Unterwegs im Land wo kein Riesling wächst, so der Untertitel dieses Blogs, der auf meine Weinsozialisation hinweist, bevor ich 2015 von Berlin in die Sierra Nevada zog. Vor allem Riesling aus deutschen Gefilden stellte für mich großes Geschmackskino dar, dem ich in Weinbars wie dem Otto Rink in Kreuzberg, dem Rutz in Mitte, auf Pfalztour mit meinem Schwager Richard oder schlicht und einfach beim Abendessen mit meiner Frau gefrönt habe. Riesling gehört für mich zum deutschen Kulturgut, so bedeutend wie Goethe, Fußball und Helene Fischer.
Mit dem Umzug nach Andalusien und dem Start von Spaniens Weinwelten ist der Riesling dann naturgemäß in den Hintergrund getreten. Schließlich genießt die Rebe im spanischen Weinbau keinen hohen Stellenwert. Zwar finden sich ein paar Rieslinge auch hier, aber einen wirklich überzeugenden hatte ich noch nicht im Glas. Stattdessen bereiten mir Weißweine aus Sorten wie Albarino, Albillo, Doradilla, Garnacha Blanca, Godello, Listán Blanco, Moscatel, Palomino Fino, Verdejo und Viura viel Trinkspass. Allesamt können sie knackige, saftige, mineralische, fruchtige, elegante und mächtige Weine hervorbringen. Spanien ist ein Top-Weißweinland.
Meine Liebe zum Riesling ist deshalb freilich nicht erloschen, und da war es vom Blogger Peter Stuckwisch wirklich nett, mir ein Weinpaket aus Deutschland zuzuschicken, in dem sich zwei solcher fabelhafter Gewächse vom Weingut Meulenhof drin befanden. Ebenfalls enthielt die Box einen von Schwaben gekelterten Spätburgunder aus Neuseeland, der bei mir ein WOW auslöste, um es in Comic-Sprache auszudrücken.
Happy Blogger. Post aus Deutschland, u. a. mit Riesling drin.
Bevor Sie sich fragen, worum es in diesem Artikel geht: Nach genau zwei Jahren Spaniens Weinwelten und 112 Blog-Beiträgen erlaube ich mir erstmals fremdzugehen: Heutiges Thema ist eben jenes Paket von Peter mit dem Inhalt 2x Deutschland, 1x Österreich, 1x Kroatien, 1x Neuseeland und 1x Südafrika. Es bleibt bei diesem „One-Off“ in die weite Weinwelt, versprochen, ab nächster Woche gibts wieder Spanien.
Johannes Zillinger und der Beweis: Wein macht süchtig
In einer kurzen Textnachricht meinte Peter, ich solle doch mit dem „Revolution“ des Österreichers Johannes Zillinger beginnen. Er sei gespannt, was ich darüber zu sagen hätte. Riesling ist in diesem Naturwein zu 25% vertreten, dazu kommen 25% Scheurebe und 50% Chardonnay. Klingt erst einmal recht normal, wenn die Weinbereitung nicht so außergewöhnlich wäre.
Der Riesling wird von Johannes Zillinger nämlich im Solera-System ausgebaut. Diese Methode zur Reifung wurde im Sherry-Gebiet entwickelt. Ein Solera-System enthält mindestens drei Stufen, die jeweils aus einer Fassreihe bestehen. Die oberen Fassreihen bzw. Stufen heißen „Criaderas“, während die untere Reihe „Solera“ genannt wird (abgeleitet vom Spanischen „suelo“, was „Boden“ bedeutet). Aus den Fässern der Solera wird der „fertige“ Wein entnommen, häufig ist das etwa ein Drittel des Fassinhalts. Anschließend wird die gleiche Menge aus der nächsthöheren Reihe abgezapft, um die Fässer der Solera wieder aufzufüllen. So geht das Stufe für Stufe. Die oberste Criadera wird letztlich mit dem neuen Jahrgang aufgefüllt. Der Wein wandert also schrittweise von oben nach unten. Auf diese Weise werden Jahrgänge miteinander verschnitten und eine relativ gleichbleibende Qualität und Charakteristik des Weins garantiert.
Spitze. Der Revolution von Johannes Zillinger.
Die Chardonnay erfährt für den Revolution bei Johannes Zillinger hingegen eine intrazelluläre Gärung (Kohlensäuremaischung) in 500 Liter fassenden Amphoren. Die Scheurebe gärt wiederum kurzzeitig auf der Maische. Die Kombination aus diesen verschiedenen Rebsorten und Methoden der Weinbereitung gibt dem Wein viel Struktur, Körper und Komplexität. Im Duft und am Gaumen vermengen sich spannende Frucht- und Hefearomen; dazu ist der Wein herrlich saftig und von schmelziger Textur.
Eigentlich wollte ich den „Revolution white“ über mehrere Tage hinweg trinken. Gerade bei Naturweinen ist es spannend zu sehen, wie sie sich entwickeln. Der Wein macht aber derart süchtig, dass ich dieses Vorhaben schnell aufgab. Die Flasche war noch am selben Abend geleert. Etwas mehr zu den Bioweinen von Johannes Zillinger aus dem niederösterreichischen Weinviertel können Sie auf dem Blog Weinding von Peter Stuckwisch lesen.
Rieslinge vom Meulenhof – filigran, saftig und mineralisch
Seltsame Namen für Weine scheinen im Trend zu sein – nicht einzig, aber auch in Deutschland. Manche Winzer, die zur Avantgarde gezählt werden bzw. deren PR-Agenturen, üben sich in pseudo-kreativen Wortschöpfungen à la „Holy Moly“ oder „Flying Pig“. Nicht so bei diesem Gewächs vom Weingut Meulenhof: „2016er Erdener Treppchen, Riesling Kabinett, Alte Reben“ steht da sachlich auf dem Etikett gedruckt. Eine klassische Bezeichnung und genauso klassisch kommt der Riesling daher: Geradlinig und filigran, mit einer tollen Säure, die sich in feinen Fäden den Zungenrand entlangzieht. Ein Wein mit gehörigem Restzucker und nur 9% Alkoholgehalt, der trotz Süße viel Grip hat und eine Frucht von reifer Birne und Honigmelone zeigt. Da war ich schon mal glücklich.
Der zweite Meulenhof-Riesling im Paket kommt aus der selben Lage, dem Erdener Treppchen: „2015, Riesling, Grosses Gewächs, Bernkasteler Ring“. Der trockene Weißwein offenbart einen sortentypischen Duft aus Steinobst und mineralischen Noten. Verzeihen Sie mir folgende Ausdrucksweise, aber der Wein ist enorm „lecker“ und „süffig“: Reife Frucht, reife Säure, cremig und elegant, dazu Körper und Struktur fein miteinander verwoben. Was will man mehr!
Erdener Treppchen auf Fondales-Treppchen.
Das Erdener Treppchen, dies sei kurz erwähnt, ist eine nach Süd-Südwest ausgerichtete Weinlage an der Mosel, die zur Ortschaft Erden gehört. Der Hang ist extrem steil, deshalb wurden schon vor mehreren Jahrhunderten Steintreppen eingebaut – daher der Name. Neben dem Meulenhof bewirtschaften hier so bekannte Weingüter wie Markus Molitor und Dr. Loosen weitere Rebgärten.
Istrien – großes Malvasia-Kino
Vor etwa 15 Jahren machte ich Urlaub in Istrien und fand, dass man auf dieser Peninsula ziemlich gut essen und trinken kann. Neulich wurde ich wieder daran erinnert, als die „Welt“ einen längeren kulinarischen Reisebericht über das zu Kroatien gehörende Istrien veröffentlichte: Olivenöl, Trüffel, Sterneküche und Wein sind unter anderem die Themen der Reportage, in der auch der Weinmacher Dimitri Brecevíc mit seinem Weingut Piquentum erwähnt wird.
Eine „radikale Weinbauphilosophie“ verfolge Brecevíc, so der Autor der Welt. Radikal seiner Ansicht nach vermutlich deshalb, weil es Naturweine sind, die das Weingut Piquentum erzeugt. Naturweine sind nach meinem Verständnis eine Übung im Weglassen: Sie zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass der Weinberg ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln biologisch bzw. oftmals biodynamisch bestellt wird und dass der Winzer darüber hinaus im Keller auf die Zugabe von Reinzuchthefen für die alkoholische Gärung und den Einsatz von Schwefel verzichtet. Weitere Methoden der Weinbereitung wie Anzuckern, Aufsäuern, Schönung und Filtrierung bleiben ebenfalls außen vor. Ein Wein eben, der in einem natürlichen Gär- und Ausbauprozess entsteht.
Piquentum aus Istrien schmeckt auch Schwiegervater aus Schweden.
Peter Stuckwisch, dem als Universalist die istrischen Weine nicht verborgen geblieben sind, schickte mir vom Weingut Piquentum den sortenreinen 2016er Malvazija (Malvasia) nach Andalusien. Als wir den Weißwein zuhause trinken, findet ihn mein Schwiegervater Lars „fruchtig“, meine Frau Emily „fleischig“ und ich selbst entdecke kräutrige Noten. Vielleicht haben wir alle Recht: Diese gehaltvolle Malvzija, die in der Textur tatsächlich fleischig wirkt, gibt einfach sehr viel her und hat definitiv einen vielschichtigen Charakter.
Neuseeland – Pinot Noir vom Feinsten
Und dann sind da noch die Übersee-Weine: Ein fabelhafter Pinot Noir kommt aus Neuseeland, und zwar von den Schwaben Kai Schubert und Marion Deimling. Beim 2014er Jahrgang ihres „Schubert Block B“ fällt es mir schwer nicht in Superlativen zu schreiben. Als ich im Internet zum Wein und Weingut recherchiere, stoße ich mehrfach auf Aussagen, die vom „besten Pinot Noir Neuseelands“ sprechen. Jener Spätburgunder wird im Anbaugebiet Wairarapa gekeltert, welches sich durch ein raues und windiges Klima auszeichnet, was der Rebsorte zusagt. Im Vergleich zu Deutschland sind die Herbstmonate im Wairarapa-Tal jedoch deutlich trockener, was eine optimale Ausreifung der Trauben sicher begünstigt und wohl den satten Alkoholgehalt von 15,5% Vol. erklärt.
Ob wir es hier mit dem „besten Pinot Noir Neuseelands“ zu tun haben, vermag ich nicht zu sagen. Da ich nur wenige Weine aus Neuseeland kenne, fehlen mir die Vergleichsmaßstäbe und das alleinige „Beste“ existiert im Grunde nicht. Was ich aber sagen kann, ist, dass dieser Spätburgunder nicht aufgrund seines hohen Alkoholgehalts – den man ihm nicht anmerkt – eine echte Wucht darstellt, sondern aufgrund seiner bemerkenswerten Präsenz und Eleganz. Feinstes Tannin und eine lebhafte Säure bilden ein fantastisches Gerüst in diesem Wein. Als Draufgabe sind eine klare rote Frucht, Anklänge von Lakritz und ein filigraner Körper zu nennen. Der „Schubert Pinot Noir Block B“ zeigt sich insgesamt hochfein, saftig und sagenhaft gut ausbalanciert. Ein echter Wow-Wein, ein absolutes Highlight. Es fehlt mir an der Sprache, diesen Wein adäquat zu beschreiben, man könnte auch sagen: Es verschlägt mir die Sprache.
Macht Emily glücklich: Schubert Pinot Noir Block B 2014.
Südafrika – der Chenin Blanc verträgt Holz
Südafrika, ein weiteres Weinland, über das ich rudimentäre Kenntnisse besitze. Ich erinnere mich an eine Weinprobe bei Rindchens Weinkontor vor mehreren Jahren in Berlin-Charlottenburg. Thema: Südafrikanische Weine. Damals wurden überwiegend Rotweine aus Pinotage, Merlot und Cabernet Sauvignon kredenzt, und keiner der Tropfen blieb in meinem Gedächtnis wirklich verankert. Wucht hatten sie zwar, aber da war kein Wow-Effekt dabei.
Nun also ein Weißwein aus Chenin Blanc, eine Sorte, für welche die französische Loire bekannt ist und die zudem in Südafrika große Popularität genießt. Der „Chenin Blanc 2016 Terroir Selection“ von Springfontein kommt mit einen reichen Körper daher; breit und ausgewogen ist er – der Ausbau in gebrauchten Eichenfässern wirkt sich in diesem Fall positiv aus. Vielleicht kommt durch das Holz auch die Cremigkeit, welche er am Gaumen zeigt.
Gewiss nicht alle Weißweine vertragen Barrique, einige werden durch die Holzaromen erdrückt. Beispielsweise wird im spanischen Rueda die Sorte Verdejo nicht nur im Tank, sondern vor allem für den asiatischen Markt und dessen Geschmacksvorlieben ebenfalls in Barriquefässern vergoren und ausgebaut. Häufig kommen dabei plumpe und fette Weißweine heraus. Das was die Verdejo eigentlich ausmacht – Frucht und knackige Säure – ist überlagert. Nicht so bei diesem Chenin Blanc: Hier entsteht in Kombination mit gebrauchtem Holz ein vollmundiger, recht komplexer Tropfen mit interessanten fruchtigen und würzigen Aromen, der sogar zu einem Steak passt.
Cremiger Chenin Blanc aus dem Anbaugebiet Walker Bay, Südafrika.
Zum Schluss einen großen Dank an Peter Stuckwisch. Dieses Paket hat echt Spass gemacht!