Telmo Rodríguez aus dem Späti

Neulich in der Altstadt von Málaga. Der Juli kann brutal heiß und schwül sein. So wie an diesem Tag. Es ist bereits dunkel, als ich mit meiner Frau und den Kindern nach Hause schlendere. Uns ist dringend nach einer Erfrischung zumute. An einer Straßenecke hat ein Spätverkauf geöffnet. Ich gehe rein, schnurstracks Richtung Kühlschrank und greife nach zwei Flaschen Wasser. Moment mal, denke ich und schaue mir die Regale um mich herum genauer an. Dieser simple Eckladen hat ein fantastisches Whisky-Sortiment. Und die Weinsektion haut mich ebenfalls fast um.

Ich zwinge mich dazu, nicht länger an den Weinregalen stehen zu bleiben. Schließlich soll ich Frau und Kindern, die draußen warten, Wasser bringen. Ich gehe also zur Kasse und bezahle zwei Flaschen Wasser. Ein Euro. Ich sage noch zum Kassierer: „Tienes un section de vinos muy bueno“. Er, langes Haar, knochige Erscheinung, lächelt wissend und sagt: „Si, gracias.“ Auf der Straße sage ich zu meiner Frau: „Du, ich muss da nochmal rein. Die haben ein Hammer-Weinsortiment.“ Sie und die Kinder sind gnädig und lassen mich ziehen.

Also zurück in den Späti und zu den Weinregalen: Rioja, Ribera del Duero, Rías Baixas vom Feinsten. Ich nehme mir vor nur eine Flasche mitzunehmen, heute haben wir schon genug für Essen und Trinken ausgegeben. Mein Blick fällt auf den Mountain Blanco von Telmo Rodríguez. Ein trockener Moscatel aus den Sierras de Málaga. Jahrgang 2014. Vergilbtes Etikett. 13 Euro. Den nehm ich mir und schreite zur Bezahlung.

An der Kasse zieht der hagere, langhaarige Mann ein zweifelndes Gesicht. Ein Weißwein von 2014, meint er, „ich bin mir nicht sicher, ob der noch gut ist“. Ich sage zu ihm, dass mich das genau interessiert. Manche Weißweine bauen mit den Jahren ab, andere gewinnen dazu. Und bei diesem Wein will ich wissen, wie er nach fünf Jahren schmeckt. Der Mann ist von meiner Ausführung nicht überzeugt. Er greift zum Smartphone und sagt, er rufe kurz einen Freund an. „No“, sagt der Kerl am anderen Ende der Leitung, ein trockener Weißwein ist nach fünf Jahren nicht mehr gut.

Der Kassierer legt auf und spricht wieder zu mir: Ich sollte nicht so viel Geld für einen vermutlich verdorbenen Wein ausgeben, sagt er. Und fügt hinzu, dass ich die Flasche geschenkt bekomme. „Wenn er dir schmeckt, kannst du ja zurückkommen und ihn bezahlen. Einverstanden?“ Ich schaue verwundert drein und willige ein. „Trato hecho! – Abgemacht!“


Am darauffolgenden Tag öffne ich den Mountain Blanco. Bin gespannt. Der Korken ist okay. Mehrere Jahre stehend im Spätverkauf scheinen diesbezüglich nicht geschadet zu haben. Ich gieße den Wein ins Glas. Die Farbe sieht prima aus: Grüngolden und sehr klar. Der Duft ist klasse: Zitrusfruchtig, mineralisch und absolut sauber. Am Gaumen schmeckt er saftig-frisch – mit toller Säure, grasigen Noten und großartiger Mineralität. Ein super Trinkfluss, meine Frau und ich leeren die Flasche wie nichts. Selten so einen feinen und pointierten Moscatel im Glas gehabt. Ich muss definitiv zurück in den Spätverkauf und die Flasche nachträglich bezahlen.

Mountain Blanco. 2014. Telmo Rodríguez, Molino Real.
Lecker. Mountain Blanco 2014 von Telmo Rodríguez – Molino Real.

Die Málaga-Weine von Telmo Rodríguez

Telmo Rodríguez ist ein Star der spanischen Weinszene und ein Liebling der Weinkritik. Das profilierteste Projekt des gebürtigen Basken dürfte wohl Bodega Lanzaga in Rioja Alavesa sein. Für den dort erzeugten Rotwein Las Beatas gab es auch schon 100 Parker-Punkte von Luis Gutiérrez. Weitere Weine keltert die Compania de Vinos Telmo Rodríguez im galicischen Valdeorras, in der Sierra de Gredos, in den Anbaugebieten Toro und Ribera del Duero und eben in Málaga.

Mit seinem Weinprojekt in Málaga hat Telmo Rodríguez in den 1990er Jahren in der Axarquia begonnen, um laut eigener Auskunft „die große Geschichte der dortigen Bergweine wieder zu beleben.“

Die Axarquia ist eine Bergregion im Hinterland der Costa del Sol. Rund um die Ortschaft Competa befinden sich die Weinberge, aus denen Telmo Rodriguez die Trauben erhält. Die daraus erzeugten Weine firmieren unter dem Label „Molino Real – Mountain Wines“. Sie werden auf dem Gelände von Bodegas Almijara am Ortsrand von Competa gekeltert. Jenes alteingesessene Weingut habe ich im März 2018 erstmals besucht. Aus dieser Zeit stammen auch die Fotos in diesem Beitrag, die unter anderem Steillagen von Telmo Rodríguez zeigen.

Steillage von Telmo Rodríguez nahe Competa.
Steillagen bei Competa. Parzellen für die Weine von Molino Real – Telmo Rodriguez.

Alle drei Molino-Real-Gewächse werden zu 100% aus der autochthonen Muskateller-Sorte Moscatel de Alejandría gewonnen. Neben dem trockenen Mountain Blanco sind es die beiden natürlichen Süßweine „MR“ und „Molino Real Mountain Wine“.

Für die zwei Süßweine werden die Trauben vollreif geerntet und nach traditioneller Art in der Sonne getrocknet: Das Lesegut wird auf Strohmatten in den sogenannten „Paseros“ ausgebreitet. Die Paseros sind gerahmte Beete, die sich an den Südhängen befinden. So bekommen die Trauben am meisten Sonnenstrahlen ab.

Die Sonne entzieht den Beeren freilich Feuchtigkeit, und dadurch erhöht sich die Konzentration an Zucker in der Beere. Süße und konzentrierte Beeren sind die Basis für natürliche Süßweine. Mit diesem jahrhundertealten Verfahren – asoleo genannt – werden in der Axarquia übrigens auch Rosinen erzeugt. Man muss die Beeren nur lange genug in der Sonne trocknen, bis sie vollständig geschrumpelt sind. Mehr über das Asoleo-Verfahren steht in diesem Beitrag auf meinem Blog.

Auf dem Gelände von Bodegas Almijara. Im Hintergrund das Mittelmeer.
Auf dem Gelände von Bodega Almijara ist das Projekt von Telmo Rodríguez angesiedelt. Im Hintergrund das Mittelmeer. Rechts unten sind Paseros zu sehen, allerdings leer.

Der Weinanbau in der Axarquia hat etwas Heldenhaftes an sich und fasziniert mich stets aufs Neue, wenn ich die Gegend bereise. Die Steillagen sind extrem und häufig nicht einmal terrassiert. Die gesamte Arbeit im Weinberg – vom Rebschnitt im Winter bis zur Ernte im Herbst – erfolgt von Hand und unter schwierigsten Bedingungen. Zudem sind die Böden steinig – ihnen fehlt oftmals die fruchtbare obere Schicht. Auch sind die Parzellen klein und die Ernteerträge gering.

Wozu also der ganze Aufwand? Weil die Höhenlage von 550 bis 900 Metern (kühle Nächte), die stetige Brise vom Mittelmeer (gut für die Durchlüftung der Weinberge) und die alten Reben (50 bis 100 Jahre) eine erstklassige Traubenqualität ergeben. Von ausreichend Sonne müssen wir erst gar nicht reden. Weißweine aus Málaga – ob süß oder trocken, ob aus Moscatel oder PX – können es mit jenen aus Galicien, Katalonien, Jerez oder Rueda aufnehmen. Sie zählen mit zu den Besten in Spanien. Ergänzend zu Telmo Rodríguez seien beispielhaft Erzeuger wie Viñedos Verticales und Victoria Ordoñez genannt.

Steillage mit alten Reben in der Axarquia. Nahe Competa.
Steinige, schiefrige Böden. Weinparzelle nahe Competa.
Die Ortschaft Competa in der Axarquia.
Das weiße Dorf Competa liegt auf ca. 640 m Meereshöhe
Asoleo bei Vinos Jarel
Asoleo bei Bodegas Almijara. Abends werden die Traubenteppiche mit Planen überzogen, um die Beeren vor Feuchtigkeit in der Nacht zu schützen.

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