Sherry & Tapas – ein Nachmittag mit Freunden

Sherry Amontillado mit Trevellez-Schinken und Oliven

Aktuell nehme ich von Spanien aus an der größten Sherry-Verkostung Deutschlands teil. Das Sherry-Informationsbüro lud zu einem „Social Sherry Tasting“ ein, in dem die Teilnehmer über Soziale Medien vernetzt sind, sich austauschen und Beiträge publizieren. Sechs verschiedene Sherrys und sechs Verkostungsgläser werden für’s Mitmachen zur Verfügung gestellt. Klar habe ich mich beworben, wurde ausgewählt, und vergangene Woche ist das Sherry-Paket in der Alpujarra eingetroffen.


Von staubtrocken bis sehr süß: die Sherrys für’s Social Sherry Tasting

Meine erste bewusste Erfahrung mit Sherry machte ich vor zwanzig Jahren im englischen Bristol. Ich arbeitete damals als Pfleger in einem Altenheim, wo ich Mrs Prior kennenlernte. Sie war eine herzliche und agile Dame im hohen Alter und stets auf einen Plausch mit mir aus, um von ihren Urlauben in Deutschland zu erzählen, die sie in den 1920er-Jahren an Mosel und Rhein führten. Mrs Priors tägliches Abendritual bestand darin, vor dem zu Bett gehen ein Gläschen Sherry zu trinken – passend zur Stadt eine Bristol Cream. Dieser Sherry zauberte ihr ein Lächeln ins Gesicht.

Es mag komisch erscheinen: Ich lebe in Andalusien und Sherry kommt von hier. Aber wenn ich das Wort höre, denke ich zuerst an England und Mrs Prior. Für mein erstes Social Sherry Tasting lud ich demnach sechs englische Freunde und Bekannte ein. George und Lisa aus London, die mit Freunden Robin und Toria gerade in ihrem Ferienhaus in der Alpujarra weilen sowie meine Nachbarn Judith und Alan. Die Verkostung beinhaltete fünf Sherrys mit jeweiliger Tapas-Begleitung, für die ich überwiegend lokale Produkte besorgte und um eigenes aus dem Garten (Salat, Oliven, Mandeln) ergänzte.

Mein Verkostungsteam
Das Verkostungsteam: sechs englische Freunde und meine Frau Emily.

Runde 1: Fino und Manzanilla mit in Essig eingelegten Sardellenfilets und grünem Salat
Fino und Manzanilla gehören dem selben Sherry-Typus an: Sie reifen unter einer Florhefeschicht, die sie vor Oxidation schützt. Beide Sherrys strahlen für gewöhnlich in hellem gelb und schmecken sehr trocken. Allerdings unterscheiden sie sich durch ihren Herkunftsort: Fino stammt aus den sich etwas landeinwärts befindenden Weinlagen rund um Jerez, während Manzanilla aus dem am Atlantik gelegenen Sanlúcar de Barrameda kommt. Diese Nuance ist nicht unbedeutend, weil die Meeresbrise dem Manzanilla, so sagt man, eine gewisse Salzigkeit verleiht.

Das Rücketikett beider Flaschen gibt Auskunft, dass Fino bzw. Manzanilla prima zu Fisch und Meeresfrüchten passen. Also kaufte ich auf dem lokalen Markt in Essig eingelegte Sardellenfilets (Boquerones en Vinagre). Mit etwas Knoblauch und Petersilie garniert, sind sie ein spanienweiter Tapas-Klassiker. Dazu bereitete ich einen grünen Salat aus dem eigenen Garten mit dem Olivenöl unseres Freundes Juan und etwas Essig, Salz und Pfeffer zu. Mehr braucht ein guter Salat nicht – es kommt einzig auf die frische und gute Qualität der Produkte an.

Sherry Fino mit Sardinenfilets und Salat
Der sehr trockene Fino passt u. a. gut zu in Essig eingelegten Sardellenfilets.

Bei der Degustation entbrannte rasch eine Diskussion, ob uns der Fino oder Manzanilla besser mundet. Alle waren wir verblüfft über den auffallend unterschiedlichen Geschmack der beiden sich eigentlich so ähnlichen Sherrys. Lisa gefiel der Fino besser, weil er wie sie sagte gleichzeitig trocken und schön fruchtig sei. Normalerweise sei Fino nicht so ihr Fall, aber dieser stelle eine positive Ausnahme dar.

Hingegen fand ich den nochmals trockeneren Manzanilla spannender: Er offenbarte ähnlich wie Champagner prägnante Hefe- und Teigaromen und fühlte sich komplex am Gaumen an. Auch die Salzigkeit, die dem Manzanilla zugesprochen wird, meinte ich im Abgang zu erkennen. Die Mehrheit schloss sich in diesem Fall meiner Meinung an, vor allem Alan und Judith zeigten sich vom Manzanilla begeistert, und alle waren wir schon auf den nächsten Gang gespannt.

Emily vergleicht Fino und Manzanilla
Fino oder Manzanilla? Emily gab Letzterem den Vorzug.

Runde 2: Amontillado mit luftgetrocknetem Trevélez-Schinken und Oliven
Amontillado ist für mich der interessanteste Sherry-Typ, weil er die beiden Ausbaustile der biologischen und oxidativen Reifung vereint. Zuerst reift er wie Fino und Manzanilla unter einer Florhefeschicht (biologisch), die im Bereitungsprozess durch Zugabe von Weingeist zersetzt wird, so dass er anschließend mit Sauerstoff in Kontakt kommt und eine oxidative Reifung im Holzfass erfährt. Der Amontillado schimmert dann auch schon deutlich dunkler im Glas als beispielsweise ein Fino.

Als Begleiter gab es Serrano-Schinken aus Trevélez. Der von meinem Haus unweit entfernte Ort in der Sierra Nevada ist mit fast 1.500 m. ü. NHN das höchstgelegene Dorf Spaniens. Dem Klima werden wahre Wunderdinge in Bezug auf luftgetrocknete Schinken zugesprochen – Trevélez ist in ganz Spanien dafür berühmt. Zudem fand ich noch ein letztes Glas eingelegter Oliven aus unserer Ernte von 2016 in der Bodega.

Sherry Amontillado mit Trevellez-Schinken und Oliven
Amontillado mit dem bekannten Trevélez-Schinken und unseren eigenen Oliven.

Der ziemlich trockene Amontillado war nicht jedermanns, sagen wir besser jederfraus Sache. Toria fand ihn geschmacklich zu streng, zu bitter. Alan entdeckte hingegen rauchige Noten, die ihn fast an Whisky erinnerten, was er positiv vermerkte. Robin fand die Qualität außergewöhnlich. Selten habe er einen feineren Amontillado im Glas gehabt, so der Sherry-Liebhaber und Kenner. Ich wiederum fand die Kombination dieses Sherrys mit dem Serrano-Schinken prächtig. Das saftige Fett des Schinkens mildert und verfeinert die durchaus dominanten alkoholischen Noten des Amontillados.

Runde 3: Oloroso mit Käse aus La Mancha und der Alpujarra und Mandeln
Mit dem Oloroso treten wir ein in die Welt der süßen Sherrys. Er wird vollständig oxidativ über mindestens sieben Jahre (teilweise bis zu 80 Jahre) in Holzfässern ausgebaut. Das praktische wie informative Tasting Manual, das der eingangs erwähnte Veranstalter dem Sherry-Kit hinzufügte, lag bei der Beschreibung des Oloroso für mein Empfinden genau richtig: der Süßegrad wird mit „leicht süß“ und die Aromen mit „Nuss/Gewürze“ angegeben. Das nahm ich ebenso wahr, ich würde vielleicht noch spezifizieren: „leicht süß mit einer angenehmen Säure und Aromen von Haselnuss“.

Sherry Oloroso mit Käse aus der Alpujarra und La Mancha
Der Oloroso konnte u. a. dem extrem salzigen Käse aus La Mancha (rechts) standhalten.

Der Oloroso bestand die Herausforderung eines Schafskäses aus La Mancha, den ich bewusst als Begleiter ausgewählt hatte. Schon einmal servierte ich diesen enorm salzigen Käse bei einer Pinot-Noir-Degustation, und wirklich niemand meiner Freunde mochte ihn damals. Jedem war er zu intensiv im Geschmack und zu aggressiv im Mund. Diesmal verhielt es sich genau anders herum: Alle lobten und liebten den La-Mancha-Käse, und ich kann mir dieses entgegengesetzte Ergebnis nur mit der Weichheit und Kraft des Oloroso erklären, der sich als gegensätzlicher und zugleich ebenbürtiger Partner erwies.

Für den milden Hartkäse aus der Alpujarra blieb da kein Raum. Er wurde von unserer Sherry-Gesellschaft weitgehend ignoriert.

George und Judith
George und Judith mit Oloroso im Glas.

Runde 4: PX mit gebackenen Aprikosen
Während alle zuvor getrunkenen Sherrys aus der Palomino-Rebe erzeugt werden, steht das Kürzel PX für die weiße Rebsorte Pedro Ximénez. Die Trauben werden nach der Ernte auf Matten ausgelegt und in der andalusischen Sonne getrocknet. So verlieren sie an Flüssigkeit, behalten aber ihren Zuckergrad. Enorm süße Sherrys von fast schon öliger Konsistenz sind das Resultat.

Der PX offenbarte sich als eine Wucht. Üppig und dicht konzentriert ohne dabei plump zu wirken, schmeckte er süßlich nach Rosinen. Die Liaison mit den gebackenen Aprikosen, die einen erkennbaren Säureanteil hatten, entpuppte sich als der Volltreffer des Nachmittags. Es gab rundum glückliche Gesichter und keine zwei Meinungen: dieser PX ist in seiner Weichheit und Opulenz bei gleichzeitiger Frische außergewöhnlich. Lisa schlug vor man sollte ihn mal einfach nur als Dressing für Eiscreme oder Zitronensorbet probieren, das würde bestimmt gut funktionieren.

Eine kurze Randbemerkung, um Missverständnissen vorzubeugen: Ein PX gilt nur dann als Sherry, wenn er aus dem sogenannten Sherry-Dreieck kommt, das die Städte Jerez, Sanlúcar de Barrameda und Puerto de Santa Maria bilden (Provinz Cádiz). Der Restzuckergehalt dieses Dessertweins muss zudem mindestens 212 Gramm je Liter betragen, erreicht oftmals aber sogar 400 bis 500 Gramm. Auch in anderen andalusischen Provinzen wie Málaga, Cordoba und Granada werden teils exzellente Süßweine aus der Weißweinsorte Pedro Ximénez gekeltert – sie firmieren aber nicht als Sherry.

Sherry PX mit gebackenen Aprikosen
Großartig harmonierte der sirupartig süße PX mit den gebackenen Aprikosen.

Soweit zum Verlauf unserer ersten Verkostung im Social Sherry Tasting. Das Thema wird mich und uns die kommenden Wochen auf diesem Blog weiter beschäftigen. Sherry, soweit bin ich mir bereits sicher, das ist eine tiefgründige und vielfältige Welt, in die es meinerseits noch einzudringen gilt. Ich würde mich freuen, wenn Sie mit dabei sind, vielleicht sogar bei sich zuhause eigene Sherry-Tapas-Kombinationen ausprobieren und ggf. darüber in der Kommentarspalte ihre Eindrücke und Tipps hinterlassen.

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