.500 Hektar. Aber der Qualität hat es gewiss nicht geschadet.

Bedauerlich finde ich einzig, dass ich vor lauter Klasse beinahe erschlagen wurde und gar nicht mehr hinterherkam, all die außergewöhnlichen Tropfen im Glas ausreichend zu würdigen. Keine Ahnung, wie viele Spezialabfüllungen, supertiefe Finos und VORS Amontillados, Palo Cortados und Olorosos ich probierte, von Erzeugern wie Lustau, Valdespino, Barbadillo, Ximénez-Spinola, Fernando de Castilla, Tradición, De La Riva, Viña Corrales (das Projekt von Peter Sissek) und wie sie alle heißen. Hätte ich das ganze Zeug doch nur zuhause in meinem Keller liegen, um es in aller Ruhe zu genießen.

Drinnen wie Draußen bietet die Vinoble ein stimulierendes Ambiente. Hier im Zimmer der D.O. Málaga.
Drinnen wie Draußen bietet die Vinoble ein stimulierendes Ambiente. Hier im Zimmer der D.O. Málaga.

Nur von Jerez bzw. Sherry zu sprechen, wäre aber verkehrt. Mit das Beste, was Andalusien zu bieten hat, kommt aus dem Anbaugebiet Montilla-Moriles in der weiter landeinwärts gelegenen Provinz Cordoba. Die weißen, kreidehaltigen Kalkböden – Albariza genannt – sind ähnlich wie jene im Sherry-Gebiet. Das Klima in Cordoba ist allerdings anders: Kontinentaler und extremer in den Temperaturkontrasten zwischen Tag und Nacht und insofern auch rauer.

Darüber hinaus ist Montilla-Moriles die Heimat der Rebsorte Pedro Ximènez (PX). Im Sherry-Gebiet ist hingegen nahezu ausschließlich Palomino Fino im Anbau. Für ihre Süßweine dürfen die Sherry-Kellereien sogar PX-Trauben aus Montilla-Moriles beziehen. Die D.O. Jerez-Xérèz-Sherry hat diesbezüglich eine Ausnahmeregelung eingeführt. Abgesehen von PX müssen alle sonst verwendeten Trauben natürlich aus den Weinbergen des Sherry-Gebiets stammen. Die Sherrybereitung muss sogar zwingend in einer der drei Städte Jerez de la Frontera, El Puerto de Santa Maria und Sanlúcar de Barrameda erfolgen. Die Sherrys reifen in 600-Liter-Fässern, den sogenannten Botas. Dies als Info am Rande, für jene Leser und Leserinnen, die sich für Details interessieren.

Großes Montilla-Moriles – Toro Albala und La Inglesa

Ein bedeutender Name in Montilla-Moriles ist Toro Albala. Das Weingut feiert dieses Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Sie sind berühmt für ihre sehr alten Weine, und ich hatte das Glück, dass sie für mich zwei Flaschen aus der unteren Schublade herauszogen. Der Amontillado „Marqués de Poley 1951“ begann sein Leben als Fino in den 1940er-Jahren (wann genau, können sie nicht sagen).

Die Jahresangabe 1951 bezieht sich auf den Zeitpunkt, als sie den Fino in Holzfässer gaben und fortan für 70 Jahre oxidativ ausbauten – nicht in einem Solera, sondern statisch. Der Wein hat einen gewissen Punch, eine gewisse Schärfe und Nussigkeit, wie man es von einem Amontillado erwarten darf. Zugleich ist er aromatisch enorm komplex und elegant balanciert. Selbstverständlich, bin ich geneigt zu sagen, verfügt er über bewundernswerte Länge und Intensität.

Nobler Wein auf der Vinoble.
Nobler Wein auf der Vinoble.

Für ein beinahe noch größeres Wow-Erlebnis sorgte Toro Albalas‘ Süßwein „Don PX 1973“. Er duftet außergewöhnlich nach Kräutern, ist ölig, konzentriert und weich am Gaumen und hat ein wahnsinnig langes, würziges Finish. Den hohen Restzucker von über 300 Gramm merkt man ihm kaum an, so harmonisch sind alle Komponenten miteinander verbunden. Grandios!

Eine Wucht, dieser Süßwein von Toro Albala
Spektakulär, dieser Süßwein von Toro Albala

Vergessen wir nicht das Weingut La Inglesa, ebenfalls aus Montilla-Moriles. Im Madrider Sternerestaurant Corral de la Moreria genoß ich im vergangenen März ihren 152 Jahre alten Amontillado La Inglesa Bota 0. Diese superrare Abfüllung hatten sie freilich nicht mit zur Vinoble nach Jerez gebracht, dafür diverse Fino, Amontillado und Palo Cortado von meisterhafter Klasse. Ganz großes Kino!

La Inglesa aus Montilla-Moriles, Cordoba, Vinoble
La Inglesa aus Montilla-Moriles, Cordoba

Es muss nicht immer Sherry sein

Das Sherry-Gebiet, oder besser gesagt die Provinz Cádiz, hat in den letzten zehn Jahren eine spannende Dynamik entwickelt. Eine junge Winzergeneration arbeitet biologisch und biodynamisch und ist stärker auf Terroir fokussiert. Während die traditionellen Sherrys unter der Kategorie „Stil-Weine“ einzuordnen sind, da sie sich vor allem über die Art des Ausbaus im Keller definieren, will die neue Generation etwa den spezifischen Charakter bestimmter Weinberge zum Ausdruck bringen. Die Beschaffenheit der Böden (man zählt allein sieben verschiedene Albariza-Typen), die Nähe einer Weinlage zum Atlantik und ihre Höhe nehmen zweifellos großen Einfluss auf die Qualität der Trauben und den finalen Wein.

Ihre Gewächse spriten die „Jungen“ nicht mehr auf, sondern bauen sie als „normale“ Weißweine aus – manchmal unter einem feinen Florhefeschleier, manchmal ganz ohne Flor. Wobei „normal“ nicht das richtig gewählte Wort ist, denn viele dieser Weine tragen gehörig Persönlichkeit in sich.

Ein solches Projekt ist Muchada-Léclapart in Sanlúcar de Barrameda. David Léclapart stammt aus der Champagne, Alejandro Muchada aus Cádiz. Sie arbeiten biodynamisch, in Weinbergen mit alten Reben und ihre Weißweine wie „Lumière 2019“ sind von großer Deutlichkeit und grandios balanciert.

Alejandro Muchada ist eine Hälfte von Muchada-Léclapart
Alejandro Muchada ist eine Hälfte von Muchada-Léclapart

Charakter, Klarheit, Balance: Das lässt sich genauso für Ramiro Ibañez und seine Weißweine der Bodega Cota 45 sagen. Nachdem ich „UBE Miraflores 2020“ in einem vorangegangen Blog eine „geradezu schwebende Leichtigkeit“ zuschrieb, wirkt „UBE El Reventón 2021“ deutlich geerdeter und erdiger. Packend ist das allemal. Und Trinkspass ist ebenso garantiert.

Nicht Ramiro Ibañez, aber ein Wein von ihm. Vinoble Jerez.
Nicht Ramiro Ibañez, aber ein Wein von ihm.

Ein Fondillón aus Alicante und ein Eis-Cidre aus Schweden

Auf der Vinoble präsentierten sich auch Weingüter von außerhalb Andalusiens. Sogar ein Eis-Cidre aus Nordschweden war vertreten, den Andreas Sundgren aus lokalen Apfelsorten gewinnt. 150 Gramm Restzucker treffen auf 16 Gramm Säure. Das ist trotz Süße unglaublich knackig und dazu hocharomatisch.

Für mich war es der zweite Eis-Cidre innerhalb kurzer Zeit. Im Madrider Sterne-Tempel „Paco Roncero“ bekam ich neulich schon ein solches Getränk aus der kanadischen Provinz Quebec kredenzt. Dort wurde der Eis-Cidre in den 1990er-Jahren erfunden. Ähnlich wie beim Eiswein werden in Quebec die Äpfel überreif und geschrumpelt bei Minusgraden geerntet.

Andreas Sundgren mit zwei seiner klasse Eis-Cidres.
Andreas Sundgren mit zwei seiner klasse Eis-Cidres.

Zurück ins heiße Spanien: Zu den vielen Höhepunkten zählte ferner ein Fondillón, eine Weinspezialität aus der Provinz Alicante. Fondillón wird immer aus der roten Rebsorte Monastrell gekeltert. Die Trauben werden überreif gelesen, so dass sie einen relativ hohen Zuckergehalt aufweisen. Der Wein wird dann auf 16 bis 18 Prozent Alkoholgehalt vergoren. Im Gegensatz zu den Sherrys wird Fondillon niemals mit Weingeist angereichert. Die Gärung stoppt natürlich und der Wein weist einen Restzuckergehalt von um die 30 bis 50 Gramm auf. Wir sprechen also von moderater Süße.

Einen Fondillón haben wir damit aber noch lange nicht. Nachdem die Gärung natürlich zu Ende gelangt, erfährt der Wein einen oxidativen Ausbau, der bei den traditionell hergestellten Fondillons im Solera-System und über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren erfolgt. Da beim Solera-Verfahren Jahrgänge verschnitten werden, bezieht sich die Jahresangabe immer auf das Durchschnittsalter des Weins.

50 Jahre oxidativ gereifter Fondillon von Monóvar
50 Jahre oxidativ gereifter Fondillon von Monóvar

Auf imposante fünfzig Jahre kommt der „Fondillón 50 Años“ von Bodegas Monóvar. Der Wein entstammt verschiedenen Jahrgängen zwischen 1945 und 1975. Der Ausbau erfolgte in 1700-Liter-Eichenfässern. Von ursprünglich 18 Prozent Alkohol nach der Vergärung hat er durch die jahrzehntelange Verdunstung im Fass auf 22,5 Prozent zugelegt. Der Restzucker liegt bei etwa 30 Gramm. Soweit zu den technischen Daten.

Dieser Wein ist absolut speziell: Er verfügt über einen ganz eigenen Charakter, sinnliche Aromen, viel Präsenz im Mund, eine samtige Textur und einen langen Nachhall. Die Restsüße ist leicht spürbar, wird aber von der Konzentration und Komplexität dieses Weins eingefangen. Für mich ist dies definitiv kein Dessertwein, sondern eher etwas zu einem gebratenen Steak.

Leider gibt es nur wenige Bodegas in Alicante, die diesen historischen Weinstil noch pflegen. Aber es gibt auch gute Nachrichten: In letzter Zeit werden es wieder mehr. Der 25 Jahre alte „Fondillón Luis XIV“ von Colección de Toneles beeindruckte kaum weniger als sein doppelt so alter Kumpan von Monóvar.

Schon jetzt kann ich 2024 kaum erwarten. Vinoble, ich komm wieder, keine Frage.


Weitere Infos

Alle Beitragsfotos: © Thomas Götz, Spaniens Weinwelten

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