Ein unbekanntes Flugobjekt

Er sei weniger glücklich, sondern vielmehr „erleichtert“. Das sagte Jürgen Klopp auf der Pressekonferenz direkt nach dem Erfolg seiner Liverpooler Mannschaft im CL-Finale.

Ich bin ebenfalls erleichtert, weil ich mich bei einer Blindverkostung nicht blamiert habe. Immerhin ist es mir gelungen sechs von acht Weinen nach Rebsorte und Region korrekt zu bestimmen.

Bevor Sie jetzt ein „Wow“ ausrufen, muss ich einschränkend gestehen, dass mir die acht Weine – vier weiß, vier rot – vorab bekannt waren. Ich wusste einzig nicht, in welcher Reihenfolge sie meine Frau Emily servieren würde.

Zur Champions League in Sachen Wein reicht’s also nicht ganz. Aber darum geht es auch nicht. Emily und ich verstehen solche Verkostungen vielmehr als Übung. Unter anderem helfen sie uns einen präziseren Eindruck von bestimmten Erzeugern, Rebsorten und Stilen zu erhalten.

Weine blind zu verkosten und parallel zu vergleichen, erweist sich darüber hinaus als nützlich den eigenen Geschmack zu schärfen und herauszubilden. Deshalb würde ich Leserinnen und Lesern diese Praxis hin und wieder zur Nachahmung empfehlen.

Es müssen auch gar nicht die teuersten Weine sein, die Sie für „Schulungszwecke“ aus dem Keller holen. Zum Beispiel liegen die Weißweine des hier beschriebenen Tastings im Preis bei 7 bis 10 Euro und die Rotweine im Segment von 7 bis 15 Euro.

Weißweine für die Blindverkostung
V. l. n. r. nach Rebsorten: Vijiriega, Pedro Ximénez (PX), Chardonnay, Moscatel

Runde Eins: PX, Chardonnay, Moscatel, Vijiriega

Für die Weißwein-Übung hatte ich vier sortenreine Gewächse vorgesehen: ein Chardonnay aus dem Anbaugebiet Somontano, ein PX aus Montilla-Moriles, ein Moscatel aus den Sierras de Málaga und ein Vijiriega aus Granada. Alle sind sie jeweils ohne Holzeinsatz und trocken ausgebaut.

Die gewählten Rebsorten sind im Profil sehr unterschiedlich. Ein typischer Málaga-Moscatel zeigt zum Beispiel viel tropische Frucht und lässt sich normalerweise einfach von einem säurebetonten Vijiriega oder einem oftmals von kräuterigen, erdig-würzigen Aromen dominierten PX unterscheiden. Das gelang mir auch problemlos.

Interessant war bei dieser ersten Tasting-Runde eher, welcher der vier Weißweine mir am meisten zusagen würde. Allesamt sind sie gut gemacht und bringen die Typizität der jeweiligen Rebsorte schön zum Ausdruck. Trotz dieser Qualität aller Weine habe ich einen klaren Favoriten: der OVNI Pedro Ximénez 2015 von Equipo Navazos.

Jener OVNI verfügt über ein kraftvolles Bukett, das mich an einen Bund getrockneter Kräuter erinnert, bzw. mehr noch an einen mediterranen Kräutergarten im Sommer. Am Gaumen kommt er sehr trocken, geschliffen und schnörkellos daher. Zwar handelt es sich um keine hochkomplexe Granate, aber dieser Weißwein ist doch sehr interessant und animierend im Geschmack. Er hat ein „gewisses Etwas“, noch dazu, wenn man den Preis von unter zehn Euro in die Bewertung mit einbezieht.

Die drei anderen Weißweine sind – wie schon gesagt – alle wohlschmeckend. Im Vergleich jedoch wirken der 2018er Chardonnay-234 von Enate einen Tick zu blumig und schmeichlerisch, der Vijiriega 2017 von Marques de la Contraviesa zu rustikal und der Jarel Moscatel 2018, trotz tropischer Frucht in der Nase, etwas mager und zu kurz am Gaumen.

Ovni PX 2015. Klasse Wein
Koproduktion von Equipo Navazos und Pérez Barquero: ein trockener PX

Equipo Navazos – ein andalusisches Weinprojekt

Der Name des Weins OVNI steht übrigens als Kürzel für „objeto volador no identificado“. Auf deutsch: „Unbekanntes Flugobjekt“ (UFO).

Das dahinter stehende, von Weinfreaks ins Leben gerufene Projekt Equipo Navazos ist seit 2005 in den andalusischen Anbaugebieten D.O. Jerez-Xérès-Sherry (Provinz Cádiz) und D.O. Montilla-Moriles (Provinz Cordoba) aktiv. In Zusammenarbeit mit dortigen Weingütern und international bekannten Weinmachern entstehen in der Menge streng limitierte Finos, Amontillados, Olorosos, etc.

Darüber hinaus widmet sich Equipo Navazos mit der OVNI-Reihe dem Ausbau zweier trockener Weißweine aus den Rebsorten Pedro Ximénez bzw. Palomino Fino. Die erstgenannte PX-Traube wird in Andalusien traditionell zu Süßweinen verarbeitet, und aus der Palomino Fino entstehen die weltbekannten Sherrys.

Es geht aber auch ungespritet und trocken, wie der oben besprochene OVNI Pedro Ximénez 2015 beweist. Das Gewächs ist in Kooperation mit dem ruhmreichen Weingut Pérez Barquero in der D.O. Montilla-Moriles entstanden. Jene Region ist das heutige Hauptanbaugebiet für die Pedro Ximénez.

Der OVNI Palomino Fino wird hingegen in Jerez de la Frontera gekeltert. Eben dort, wo die Palomino-Rebe auf den weißen Albariza-Kalkböden des Sherry-Gebiets gedeiht. An der Atlantikküste, im nahen Sanlúcar de Barramenda, bekam ich einmal den 2015er-Jahrgang dieses Weins in einem Restaurant als Teil der Menübegleitung kredenzt. Es war der interessanteste Wein des Abends. Vielleicht schmeckt er sogar ein bisschen abgefahren und spacig, um in der Weltraumsprache zu bleiben.

Runde Zwei: Mencia, Tempranillo und Juan García

Die vier Rotweine im zweiten Tasting-Durchgang fand ich schwieriger auseinander zu halten. Ein Naturwein aus Granada war noch einfach zu bestimmen, zumal ich das erzeugende Weingut Garcia de Verdevique bestens kenne.

Etwas peinlich ist mir, dass ich die Sorten Mencia und Tempranillo verwechselt habe. Deshalb komme ich erst gegen Ende dieses Beitrags darauf zu sprechen. In der Hoffnung einige Leserinnen und Leser haben sich bereits weggeklickt. Doch nun, wo Sie dem Text treu geblieben sind, haben Sie es auch verdient darüber Bescheid zu wissen.

Rotweine für das Blind Tasting
V. l. n. r. nach Anbaugebieten: Arribes, Toro, Bierzo, Granada

Der Kritiker Michael Schachner von Wine Enthusiast hat über den Pétalos des Weinguts Descendientes de J. Palacios gesagt, der Rotwein würde die „Essenz der Rebsorte Mencia“ einfangen. Mir ist diese Essenz bei der Blindprobe dummerweise entgangen. Der 2017er Pétalos ist trotzdem klasse: saftig, expressive Frucht, elegantes Tannin. Ich habe diesen Rotwein aus der DO Bierzo an Nummer 2 gesetzt, ihn allerdings für einen Tempranillo aus Toro (Dehesa Gago 2016, Telmo Rodriguez) gehalten.

Besser aus der Runde gefällt mir einzig der Sin Blanca 2016 von El Hato y el Garabato. Und zwar deshalb, weil dieser Rote aus der Sorte Juan García im Vergleich nochmals eleganter und frischer wirkt. Im Duft tritt eine kühle Aromatik zutage, welche auch Johannisbeere enthält. Das Rückgrat bilden präsente, fein eingewobene Tannine und eine lebendige Säure. So entsteht ein gut strukturierter Rotwein, der mit einem zartbitteren Abgang und einem insgesamt vielschichtigen Geschmacksprofil ausgestattet ist.

Juan García, dies ergänzend, ist eine autochthone Rebe der DO Arribes. Jenes Qualitätsweingebiet befindet sich im Norden Spaniens an der Grenze zu Portugal. Ähnlich der Pinot Noir verfügen die Beeren der Juan García über eine dünne Schale. Das macht die Sorte im Anbau verletzlich. Gleichzeitig ist sie wie geschaffen für Weine mit Frische und Charakter, wie es eben auf den Sin Blanca 2016 zutrifft.

Weinberg in Arribes. Kein Ovni.
Weinberg von El Hato y el Garabato in der DO Arribes. Alte Juan-García-Reben

Knappes Fazit der Blindverkostung: Pedro Ximénez und Juan García sind zwei meiner ziemlich besten Freunde. Wir sollten sie öfters trinken.

Hinterlasse einen Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert