Adega Algueira – Wein vom Heiligen Ufer

Weinlese bei Adega Algueira, Ribeira Sacra, 2019

Manchen Orten wohnt eine Sogwirkung inne. Sie besitzen eine Schönheit, Wildheit und Reinheit, die einen fesselt und kaum wieder loslässt. Das galicische Anbaugebiet Ribeira Sacra entfaltet eine solche Kraft.

Der Winzer Fernando González, ursprünglich Bankangestellter in Madrid, hat dieses Land vor vierzig Jahren für sich entdeckt. Seither setzt er verlassene Rebanlagen in langjähriger und mühevoller Arbeit wieder instand. Ein Aufwand, der sich lohnt: Die Gewächse seines Weinguts Algueira sorgen seit Ende der 1990er-Jahre international für Aufsehen. Mit einem Weinclub aus der Schweiz war ich gerade vor Ort und habe mit Fabio González die zweite „Algueira-Generation“ getroffen.

Ribeira Sacra – entlang der Flüsse Miño und Sil

Es gibt Weinliebhaber, die mit Galicien nur Atlantik, Albariño und Meeresfrüchte verbinden. Vier der fünf galicischen Qualitätsweingebiete liegen allerdings nicht am Atlantik, sondern landeinwärts. Und auch die Albariño spielt dort bestenfalls eine untergeordnete Rolle.

Eines dieser Anbaugebiete ist die D.O. Ribeira Sacra, was sich als „Heiliges Ufer“ übersetzt. Die Lebensadern der Weinregion bilden die zwei Flüsse Miño und Sil. Vor allem der Sil beherbergt spektakuläre Steillagen mit bis zu 80 Prozent Gefälle. Hier findet Weinwirtschaft unter extremen Bedingungen statt. Die Instandsetzung und der Erhalt der Trockenmauern ist zeit- und kostenintensiv. Es erübrigt sich fast zu sagen, dass jede Tätigkeit im Weinberg nur von Hand verrichtet werden kann.

In Ribeira Sacra. Steillagen am Fluss Sil

Von „Viticultura Heroica“, dem „Heldenhaften Weinanbau“, ist deshalb in Bezug auf Ribeira Sacra oftmals die Rede. Ein Marketingbegriff, der in der Weinwelt seine Runde macht. Die Leute, die wir getroffen haben, sind aber keine Helden, sondern ganz normale Menschen. Mit viel Fleiß und Einsatz verstehen sie es, diesem Land sehr guten Wein abzuringen.

Fernando González – der Weinpionier

Reden wir über Wein, dann müssen wir zuerst von Fernando González sprechen. Am Fluss Sil fand er als 24-jähriger im Jahr 1979 eine verwilderte Weinlandschaft vor. Sein Schwiegervater zeigte ihm einige verlassene Weinberge. Anfang der 1980er-Jahre begann Fernando González erste Lagen zu bestellen.

Das Gebiet blickte damals auf eine lange Weingeschichte zurück. Einst brachten die Römer den Weinanbau in die Region. Im Mittelalter setzten Mönche in zahlreichen Klöstern die Tradition fort. Noch in den 1920er-Jahren existierten an allen Hängen entlang des Flusses die mit Trockenmauern terrassierten Weinberge.

Nach dem spanischen Bürgerkrieg setzte die große Abwanderung ein. Das durch Bergketten und den Ozean abgeschiedene Galicien zählte zu den ärmsten Regionen des Landes. Kaum ein Galicier, der heute nicht Verwandte in Argentinien, Brasilien oder Mitteleuropa hätte. Die Siedlungen starben aus, und die Natur holte sich das kultivierte Land zurück in ihren Schoß.

Für mich ist es kaum fassbar, wie Fernando González seinerzeit auf die Idee kam diese Steillagen für den Weinbau wieder nutzbar zu machen. Bereits das neue Terrassieren und die Rekultivierung einer kleinen Parzelle erstrecken sich über einen Zeitraum von Jahren. Nur mit Vision und Risikobereitschaft kann so etwas gelingen.

Mit der Rekultivierung allein ist es außerdem nicht getan. Die Weinlagen darüber hinaus zu pflegen und zu erhalten, ist ein fortwährender Prozess. Sohn Fabio Gonzáles, ein ausgebildeter Sommelier, sagt uns im Gespräch, dass etwa Dreiviertel des Einkommens des Weinguts in die Weinberge zurückfließen.

Blick vom Wasser auf Steillagen mit bis zu 85% Gefälle.
Weinlagen mit bis zu 80% Neigung.

Mencía und Schiefer – ein Paar, das passt

Das Weingut Algueira befindet sich in der Ortschaft Doade, etwa 95 Kilometer Luftlinie vom Atlantik entfernt. Im Vergleich zur Westküste Galiciens fallen die Niederschläge geringer sowie die Winter und Nächte kälter aus. Das Klima zeigt neben einem atlantischen also auch einen kontinentalen Einfluss.

Die Weinparzellen verteilen sich im Gebiet Amandi. Dies ist eine von fünf Subzonen der D.O. Ribeira Sacra. In einigen Lagen mit südlicher Ausrichtung herrscht sogar ein Mikroklima mit mediterranem Charakter. Dieser „Klimamix“ ergibt in Kombination mit den häufig vorkommenden Schieferböden gute Bedingungen für die Rotweinsorte Mencía. Sie ist die bekannteste und am häufigsten angebaute Rebe in Ribeira Sacra.

Jenes Terroir kommt eindrücklich im Pizarra 2008 zum Ausdruck. Seine Mencía-Trauben entstammen einer Einzellage mit Südausrichtung. Der Name des Rotweins bedeutet übersetzt „Schiefer“ und bezieht sich auf den Boden.

Das Lesegut für den Pizarra wird mit Füßen gestampft und samt Stängeln vergoren. Nach der alkoholischen Gärung wird der Wein für über 30 Tage auf der Maische gelassen. Danach erfolgt der Ausbau in großen Fudern aus französischer Eiche.

Was mir an dem Pizarra 2008 besonders gefällt ist die dunkelerdige Mineralität. Neben weicher Eleganz und Tiefgang verfügt er zudem über eine fantastische Präsenz und Lebendigkeit am Gaumen.

Fabio Gonzáles von Adega Algueira. Die zweite Familiengeneration.
Fabio González, Sohn von Weingutsgründer Fernando González.

Adega Algueira – 20 Weine aus 12 Rebsorten

Insgesamt keltert Adega (galicisch für Bodega) Algueira zwanzig Weine aus zwölf Rebsorten. Die jährliche Produktion beläuft sich auf 150.000 bis 200.000 Flaschen. Mit Fabio González verkosten wir immerhin elf dieser Weine. Jeder hätte es verdient, näher besprochen zu werden. Aber wie sagt man so schön: „In der Kürze liegt die Würze“, weshalb ich mich im Folgenden auf drei weitere Gewächse beschränke.

Neben der Hauptsorte Mencía existieren in Ribeira Sacra zahlreiche autochthone Reben. Bei den Weißweinsorten sticht die Godello hervor. Aus ihr erzeugt Algueira beispielsweise den brillanten Escalada 2016. Es handelt sich um einen Weißwein mit seidiger Textur, der nobel und tief wirkt und mit einem anhaltenden Säurezug ausgestattet ist.

Unter den roten Trauben verdienen Merenzao, Sousón, Caiño und Brancellao besondere Beachtung. Aus letztgenannter Sorte entsteht der Seradello 2015. Dieser hochfeine Rotwein trägt eine Handschrift, die auf Frische und Persönlichkeit setzt.

Die Brancellao ergibt farblich helle und schlanke Rotweine. Wer nur solche aus Ribera del Duero, Rioja, Jumilla und Priorat kennt, wird sie für „unspanisch“ halten. Die Sorte ist aber autochthon galicisch und dürfte in Zukunft verstärkt zur Wein-Identität Galiciens beitragen. Fabio González jedenfalls glaubt an ihr großes Potenzial.

Für den Seradello werden die Trauben mit Füßen gestampft und anschließend in Edelstahltanks vergoren. Der Ausbau erfolgt für 12 Monate in französischen Barriques. Im Resultat erhalten wir einen hellroten Wein mit animierender Säure und filigraner Struktur. In der Nase überwiegen die Aromen von Kräutern und Gewürzen wie Wacholder und Muskatnuss. Am Gaumen zeigt sich das Gewächs saftig-mineralisch, straff wie weich, geradlinig wie vielschichtig. Burgundische Eleganz. Sehr spannend!

Vergärung mit Stängeln und in Tonamphoren.
Während der Maischegärung: Linke Hand die dunkle Caiño. Rechts die hellere Brancellao.

Mineralität und Frische als übergeordnetes Merkmal

Den Abschluss der Degustation und dieses Beitrags bildet die rote Cuvée Fincas 2015. Jeweils zur Hälfte wird sie aus den Rebsorten Caiño und Sousón gewonnen. Die Trauben stammen aus Südhängen mit Schieferböden. Wieder werden sie nach der Lese mit Füßen gestampft und mit den Stielen in 300-l-Holzfässern vergoren. Die Reifung erfolgt in Fässern aus Kastanie und französischer Eiche.

Übrigens werden bei Algueira nicht alle Trauben mit Füßen gestampft und mit den Stängeln vergoren. Das wäre aus Zeitgründen nicht machbar. Die Methode wird bei etwa 20 Prozent der Gesamtproduktion des Weinguts angewendet. Im Vergleich zum Entrappen mit einer Maschine ist das altertümliche Fußstampfen ein schonender Vorgang. Durch die Maischegärung mit den Stielen erhalten die Weine zudem „etwas mehr Frische und Struktur“, wie es Fabio González ausdrückt.

Beim Fincas 2015 spielen in der Nase pflanzliche, balsamische und fruchtige Noten zusammen. Am Gaumen nehme ich anhaltendes Tannin, Zitrustöne und eine dezent animalische Aromatik wahr. Der Wein ist prima balanciert, und das komplexe Geschmacksbild wird von einer lebhaften Säure getragen. Ein Spitzengewächs mit Mineralität und Zug nach hinten raus.

Top-Weine und Degustation bei Adega Algueira.
Geiles Tasting.

Weitere Informationen

Falls Sie – liebe Leserinnen und Leser – einmal nach Galicien fahren, dann empfehle ich Ihnen wärmstens bei Adega Algueira vorbeizuschauen. Das Weingut bietet für Besucher ein „Paket“ mit Bootsfahrt auf dem Sil plus Kellereibesichtigung inklusive Degustation plus Mittagsmenü im hauseigenen Restaurant an.

Link zum Weingut: www.adegaalgueira.com

2 Kommentare

  1. Wow einen richtig guten Blog habt Ihr hier. Ganz stark. Liebe Grüße von mir. Ich schreibe auch über Wein und bin ab jetzt aber mal sowas von Fan dieser Seite! Wir planen gerade eine kleine Weinreise in Galicien und da kommt mir ein solcher Blogbeitrag sowas von gelegen! Danke!

    1. Hallo Florian. Danke, so ein Feedback freut mich sehr. Ihr werdet ganz sicher viel Spass auf eurer Weinreise in Galicien haben. In den kommenden paar Wochen werden noch ein paar mehr galicische Weingüter Thema auf diesem Blog sein. Also gerne wieder reinschauen 🙂 Viel Spass und Erfolg für euren Blog, ich werde ebenfalls öfter darin lesen.
      Beste Grüße Thomas

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