Emilys liebste Weine

Verónica Ortega vor ihrer Bodega im Bierzo

Einen außergewöhnlichen Wein erkenne ich unter anderem daran, wenn meine Frau Emily darauf besteht, dass sie die Hälfte abbekommt. Ziehe ich abends eine Flasche Wein auf, stört es Emily normalerweise nie, dass ich schneller trinke und folglich mehr vom Stoff erhalte. Nun gibt es aber diese Ausnahmen, bei denen Emily schaut, dass es gerecht zugeht. Im bisherigen Jahr kam das erst dreimal vor. Auf diese Gewächse gehe ich im folgenden Beitrag ein.

Verónica Ortega – Versión Original 2016

Das britische Blatt The Guardian veröffentlichte kürzlich einen Artikel mit dem Titel „Spain’s elegant new wine wave“. Der Autor David Williams zeigt sich darin geradezu begeistert von der Eleganz und Individualität, für welche diese „neue Welle“ spanischer Weine steht. Von „packenden“ und „faszinierenden“ Weinen schreibt er, und hebt die Winzerin Verónica Ortega namentlich hervor.

Verónica Ortega stammt aus dem andalusischen Cádiz. Seit 2012 lebt sie in der nordspanischen Appellation Bierzo und betreibt dort ihr eigenes Weingut. Zwischen Cádiz, wo sie Önologie studierte, und dem Bierzo liegen ein paar Wanderjahre, die sie zu den renommiertesten Adressen der Weinwelt brachten. Unter anderem lernte Verónica bei Alvaro Palacios im Priorat. Über ihn erhielt sie den Kontakt zur Domaine de la Romanée-Conti. Ein Jahr lebte und arbeitete sie in diesem sagenumwobenen Weingut im Burgund. Am Telefon spricht Verónica von einer „reichen Erfahrung“.

Verónica Ortega vor ihrer Bodega im Bierzo
Verónica Ortega vor ihrer Bodega im Bierzo (Foto: © Veronica Ortega)

Das Bierzo lernte Verónica Ortega durch Raúl Perez kennen, ein weiterer Star in der spanischen Weinszene. Weshalb sie in dieser verhältnismäßig kühlen Region Wurzeln schlug, hat viel mit der Rebsorte Mencia zu tun. Diese autochthone Traube des Bierzo ist bei entsprechender Vinifizierung in der Lage „frische und schlanke“ Rotweine zu ergeben, wie Verónica sagt. Das ist genau der Stil, der ihr zusagt und den sie verfolgt.

Außerdem sei die Mencia sehr gut darin die verschiedenen Böden des Bierzo zum Ausdruck zu bringen. Vor allem mit Sand harmoniere die Rebe ausgezeichnet. Last, but not least betont Verónica den großen Bestand an alten Reben im Bierzo und dessen lange Weintradition. Alles Faktoren, die das Gebiet so anziehend für sie machen.

Verónica Ortega, Versión Original 2016. Mencia aus alten Reben.
Von sandig-lehmigen Böden. 100 Jahre alte Reben. Gärung mit Traubenstielen.

Alte Reben und Sandböden sind die Stichworte, welche zum Versión Original 2016 führen. Es handelt sich um „Mencia pur“, wie Verónica Ortega es ausdrückt. Deshalb der Weinname. Der 2016er-Jahrgang stammt von 100 Jahre alten Reben auf sandig-lehmigem und relativ weichem Untergrund. Die Gärung der Trauben erfolgte samt Stielen, was der Mencia mehr Spannung und Struktur verleiht. Diesbezüglich trägt ferner der 14-monatige Ausbau im 2500-l-Fuder aus Eichenholz bei.

Der Versión Original ist freilich nicht das superkomplexe Schwergewicht. Mir kommen stattdessen Adjektive wie weich, klar, elegant, saftig, frisch und balanciert in den Sinn. Im Vordergrund stehen Finesse und Feinheit. Außerdem ist dieser Rotwein süffig, was ich nur positiv meine: Er zieht sich gut weg und macht enorm viel Spass zu trinken.

Barco del Corneta – Verdejo 2017

Die Kritikerin Jancis Robinson verfasste jüngst im Nachgang zu einem spanischen Weinevent in London einen Text, den sie „Where the wild things are“ betitelte. Darin schwärmt sie vom “Brummen” der gegenwärtigen spanischen Weinszene, der sie eine leuchtende Zukunft prophezeit. Am Ende des Artikels nennt Robinson einige der „great new-wave Spanish wines“ und listet auch ein Gewächs von Barco del Corneta auf.

Die Erfolgsgeschichte von Barco del Corneta beginnt 2008. Die studierte Agrarwirtin Beatriz Herranz bestockt zusammen mit ihrer Mutter einen verlassenen Weinberg des Großvaters neu. Die fünf Hektar mit der Rebsorte Verdejo liegen auf 718 Metern Höhe in La Seca (Rueda). Das Klima auf dieser Hochebene ist kontinental und in den Sommern durch starke Temperaturkontraste zwischen Tag und Nacht geprägt. Die Böden sind sandig und mit runden Steinen bedeckt.

Im Jahr 2010 erzeugt Beatriz Herranz dann den ersten eigenen Wein. Von Beginn an in das Projekt mit eingebunden ist Felix Crespo, seit 2017 auch offizieller Partner im Weingut. Wir sprechen mit Beatriz am Telefon.

Beatriz Herranz und Felix Crespo von Barco del Corneta
Beatriz Herranz und Felix Crespo. (Foto: © Barco del Corneta)

In der Zeit zwischen der Bepflanzung des Weinbergs und dem Keltern des ersten Weins, studierte Beatriz ergänzend Önologie, war in Italien und Frankreich unterwegs und sammelte Erfahrungen in der Sierra de Gredos. Dieser Gebirgszug westlich von Madrid war und ist ein Hotspot der spanischen Weinavantgarde. In verschiedenen Projekten lernte Beatriz dort eine junge Generation von Weinmachern kennen, die „mehr auf die Wurzeln als auf die Fässer schaut“, wie es Fernando Garcia von Comando G kürzlich in einem geradezu poetischen Text formulierte. Übersetzt bedeutet dieses Zitat: Winzer und Winzerinnen, die ihren Fokus auf handwerkliche Arbeit im Weinberg und weniger auf Kellertechnik legen. Die Weine von Beatriz Herannz bzw. Barco del Corneta stehen für diese Philosophie und Herangehensweise.

Die ökologisch bewirtschaftete Lage Cantarranas liefert die Trauben für den Barco del Corneta Verdejo.
Die ökologisch bewirtschaftete Lage Cantarranas liefert die Trauben für den Barco del Corneta Verdejo. (Foto: © Barco del Corneta)

Beatriz, so erklärt sie am Telefon, sucht für ihre Weine die bestmögliche „Balance aus Holz, Hefe und Traube“. Im Barco del Corneta Verdejo 2017 gelingt ihr das auf nahezu perfekte Weise. Der Weißwein wird in drei bis zehn Jahre alten Holzfässern (300 l und 500 l) spontan vergoren und neun Monate auf der Hefe ausgebaut. Im Resultat ist das Holz fantastisch eingebunden, die Textur fühlt sich geschmeidig an, dazu kommt eine äußerst reine und frische Aromatik. Dieser Weißwein zeigt eine Eleganz und Tiefe wie man es so aus Rueda und von Verdejo kaum kennt. Das Gewächs ist übrigens nicht D.O.-klassifiziert, sondern trägt die Herkunftsbezeichnung VT Castilla y León.

Victoria Ordoñez – Voladeros 2017

Victoria Ordoñez habe ich schon öfters in ihrem Weingut in Málaga besucht und entsprechend ihren großartigen Voladeros ein paar Mal auf diesem Blog besprochen. Ein Anruf war bei ihr deshalb nicht nötig.

Für Emily war dieser trocken ausgebaute Weißwein aus der Sorte PX aufgrund von Schwangerschaft und Stillzeit eine Premiere. Victoria Ordoñez gewinnt ihn aus über 100 Jahre alten Reben, die in den Montes de Málaga in 1000 Metern Höhe in unfruchtbaren Granit-Schiefer-Quartz-Kalkstein-Böden wurzeln. Von „Böden ohne Boden“, spricht Victoria. Geologen verwenden auch den Begriff “Urboden”. Damit ist gemeint, dass dem Boden die obere fruchtbare Schicht fehlt. Die alten Reben der Montes de Málaga wachsen quasi auf Stein, sie sind widerstands- und leidensfähig und geben niedrige Erträge. Gerade einmal 900 kg Trauben pro Hektar erntet Victoria für ihren Voladeros.

Victoria Ordoñez mit alten PX-Reben in den Montes de Málaga.
Victoria Ordoñez und alte PX-Reben. Montes de Málaga. (Foto: © Spaniens Weinwelten)

Victoria Ordoñez, die Medizin studiert und als Ärztin gearbeitet hat, stammt aus einer Weinhändlerfamilie. Mit dem Weinmachen begann sie in der Bodega ihres Bruders Jorge Ordoñez, wo Victoria gemeinsam mit der österreichischen Winzerlegende Alois Kracher einen natürlichen Süßwein kelterte. Der „Victoria Dulce Nr. 2“ ist sogar nach ihr benannt. 2015 gründete Victoria schließlich das eigene Weingut und widmet sich seither der Erzeugung trockener Schaum- und Stillweine.

„Ich wollte den trockenen PX zurück nach Málaga bringen“, sagt mir Victoria einmal bei einem Besuch. Im 18. und 19. Jahrhundert war Málaga für Süßweine weltweit bekannt. Wir wissen, dass sogar Goethe den süßen Málagawein schätzte und über ihn schrieb. Jedoch hätten die Leute in den Bergen den PX immer trocken getrunken, weiß Victoria zu erzählen. Erst in den hafennahen Kellereien in der Stadt wurde der trockene Weißwein gereift, gefärbt und gesüßt und anschließend in die ganze Welt verschifft.

Voladeros 2017. Aus zwei Parzellen auf 800 bis 1000 m Höhe. Ausbau in 500-l-Holzfässern.
Aus zwei Parzellen auf 800 bis 1000 m Höhe. Ausbau in 500-l-Holzfässern.

Die Weinkellerei befindet sich in einer Garage in einem Industriegebiet in Málaga Stadt. Für ihren Voladeros 2017 verwendete Victoria Ordoñez nur den Vorlaufmost, also etwa dreißig Prozent des Safts. Gärung und zehnmonatiger Ausbau finden in 500-l-Fässern in Erst- und Zweitbelegung statt.

Den 2017er Voladeros trinke ich in regelmäßigen Abständen. Mit jedem Mal wird er besser und ausdrucksstärker. Seine ganze Klasse spielt dieses Ausnahmegewächs vermutlich erst in ein paar Jahren aus. Victoria sagt ihre Weine sind zum Altern gemacht. Aber schon jetzt zeigt es traumhafte Harmonie und Balance. Dabei ist es mineralisch, superfrisch, mit Druck am Gaumen, einer seidigen Textur und lang anhaltendem Finish.


Bezugsquellen

Verónica Ortega: www.pinard-de-picard.de
Barco del Corneta: www.spanische-weine.online
Victoria Ordoñez: www.vinos.de

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