Das große Alte-Flaschen-Aufräumen

Frohes Neues, liebe Leserinnen und Leser. Ich hoffe, Sie sind gut in die Zwanzigerjahre gestartet. Bei mir hat es Tradition zum Jahreswechsel den Schreibtisch aufzuräumen. Ich sortiere herumliegende Zettel, Prospekte und Visitenkarten, und vor allem rangiere ich leere Weinpullen aus, die meine Arbeitsfläche das Jahr über zunehmend kleiner werden lassen. Dabei sind mir einige fast vergessene Flaschen in die Hände gekommen, über die ich 2019 eigentlich etwas schreiben wollte, es aber aufgrund anderer Themensetzungen nicht geschafft habe.

Beginnen wir das Jahr 2020 also mit „Resteverwertung“. Beim Kochen kommen aus einem Potpourri von übrigen Zutaten ja manchmal ganz leckere neue Gerichte heraus. Vielleicht klappt das in analoger Form in diesem Beitrag ebenfalls.

Ein flaschenvergorener Schaumwein aus Wildäpfeln

Haben Sie sich für 2020 vorgenommen weniger Alkohol zu trinken? Dann sind Sie auf der falschen Seite gelandet. Ich kann Ihnen aber immerhin einen äußerst feinen und trinkanimierenden Apfelschaumwein mit nur 7 Volumenprozent empfehlen.

Jener La Espeluzná wird in den Bergen der andalusischen Sierra Nevada aus kultivierten autochthonen Apfelsorten sowie aus Wildäpfeln auf 2000 m Höhe gekeltert. Während die Weinbaugrenze im südlichen Andalusien bei etwa 1400 m.ü.NN liegt, geht es bei Äpfeln höher hinauf. Die Hochlage dürfte mit dazu beitragen, dass dieser Apfelschaumwein so superfrisch schmeckt.

Darüber hinaus haben wir es mit einem Naturwein zu tun, der nicht geschwefelt, geschönt und filtriert ist. Der Erzeuger Fuente Guijarro stellt ihn im traditionellen Champagner-Verfahren her. Die zweite Gärung findet also in der Flasche statt. Außerdem verzichten die Macher Sara Bertoni und Manuel Moreno auf eine Dosage-Zugabe. Es handelt sich folglich um einen staubtrockenen Brut Nature.

Der von mir (vor längerem) probierte Jahrgang 2016 schmeckt außerordentlich erfrischend und fruchtig. Der Trinkfluss ist großartig, die Perlage fein, und ich will diesen Apfelschaumwein fast schon als elegant bezeichnen. Im Sommer ist dies ein leichter wie ausgefallener Aperitif. Und das Beste: Trotz limitierter Auflage ist La Espeluzná im Online-Shop von Werner Hofer in Berlin zu beziehen.

La Espeluzná, Fuente Guijarro. Toller Apfelschaumwein.
La Espeluzná: superfrisch und staubtrocken und nur 7% Vol.

Ein Naturwein von 2005 – kühl, kraftvoll, frisch

Wir bleiben im südlichen Andalusien und beim Naturwein, gehen in der Höhe aber etwas herunter und in den Alkoholgraden hinauf. Antonio Garcia und sein Sohn Alberto bewirtschaften in der Sierra de la Contraviesa acht Hektar Rebland mit teilweise über 120 Jahre alten Reben. Die Lagen befinden sich auf einer Höhe von 1150 bis 1400 Meter und sind mitunter so steil, dass sie nicht mit Maschinen zugänglich sind und deshalb von Pferden gepflügt werden.

Bei meinen diversen Besuchen des Weinguts hat Antonio Garcia auch vom Klimawandel erzählt, den er zu spüren bekommt. Früher, sagt er, wären die 3000er-Gipfel der Sierra Nevada rund ums Jahr mit Schnee bedeckt gewesen. Wenn er heutzutage im Sommer von seinen Weinbergen aus auf die fünfzehn Kilometer entfernte Bergkette blickt, dann ist dort nichts Weißes mehr zu entdecken. Auch bei ihm würden die Niederschläge geringer, und das bei steigenden Temperaturen, klagt er. Und dies wirkt sich auf den Wein aus: Noch vor zwanzig Jahren hatten seine Rotweine einen Alkoholgehalt zwischen 13 und 14 Prozent. Heute liegen sie bei 14,5 bis 15,5% Volumen.

Das Weingut von Vater Antonio und Sohn Alberto heißt Garcia de Verdevique. Vor ein paar Monaten hatte ich mit ihren niederländischen Distributoren eine Vertikalverkostung ihres Tinto 12 meses en barrica. Die Probe umfasste sechs Jahrgänge zwischen 2012 und 2005. Der Frischeste war dabei der 2005er-Jahrgang. Obwohl es sich um einen ungeschwefelten Naturwein handelt, hat er auch nach vierzehn Jahren nichts an Power und Präsenz verloren. Der Wein ist „voll da“, wie man so gerne sagt. Eine kühle und komplexe Aromatik zeichnet das prima ausbalancierte und druckvolle Gewächs aus. Die Tannine sind weich, und das Holz ist ebenfalls schön eingebunden, was so nicht bei allen Jahrgängen dieses Weins der Fall ist. Ich war jedenfalls ziemlich begeistert vom 2005er. Dieser Rotwein aus Tempranillo und Cabernet Sauvignon hat übrigens noch die einst üblichen 13,5% Alkohol.

Vertikalprobe mit Dick und Nelleke.
Vertikalprobe „Garcia de Verdevique Tinto“ mit Dick, Emily und Nelleke

Ein Amphorenwein aus Romé

Wir ziehen von der Provinz Granada in die benachbarte Region Málaga. Mein einziger Vorsatz für 2020 lautet: „Das Weingut Sedella Vinos besuchen“. Ich will das schon seit Jahren machen, doch immer wenn ich einen Termin anfrage, ist der Winzer Lauren Rosillo gerade unterwegs. Neben seinem eigenen Projekt ist er nämlich als Weinmacher für Finca Montepedroso in der D.O. Rueda und für Finca Antigua in der D.O. La Mancha tätig. Beide gehören zur Gruppe der Familie Martínez-Bujanda.

Ich bin mir sicher, dass 2020 alles besser und ein Treffen mit Lauren Rosillo klappen wird. Seine Weine, die er in den höheren Lagen der Axarquia (D.O. Sierras de Málaga) erzeugt, sind jedenfalls spannend. Der enorm saftige Laderas de Sedella Ánfora 2015 wird aus der autochthonen Rotweinsorte Romé, ergänzt um Garnacha, gewonnen. Auf Schieferböden gewachsen und in Tonamphoren ausgebaut, ist der Wein kein Kraftpaket. Und dennoch hat er viel Druck und Zug. Ferner ist er für einen Rotwein aus Andalusien mit 13% Vol. geradezu leicht; dabei gleichzeitig tief, aromatisch und gut strukturiert. Ein Wein, der viel Spass macht und interessant schmeckt.

Lauren Rosillo trägt mit diesem Gewächs zu einem spanischen Trend bei, der auf Frische und Eleganz setzt. Rotweine aus Appellationen rund um Madrid (Vinos de Madrid, Mentrida, Cebreros) und in Galicien (Ribeira Sacra) schlagen genau in diese Kerbe. Die schweren und superkonzentrierten Spanier gibt es zwar immer noch, aber sie sind nicht mehr das Nonplusultra. Das „Neue Spanien“ wird 2020 häufiger Thema auf diesem Blog sein. Und meine „Reste“ von 2019 wären hiermit verwertet.

Sedella Vinos. Saftiger Amphorenwein.
Klasse Rotwein aus Málaga. Frisch und saftig.

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