Blind Tasting – mit Deutschland gegen Spanien ins WM-Jahr

Blind Tasting Weine

2018 beginnt mit einem Blind Tasting in bewährter Runde. Mit Nelleke und Dick von Granada Wijnen sowie meinen englischen Freunden und Nachbarn Alison, Anne, Judith, Alan und Simon. Ja, in dem kleinen andalusischen Bergdorf, in dem ich lebe, bin ich umzingelt von Engländern. Das funktioniert gut, so lange sie nicht Wembley 1966 erwähnen, was sie netterweise nie machen, und glücklicherweise stellen sie sich auch immer wieder gerne für Blindverkostungen zur Verfügung, bei denen ich herausfinden will, wie spanische Weine im Vergleich zu jenen aus anderen Ländern bei den „normalen“ Weintrinkern so abschneiden.

Dieses Mal hatte ich drei deutsche Weißweine als Counterparts vorgesehen. Mein lieber Schwager Richard im entfernten Deutschland hat mein Faible für die Pfalz nicht vergessen und mir zu Weihnachten eine Flasche Grauer Burgunder vom Weingut Faubel (2016, Maikammer Kapellenberg) zukommen lassen. Und dann gibt es im hübschen Küstenstädtchen Almuñécar mit der Licoreria Olivares eine Spirituosen- und Weinhandlung mit einem feinen Sortiment, das sogar zwei deutsche Weine enthält, was bei kleinen spanischen Weinhandlungen eine Seltenheit darstellt: den 2015er Riesling Blauschiefer von Dr. Loosen und den 2016er Gewürztraminer von Villa Wolf. Zugegeben nicht viel, aber immerhin etwas, und beide Weine sind gut.

Blind Tasting Runde
Der Autor als Kellner (Foto: Simon Roth).

Aus der Licoreria Olivares nahm ich ebenfalls drei spanischen Weißweine für das Blind Tasting mit nach Hause, wobei ich auf verschiedene Regionen und Rebsorten achtete: Die heimische Sierra Nevada vertrat das Weingut Pago de Almaraes mit einer 2016er Cuvée aus 80% Moscatel sowie etwas Chardonnay und Sauvignon Blanc. Ergänzend das bekannte Weingut Enate aus der D.O. Somontano – im Norden Aragons nah an den Pyrenäen gelegen – mit dem Chardonnay-234 des Jahrgangs 2016. Ebenfalls bietet sich Galicien für Weißweine an: aus der D.O. Rías Baixas der sortenreine Albariño 2016 von Lagar de Costa. Somit hatte ich einen mediterranen Bergwein (Sierra Nevada), einen von kontinentalem Klima beeinflussten Wein (Somontano) und einen atlantischen Wein (Rías Baixas) zur Auswahl.

Blind Tasting Nelleke
Nelleke, im Hintergrund Anne und Alan (Foto: Simon Roth).

Die Weine servierte ich den Freunden mit überklebten Etiketten und Flaschenhälsen. Meine Gäste sollten diese im 100-Punkte-System – wie es bekannte Weinkritiker wie Robert Parker oder José Peñin verwenden – bewerten. Zum Sinn und Unsinn dieser Punktesysteme habe ich in den Anfangszeiten dieses Blogs bereits einen Beitrag verfasst, hinter dem ich inhaltlich immer noch stehe und den ich Ihnen zum Lesen ans Herz legen will. Ganz kurz will ich an dieser Stelle aber ausführen, wie das mit der 100-Punkte-Vergabe funktioniert.
Es werden vier Kategorien bewertet: Farbe (max. 5 Punkte), Geruch (max. 15 Punkte), Geschmack (max. 20 Punkte) und Gesamteindruck (max. 10 Punkte). Wer bei diesen vier Kategorien mit ihren maximal zu vergebenden Zahlen mitgerechnet hat, wird feststellen, dass wir auf höchstens 50 Punkte kommen. Deshalb werden prinzipiell bei jedem Wein nochmals 50 Punkte draufgeschlagen. Ein Wein, der am Ende einen Wert von 80 bis 84 Punkten erhält, gilt als gut. Von 85 bis 89 als sehr gut, von 90 bis 94 als exzellent und von 95 aufwärts als einzigartig und außergewöhnlich. So gibt der bekannteste spanische Kritiker José Peñin seine Einstufung an.

Blind Tasting Dick Judith
Dick und Judith (Foto: Simon Roth).

Eine Blindverkostung ist für die Teilnehmer nicht einfach. So manche Experten liegen bei einer verdeckten Degustation mit ihren Einschätzungen zu Reben und Regionen schwer daneben. Den Treffer des Abends landete Judith, die den Gewürztraminer erkannte, ohne dass sie überhaupt wusste, dass diese Rebe mit zur Auswahl stand.

Wie die Weine bei dem Blind Tasting in der Punkte-Rangfolge abgeschnitten haben, ist für diesen Artikel jedoch nicht so relevant, weil sie mit durchschnittlich 85,3 bis 88,6 Punkten alle eng beieinander lagen. Zu ernst sollte man die Punkte generell nicht nehmen, weil sie im Grunde nichts über den Kontext, die Stilistik und das Aromenspektrum eines Weins aussagen. Ich lasse meine Freunde an solchen Abenden deshalb nach Punkten bewerten, weil eine spielerische Komponente darin liegt und es ihnen Spass macht. Nach dem Zusammenzählen aller acht Bewertungszettel war Dr. Loosen Letzter und Faubel Erster. Bereits am Nachmittag hatte ich die verdeckte Degustation, als mir meine Frau Emily die Weine kredenzte. Meine Favoriten nach Punkten: Faubel vor Dr. Loosen vor Enate.

Blind Tasting Stillleben
Loosen war Loser, zumindest nach Punkten (Foto: Simon Roth).

Es gibt aber auch eine inoffizielle Wertung, die mir ehrlicher und aussagekräftiger erscheint: Nach dem gemeinsamen Blind Tasting gingen wir zum geselligen Teil über, tischten Speisen und die sechs Weine offen auf. Jede/r griff zu dem Tropfen, auf den er/sie Lust hatte und es wurde fleißig nachgeschenkt. Als erste Weine wurden der säurebetonte Albariño von Lagar de Costa und der konzentrierte Chardonnay-234 von Enate geleert. Auch der knackige Graue Burgunder von Faubel und der mineralische Riesling von Dr. Loosen waren zügig ausgetrunken. Viel länger benötigte in der Runde der liebliche Gewürztraminer von Villa Wolf um seinem Ende entgegen zu blicken. Und vom etwas seifig und flach schmeckenden Moscatel „Mencal“ aus der Sierra Nevada stellte ich am Ende des Abends sogar eine halbvolle Flasche zurück in den Kühlschrank.

Blind Tasting, später Abend
Alans Paella schmeckte fast noch besser als die Weine (Foto: Simon Roth).

Noch ein Wort zum 2016 Albariño von Lagar de Costa, weil Leser und Leserinnen dieses Blogs wissen, dass mir die Weißweine aus dieser galicischen Rebsorte in der Regel besonders zusagen. Der Wein enthält die typischen Albariño-Merkmale: Ein schönes Zusammenspiel aus spürbarer Säure und zarter Frucht macht ihn saftig. Und weil die Böden in der D.O. Rías Baixas einen hohen Granitanteil aufweisen, zeigt der Wein zudem eine feine Mineralik. Dick erkannte leicht salzige Noten im Abgang, die er trinkanimierend fand. Für mich ein eleganter Albariño – weniger spektakulär als manch andere, die ich im letzten Jahr zum Beispiel von Eulogio Pomares, Xurxo Alba oder Carlos Rey Lustres im Glas hatte, aber trotzdem sehr gut und empfehlenswert zu trinken.


Weitere Infos:
Der 2016 Chardonnay-234 von Enate kann in Deutschland u.a. bei vinos.de bezogen werden; der 2016 Albariño von Lagar de Costa bei hispavinus.de.

2 Kommentare

  1. It was a great evening Tom. We really enjoyed it. Such a nice thing to do. Many thanks for using my photos which look surprisingly good embedded in your text!

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