Spaniens Weingebiete (4) – die Größten

La Mancha, Weinfeld

Weit, weiter, La Mancha. So könnte die Steigerungsform für das größte Weingebiet der Welt klingen. Allein 193.000 Hektar sind als Qualitätsweingebiet D.O. La Mancha ausgewiesen. Hinzu kommen als VdlT Castilla-La Mancha nochmals über 100.000 Hektar, deren Reben zur Herstellung von Landweinen oder Brandys dienen. Das zusammenhängende Weingebiet kommt somit auf rund 300.000 Hektar Rebfläche und übertrifft damit alle dreizehn deutschen Anbauregionen um das Dreifache.

Dies ist der vierte Teil über spanische Weinanbaugebiete. Sechs Beiträge, unterteilt in die Weltbekannten, die Arrivierten, die Aufstrebenden, die Größten, die Kleinsten und die Exoten. Spaniens zweitgrößte Appellation – das Rioja – kommt übrigens auf einen Rebbestand von etwas über 60.000 Hektar und wurde in dieser Artikelserie bereits bei den „Weltbekannten“ vorgestellt. Deshalb soll es hier und heute nur um La Mancha gehen, weil dessen Größe schlichtweg überwältigt und überragt. Apropos: Eine Orientierung zu den 76 spanischen Weinregionen bietet der Link zu dieser Karte.

Riesiges Weingebiet verteilt auf vier Provinzen
Südlich von Madrid erstreckt sich auf rund 250 Kilometern Durchmesser eine weite Hochebene. Olivenhaine, Getreide- und Weinfelder prägen die fast menschenleer anmutende Landschaft, die Richtung Andalusien ins leicht hügelige übergeht. Es ist die Herzkammer Spaniens und Heimat von Don Quijote: Kastilien-La Mancha. Das Land ist einem extremen Kontinentalklima mit kalten Wintern und heißen Sommern ausgesetzt. Seine rotbraunen Böden sind stark kalkhaltig und mit Kies durchsetzt, was sie ideal für den Weinbau macht, der sich auf die vier Provinzen Albacete, Ciudad Real, Cuenca und Toledo verteilt.

„La Mancha, la Panscha“ lautet eine alte Phrase in Weinkreisen. Der Spruch bezieht sich auf die minderwertigen Massenweine, die aus dem Gebiet kamen und kommen und zuhauf in den europäischen Supermarktregalen landen, wo sie für wenig Geld angeboten werden. Masse bedeutet in der Tat nicht Klasse. Es ist aber auch nicht so, dass alles aus La Mancha nur Pansche wäre. Auch dort gibt es etliche hervorragende Weinproduzenten, und selbst mancher Billigwein schmeckt nicht mehr so übel wie noch vor zwei Jahrzehnten. Stellvertretend für die Vielfalt La Manchas seien im Folgenden eine Winzerlegende, ein Lagenwein und ein Großproduzent vorgestellt.

La Mancha
Das Gebiet befindet sich auf einer Hochebene zwischen Madrid und Andalusien (Foto: Piedad Sancho-Mata / © ICEX).

Die Winzerlegende – Alejandro Fernández
Diese Geschichte beginnt gar nicht in La Mancha, sondern in der nordspanischen Anbauregion Ribera del Duero. Mit seinem Weingut Tinto Pesquera brachte es der aus armen Verhältnissen stammende Alejandro Fernández dort in den 1980er Jahren zu weltweitem Ruhm. Der Kritiker Robert Parker zeigte sich begeistert von seinen fruchtigen, alkoholbetonten Rotweinen aus Tempranillo und bescheinigte ihnen eine große Zukunft.

Der Aufstieg von Alejandro Fernández in die internationale Weinelite gab der gesamten Region einen enormen Schub: Heute gilt Ribera del Duero mit Weingütern wie Vega Sicilia, Emilio Moro, Dominio de Pingus und natürlich Tinto Pesquera neben dem Rioja als bestes Weingebiet Spaniens.

Alejandro Fernández – inzwischen 85 Jahre alt – offenbarte sich nicht nur als außergewöhnlicher Winzer, sondern auch als guter Geschäftsmann. Schrittweise vergrößerte er seinen Weinbetrieb und gründete mit Condado de Haza und Dehesa la Granja weitere Weingüter, die er unter seiner Regie führt. Als viertes und letztes Weingut kam 1999 El Vinculo in La Mancha dazu.

Alejandro Fernandez
Alejandro Fernández (Foto: Piedad Sancho-Mata / © ICEX).

El Vinculo – für La Mancha ganz untypisch – ist das deutlich kleinste der vier Weingüter von Alejandro Fernández, die es zusammen auf über 1.200 Hektar an Rebfläche bringen und gemeinsam als Grupo Pesquera firmieren. Über mehrere Jahre suchte Alejandro Fernández nach dem für seine Vorstellungen geeigneten Land mit alten und gesunden Tempranillo-Rebstöcken, ehe er nahe der Kleinstadt Campo de Criptana fündig wurde.

Die Weine von El Vinculo präsentieren sich im typischen Fernández-Stil körperbetont, alkoholisch und fruchtig wie beispielsweise die Crianza 2012. Mit 18 Monaten Barrique aus amerikanischer Eiche könnte sie auch als Reserva durchgehen, doch der Titel ist bereits für jenen Tempranillo mit 24 Monaten Eichenfass reserviert. Wer schwere, fast schon mächtige Rotweine mag, dem werden jene von El Vinculo (Preissegment 10 bis 15 Euro) höchstwahrscheinlich gefallen.

El Vinculo - Alejandro Fernandez
El Vinculo, Crianza 2012

Der Lagenwein – Marques de Griñon, Dominio de Valdepusa
Vom armen Bauernsohn Alejandro Fernández, der sich zu einem vierfachen Weingutsbesitzer im Stile des Selfmademan hocharbeitet, kommen wir nun zum spanischen Weinadel.

Seit 1292 besitzt das Geschlecht Marqués de Griñón seine Ländereien in den Montes de Toledo, einer Berggegend etwa 200 Kilometer südwestlich von Madrid. Aus dem Señorio (Ritter) de Griñón wurde im 19. Jahrhundert ein Marquis (Marqués). Das Land diente den Herrschaften zur Jagd von Bären, Wildschweinen und Rehen.

Erst 1974 wandelte der heutige Marqués de Griñón, Carlos Falcó, das Anwesen in einen Weinbetrieb um. Dieses Weingut Domino de Valdepusa, benannt nach den Ländereien, erhielt 2003 als erstes überhaupt in Spanien die damals neu eingeführte und bis heute höchstmögliche Klassifizierung des spanischen Weinrechts: Vino de Pago (VP).

Das Wort „pago“ bedeutet im spanischen u. a. Weinlage. Ein Vino de Pago ist entsprechend ein Wein, der aus einer Einzellage bzw. Parzelle von besonderer Qualität und hohem Potenzial stammt. Auch wenn der Vergleich aufgrund der sehr unterschiedlichen Gesetzgebungen etwas hinkt, würde man einen Vino de Pago in Deutschland wohl als Großes Gewächs bezeichnen.

Im riesigen Weinland Spanien gibt es momentan nur 17 Weingüter, die den Titel Vino de Pago tragen dürfen. Acht davon sind übrigens in Kastilien-La Mancha beheimatet, was ebenfalls zeigt, dass die Region deutlich mehr als nur Massenweine zu bieten hat.

Weinkeller von Marques de Grinon
Weinkeller von Marqués de Griñón (Foto: Félix Lorrio / © ICEX).

Erst zwei Rotweine habe ich von Marqués de Griñón – Dominio de Valdepusa getrunken. Da bleibt Raum für mehr. Der Caliza 2013 ist aber ein derart feiner und spannender Verschnitt aus Syrah, Petit Verdot und Graciano, dass er hier nicht unerwähnt bleiben soll.

Es handelt sich um einen Terroirwein, der die Mineralik seiner Kalksteinböden (ähnlich wie im Burgund) in sich trägt. Der Wein hat Tiefe und Komplexität, Finesse und Weichheit. Es ist saftig, gehaltvoll und verfügt über ein breites Aromensprektrum, das reife Früchte und Gewürzkräuter erkennen lässt. Ein Wein, der für seinen Preis von etwas über zehn Euro exzellent schmeckt und neugierig auf die noch höher eingestuften Weine von Marqués de Griñón macht.

Marques de Grinon, Lagenwein
Der Caliza von Marqués de Griñón – Dominio de Valdepusa: Spitzenwein für knapp über zehn Euro

Der Großproduzent – Osborne
Der Stier auf dem Etikett weiter unten kommt vielleicht bekannt vor. Osborne, der bekannte Sherry- und Brandy-Produzent. Sitzt der nicht in Jerez, Andalusien? Tut er, aber weil das dortige Anbaugebiet zu klein ist, weicht er unter anderem auf die weiten Flächen in La Mancha aus.

Bei Sherrys müssen die Reben (Palomino) zwingend aus dem sogenannten Sherry-Dreieck in Andalusien stammen. Für Brandys gilt das nicht. Airen heißt die weltweit am meisten angebaute Weißweintraube, auch in La Mancha übertrifft sie in Bezug auf den Rebbestand alle anderen Sorten. Kaum jemand kennt sie, weil sie fast ausschließlich für Branntweine herangezogen wird. Da der Konsum von Brandy seit Jahrzehnten aber faktisch nachlässt, vermute ich mal ganz postfaktisch, dass Osborne in La Mancha einige seiner Airen-Flächen umgewandelt und dort Rotweinreben wie Tempranillo und Cabernet Sauvignon kultiviert hat.

Rotwein Osborne
Guter Massenwein aus La Mancha: der Solaz von Osborne

Aus diesen zwei roten Trauben stammt der „Solaz“, den ich für 2,99 Euro im Supermarkt fand. Finden ist das falsche Wort. Mehrere Regalreihen mit hunderten Flaschen dieses Weins sprangen mir als Sonderaktion quasi entgegen. Ich konnte gar nicht anders als zugreifen.

Der günstige Wein mit nur 13% Vol. schmeckt nicht schlecht: Säure, Körper, Weichheit, Kraft, Tannin, Frucht – er hat von allem etwas und von nichts zuviel. Perfekt für die Masse, die es weniger herausfordernd, sondern gemütlich am Gaumen und außerdem billig mag. Trotz aller Konformität kann man hier von „La Mancha, la Panscha“ gewiss nicht mehr sprechen.


Bezugsquellen:
Weine von El Vinculo-Alejandro Fernández sowie von Marqués de Griñón-Dominio de Valdepusa können in Deutschland u. a. über Silkes Weinkeller bezogen werden: www.silkes-weinkeller.de

Den Solaz von Osborne verkauft selbst Amazon.de, allerdings für 4,99 Euro die Flasche.

1 Kommentar

  1. Wir fahren gerade durch diese Region und mich fasziniert und inspiriert dieser Artikel sehr! Ein spannender road-trip, der mit neuem Wissen bereichert wurde!

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