Fillaboa – Albariño vertikal

Wir sind wieder im galicischen Anbaugebiet Rías Baixas unterwegs. Wieder ist es ein früher Morgen, an dem Tauschleier das Land verhüllen. Den Tag zuvor haben wir direkt am Atlantik im Salnes-Tal verbracht. Heute fahren wir landeinwärts durch die Subzone Condado de Tea und sind etwa 25 km Luftlinie vom Ozean entfernt. Der Tau, der uns umgibt, kommt entsprechend nicht vom Atlantik, sondern von den nahen Flüssen Tea und Miño. Letzterer bildet die Grenze zu Portugal. 

Im Weingut Fillaboa sind wir mit der Önologin Isabel Salgado zu einer Vertikalverkostung verabredet. Das feudale Anwesen ist von einer 1600 Meter langen Steinmauer umgeben. Um ein Herrenhaus im englischen Stil und um die Weinkellerei breiten sich 54 Hektar Rebland – einzig mit der Sorte Albariño bestockt – aus. Was wir sehen, ist quasi die galicische Version eines noblen Château im Bordeaux. Insgesamt sind 74 Hektar im Anbau. Aus den Trauben erzeugt das 1986 gegründete Weingut vier sortenreine Albariño.

Weingut Fillaboa in Rías Baixas von oben
Das Fillaboa-Anwesen. Hinter dem Fluss Miño beginnt Portugal.

Einer davon ist der Premiumwein Selección Finca Monte Alto. Der Weißwein entstammt der Einzellage Monte Alto, die sich innerhalb der Mauern des Anwesens befindet. Und eben auf diesen etwa 150 m.ü.NN gelegenen „Berg“ führt uns Isabel Salgado zuerst. 

Bei schönem Ausblick erfahren wir von den sandigen, gut durchlässigen Böden, die Anteile von Ton, Granit und Flussgestein enthalten. Ebenfalls können wir sehen, dass die Albariño bei Fillaboa mehrheitlich als Pergola gehalten wird. Jenes Rebenerziehungssystem ist typisch für Rías Baixas. Die Pergola bedeutet zwar mehr Arbeit im Weinberg – beispielsweise gestalten sich Grünschnitt und Ernte mühsamer. Jedoch sind die Parzellen zum einen besser durchlüftet, und zum anderen bieten die Laubendächer mehr Regenschutz. Im feuchten atlantischen Klima mit hohem Niederschlagsaufkommen sind dies zwei nicht zu unterschätzende Vorteile.

Fillaboa – fünf Jahrgänge eines Weins

Für die Vertikalverkostung hat Isabel Salgado fünf Jahrgänge des Referenzweins Albariño Fillaboa kalt gestellt. Das Lesegut stammt aus 8 der besten Parzellen, darunter die bereits genannte Lage Monte Alto. Der Weißwein wird im Stahltank vergoren und liegt bis zur Abfüllung für einige Monate auf der Feinhefe. 

Als erstes probieren wir den aktuellen Jahrgang 2018. Im Duft zeigt er reife Frucht und Zitrusnoten. Am Gaumen wirkt der Wein geschmeidig, und er verfügt über Schmelz. Zugleich ist er frisch, hat einen guten Grip und klasse Zug nach hinten raus. Kurz gesagt: Ein aromatisch komplexer, sehr schön strukturierter Weißwein, der Anspruch und Trinkspass verbindet.

Alles vorbereitet für Albariño vertikal
Alles vorbereitet für Albariño vertikal

Der Reihe nach verkosten wir nun die Jahrgänge 2016, 2015, 2013 und 2010. Dass manche Weißweine mitunter spektakulär reifen, kennen einige Leser und Leserinnen vielleicht von Riesling-Gewächsen. Knackige Säure ist ein Grund dafür. Und über diese verfügt auch die Albariño. In Kombination mit dem Ausbau auf der Feinhefe wie in unserm Fall kann die Sorte sehr schön altern. Zwar verlieren die Weine an Primärfrucht, dafür entwickeln sie eine reife, komplexe Aromatik und Körper. Und das wichtigste: Die Jahrgänge 2016, 2015 und 2013 sind nach wie vor frisch und kompakt. 

Einzig der 2010er wirkt etwas müde am Gaumen. Isabel sagt, dass sie diesen Jahrgang ganz anders kenne und öffnet deshalb eine neue Magnum. Und siehe da: In der Tat kommt dieser 2010er farblich heller und geschmacklich viel frischer daher. Der Wein steht noch „voll im Saft“. Ergo ist der identische Wein und Jahrgang bei identischer Lagerung in einer identischen Flasche völlig unterschiedlich gereift. Neben Genuss beschert mir diese Verkostung eine neue Erfahrung.

Wir sind mit Weinliebhabern aus der Schweiz unterwegs
Wir sind mit Weinliebhabern aus der Schweiz unterwegs

La Fillaboa 1898 – ein Albariño mit sechs Jahren auf der Feinhefe

2010 sei ein Top-Jahrgang gewesen, erzählt uns Isabel Salgado. In diesem Jahr entschied sie sich mit dem Albariño Fillaboa einen Versuch zu unternehmen. Sie beließ den Wein in einem der Edelstahltanks einfach auf der Feinhefe. Und zwar nicht für ein Jahr, auch nicht für zwei oder drei, sondern für volle sechs Jahre. Erst seit 2017 werden jährlich 3500 Flaschen aus dem Tank abgefüllt.

Das Ergebnis dieses Experiments ist der außergewöhnliche La Fillaboa 1898. Jener frische, elegante, vollmundige Weißwein wird im aktuellen Guía Penin mit 97 Punkten bewertet. Ebenfalls 97 Punkte plus die Auszeichnung als „Best Wine in Show“ erhielt er bei den Decanter World Wine Awards 2019. Diese Würdigungen sprechen für sich.

Besonders interessant ist es den 2010er La Fillaboa 1898 (im Edelstahltank gereift) und den 2010er Albariño Fillaboa (in der Flasche gereift) parallel zu verkosten. Beide enthalten wohlgemerkt denselben Ausgangswein, der einzig einem unterschiedlichen Reifeprozess unterzogen wurde. 

Zweimal Jahrgang 2010: links in der Flasche, rechts im Edelstahltank gereift
Zweimal Jahrgang 2010: links in der Flasche, rechts im Edelstahltank gereift

Der in der Flasche gereifte Albariño Fillaboa ist nach neun Jahren farblich golden, aromatisch expressiv und mächtiger im Körper. Der im Edelstahltank gereifte La Fillaboa 1898 ist heller, straffer, mineralischer und reintöniger. Das ist ganz großes Albariño-Kino. 

Damit Sie mir glauben, was ich schreibe, hier ein Praxistipp: Besorgen Sie sich besagten La Fillaboa 1898 und organisieren Sie eine Weißwein-Blindverkostung. Laden Sie aus dem Freundeskreis ein paar Weinkenner (oder solche die sich dafür halten) ein. Lassen Sie Ihre Gäste beim Blind Tasting auch das Alter des jeweiligen Weißweins erraten. Ich bin mir sicher, dass beim 2010er La Fillaboa 1898 selbst die echten Experten das Alter nicht annähernd richtig bestimmen werden. Farblich zu hell und geschmacklich zu frisch ist dieser Weißwein, als dass man ihn auf neun Jahre schätzen würde.

Top-Weine, Top-Degustation. Rechts der La Fillaboa 1898
Top-Weine, Top-Degustation. Rechts der La Fillaboa 1898

Das Reifepotenzial der Albariño

Wo ich gerade so viel vom Jahrgang 2010 spreche: Damals lebte ich noch in Berlin. Irgendwie habe ich es 2010 geschafft im Auswärtigen Amt zu sein, als das Weingut Dr. Bürklin-Wolf in einem exklusiven Rahmen seine Gewächse präsentierte. Darunter trockene Rieslinge aus Top-Lagen, die bereits zehn bis fünfzehn Jahre alt waren.

Rieslingen wird gemeinhin ein großartiges Reifepotenzial zugesprochen. Aus persönlicher Erfahrung in dieser Bürklin-Wolf-Degustation kann ich es nur bestätigen. 

Nach der Vertikalprobe bei Fillaboa glaube ich, dass es sich mit der Albariño ähnlich verhält. Ihre Weine bringen „Reife-Eigenschaften“ wie Säure, Schmelz, Mineralität, expressive Aromatik und Tiefgang mit. Neben den Fillaboa-Gewächsen können diesbezüglich ergänzend der Selección de Añada 2010 von Pazo de Señorans oder der Cepas Vellas 2013 von Gerardo Méndez als gute Beispiele genannt werden. Diese Albariño haben sich mit den Jahren ebenfalls wunderbar entwickelt und werden auch in fünf Jahren und länger noch viel Spass machen.

Vielleicht kommt es nicht von ungefähr, dass man früher sogar annahm die Albariño stamme von der Riesling ab. Albariño heißt wörtlich übersetzt „der Weiße vom Rhein“. DNA-Untersuchungen haben mittlerweile ergeben, dass zwischen beiden Sorten keine genetische Verwandtschaft besteht. Für mich sind sie aber im Wesen verwandt, und das ist oft besser.

Zwischen Weinbergen bei Bodegas Fillaboa.
Tau zieht vom Miño kommend über die Weinberge bei Fillaboa

Weitere Informationen

Bezugsquelle: www.vinopolis.de
PS: Den 2010er La Fillaboa 1898 gibt es nicht im Online-Shop, dafür im Augsburger Ladengeschäft von Vinopolis.

Bodegas Fillaboa ist Mitglied im Verbund „Grandes Pagos de España“ und Teil der Masaveu-Gruppe. Zu den Weingütern im Besitz der Familie Masaveu gehören unter anderem Murua in Rioja und Leda in der VT Castilla-León.
Link zum Weingut: www.masaveubodegas.com

Hinterlasse einen Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert