Finca La Melonera – die vergessenen Reben von Ronda

Für jemand, der sich wie ich für rare Rebsorten interessiert, ist Finca La Melonera ein Paradies. Das Weingut in der andalusischen Serrania de Ronda hat seltene Trauben wie Melonera, Blasco, Romé und Doradilla im Anbau und gewinnt daraus großartige wie charaktervolle Weiß- und Rotweine. Hinzu kommen die ebenfalls autochthonen und bereits bekannten Sorten Tintilla de Rota, Moscatel und PX. Kürzlich war ich vor Ort zu Besuch und habe Weinmacherin Ana de Castro getroffen.

La Melonera – ein junges Weingut mit historischem Bezug

Das Weingut wurde 2006 mit der Idee gegründet, die alten autochthonen Sorten des Ronda-Gebiets zu rekultivieren. Bis zur Reblausplage am Ende des 19. Jahrhunderts war die Provinz Málaga, in der sich Ronda befindet, ein weltweit bedeutender Weinproduzent. Die Reblaus zerstörte in Málaga über 100.000 Hektar Rebland, und mit dieser Zerstörung gingen zahlreiche Rebsorten verloren. Bei Finca La Melonera geht es darum, dieses Erbe wieder aufleben zu lassen und fast vergessene Trauben von einst wieder einzuführen. 

Im Vordergrund ein Teil des Anwesens von Finca La Melonera, mit der weiß getünchten Kellerei links. Im Hintergrund die Serrania de Ronda.
Im Vordergrund ein Teil des Anwesens von Finca La Melonera, mit der weiß getünchten Kellerei links. Im Hintergrund die Serrania de Ronda.

Darüber hinaus ist Finca La Melonera auch aus finanzieller Sicht ein ambitioniertes und von Beginn an groß gedachtes Projekt. Vier Geschäftspartner kauften sich im Jahr 2003 das 200 Hektar große Anwesen nahe Ronda. Es ist ein weitläufiges Grundstück mit luftig bewachsenen Eichenwäldern, dazwischen verteilt sind dreißig Weinparzellen. Die Geschäftsidee lässt sich als eine Art Luxus-Kooperative beschreiben: Die Eigentümer des gesamten Grundstücks verkaufen ein Teilstück Land mit Weinberg und Haus an wohlhabende Leute. Um die jeweiligen Weinberge kümmern sich natürlich Ana de Castro und ihr Team.

Aus der eigenen Parzelle erhalten die Weinbergbesitzer jährlich 500 Flaschen Wein. Der Rest der Trauben bzw. des Weins geht an das Weingut La Melonera und in den Handel. Die Eigentümer – darunter besonders viele Skandinavier – dürfen also ganz die reizende Landschaft, ihr Landhaus und ihren eigenen Wein genießen.

Ana de Castro, Önologin von La Melonera
Ana de Castro ist seit 2007 die Önologin von Finca La Melonera

Serrania de Ronda – Höhe, Lehm und Eichenbäume

Ana de Castro ist seit 2007 bei La Melonera dabei und seit 2011 für die Weinerzeugung verantwortlich. Ihren Lehrmeister hatte sie in niemand Geringerem als José Luis Pérez vom Weingut Mas Martinet. Der berühmte Winzer aus dem katalanischen Anbaugebiet Priorat war bis 2011 als Berater in das La-Melonera-Projekt eingebunden. Ana sagt, sie konnte viel von José Luis Pérez lernen, er sei wie ein „offenes Buch“ für sie gewesen. 

Das Weingut befindet sich im Anbaugebiet D.O. Sierras de Málaga und dessen Subzone Serrania de Ronda. Die Entfernung zum Mittelmeer beträgt 35 Kilometer, zum Atlantik sind es 90 Kilometer Luftlinie. Im Gegensatz zu anderen Subzonen der Málaga-Appellation, wie zum Beispiel die Axarquia, herrschen in Ronda also nicht nur mediterrane, sondern auch atlantische Klimaeinflüsse. Darüber hinaus sind 770 mm Regen im Jahresschnitt ein für andalusische Verhältnisse hoher Wert.

Ein weiterer Faktor ist die Höhe: Das Anwesen Finca La Melonera erstreckt sich auf 650 bis 970 m.ü.NN. Die Hochlagen bringen große Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht mit sich. Ana erzählt mir, dass die Amplitude im Sommer bis zu 25 °C betragen kann. Kühle Sommernächte sind natürlich gut für den Weinbau, denn die Trauben haben dann einen längeren Reifezyklus, und sie werden nicht zu schnell überreif. Last, but not least haben die recht schweren Lehmböden in Ronda einen prägenden Einfluss auf den dortigen Weinbau bzw. den Wein.

Finca La Melonera ist ein 200 Hektar großes Anwesen, in dem sich 30 Weinparzellen verteilen.
Die Finca ist ein 200 Hektar großes Anwesen, auf dem sich 30 Weinparzellen verteilen.

Ich frage Ana, was für sie die größte Herausforderung im Weinberg darstellt. Ohne überlegen zu müssen, entgegnet sie, dass es die weitgehend unbekannten Rebsorten sind, mit denen sie arbeitet. Zur Cabernet Sauvignon kann man viel in Büchern lesen, sich mit Kollegen austauschen und auf zahlreiche Erfahrungswerte zurückgreifen. Nirgends jedoch steht etwas über Sorten wie Melonera und Blasco geschrieben. Folglich muss Ana nach dem Prinzip „learning by doing“ vorgehen und alles Wichtige zu jenen Trauben selbst herausfinden.

Einmal, erzählt Ana, lief beim Beschnitt der Melonera-Rebstöcke etwas falsch und dies führte dazu, dass die Reben keine einzige Traube im Jahr ergaben. Heute weiß Ana, dass das Guyot-Rebenerziehungssystem die besten Ergebnisse bei der Melonera liefert. Zudem hat sie mit dieser Sorte nahezu alle Weinstile ausprobiert, um herauszufinden, wofür sich die Traube am besten eignet: Rosé, Blanc de Noir, Rotwein, Süßwein, und sogar einen Amontillado hat Ana aus der Melonera gekeltert.

Trauben der Melonera-Rebe. Man sieht, woher die Sorte ihren Namen hat.
Trauben der Melonera-Rebe. Man sieht an den Streifen, woher die Sorte ihren Namen hat.

Melonera, Blasco und Romé – fast ausgestorbene Sorten wiederentdeckt

Die Melonera wird bereits im 1807 erschienenen Buch von Simón de Rojas Clemente y Rubio als in Andalusien heimische Rebsorte beschrieben. Der Botaniker beschreibt dabei zwei Subvarietäten der Melonera, darunter eine „gestreifte“ Melonera, die in der Region Granada vorkomme. In der Tat ist die Melonera eine rote Traube mit gräulichen Streifen, die sich wie ein Gürtel um die Beere ziehen. Die Beeren ähneln im Aussehen einer Melone, und genau auf diesen Umstand ist der Name zurückzuführen.

In Andalusien ist die Melonera – wie viele andere Trauben – während der Reblausplage am Ende des 19. Jahrhunderts nahezu ausgestorben. Vermutlich ist Finca La Melonera heute das einzige Weingut Spaniens, welches die Sorte in Ernst zu nehmender Weise rekultiviert. Noch ist die früh austreibende Sorte nicht von der D.O. Sierras de Málaga für den Anbau zugelassen. Ein solches Zulassungsverfahren ist ein jahrelanger Prozess, der wissenschaftlich begleitet wird und bei dem unter anderem geprüft wird, ob eine Traube bestimmte Qualitätsstandards erfüllt. Bei der Melonera ist dies zweifellos der Fall, es ist gewiss nur eine Frage der Zeit, bis sie offiziell als eine Rebsorte der D.O. Sierras de Málaga gilt.

Weitere rare Trauben mit andalusischem Ursprung sind bei Finca La Melonera die Romé und Blasco. Besonders die Blasco hat es Ana angetan: Sie ist ein Fan der Syrah, und im Charakter sei die Blasco für sie so etwas wie die andalusische Syrah, erzählt Ana.

In diesem Fass gärt die Maische der autochthonen Traube Blasco.
In diesem Fass gärt die Maische der autochthonen Traube Blasco.

La Melonera – vier Weine mit Frische und Persönlichkeit

Die Weine von Bodega La Melonera kenne ich seit geraumer Zeit. Ich habe sie auf diversen Weinevents in Madrid und Málaga und ebenfalls privat zuhause immer wieder verkostet bzw. getrunken. 2019 sah ich auf einem Weinsalon in Málaga den bekannten spanischen Weinkritiker José Penin am Stand von La Melonera. Ana de Castro erklärte ihm den Weißwein La Encina del Inglés Blanco, den sie aus den Sorten Moscatel, PX und Doradilla gewinnt. Ich hörte den beiden damals zu, verkostete mit und fand den 2018er-Jahrgang richtig spannend, weil er süßlich duftete und im Mund gänzlich trocken daherkam. Er zeigte also einen interessanten Kontrast und eine insgesamt anregende erdig-kräuterige und teigige Aromatik. Der aktuelle Jahrgang 2019 dieses Weißweins hat nicht mehr diesen Süß-trocken-Gegensatz; er wirkt dafür sehr frisch und „crispy“ und ist fruchtiger. Für acht Euro ist das ein echter Top-Wein.  

Außerdem probieren wir den Premiumwein MHV 2015 aus Tintilla de Rota und Romé. Das Gewächs ist einzig in 1700-Liter-Zementtanks ausgebaut, und mir gefällt die direkte Art dieses Rotweins ungemein. Er wirkt sehr klar, frisch und zeigt viel Präsenz im Mund. Er verfügt über eine straffe Struktur und griffige Textur; da ist nichts Fettes zu spüren. Der Wein hat Druck, Grip und Zug. Und vor allem hat er Persönlichkeit. Für mich ist dies einer der besten Rotweine aus dem Anbaugebiet Sierras de Málaga. Die Produktion liegt bei um die 1000 Flaschen im Jahr und der Preis bei gut 50 Euro.

MHV 2015. Bodega La Melonera
Großartiger, geradliniger Rotwein mit viel Präsenz und Länge im Mund.

Den Rotwein MHV haben La Melonera mittlerweile in Yo Solo umbenannt. Der aktuelle Jahrgang 2017 ist je zur Hälfte aus Melonera und Blasco gemacht. Folglich variieren die Rebsorten dieses Weins abhängig vom Jahrgang. Eine Konstante ist allerdings, dass Yo Solo (und davor MHV) stets zu hundert Prozent aus autochthonen andalusischen Trauben gewonnen werden. Das heißt Romé, Tintilla de Rota, Melonera und Blasco kommen für die Cuvée in Betracht.

Weitere klasse Rotweine von Bodega La Melonera sind Payoya Negra (ca. 17 Euro) und La Encina del Inglés Tinto (ca. 10 Euro). Es handelt sich hierbei um zwei Cuvées, bei denen neben den heimischen Sorten Tintilla de Rota und Romé auch internationale Klassiker wie Garnacha, Syrah und Cabernet Sauvignon zum Einsatz kommen.

Welche Weinstilistik verfolgt Ana de Castro?, frage ich sie abschließend. Mehrfach verwendet sie das spanische Wort „ligero“, was auf Deutsch sowohl „leicht“ als auch „süffig“, bzw. in der Weinsprache „trinkig“ bedeutet. Ana will also tendenziell leichtere Weine mit gutem Trinkfluss keltern. Leicht heißt in diesem Falle nicht, dass die Weine niedrige Alkoholgrade haben. Es bedeutet vielmehr, dass sich diese Weine nicht schwer anfühlen. Die Weine von Finca La Melonera sind keine Muskelpakete, sondern sie gehen in die schlankere und elegante Richtung.

Ana fährt fort, dass es aufgrund der schweren Lehmböden in Ronda für sie einfacher wäre körperreiche Weine zu keltern. Allerdings sind ihr Frische und Eleganz wichtiger als Kraft und Extrakt. Deshalb erntet sie die Trauben so früh wie möglich. Zudem achtet sie im Keller auf kurze Maischestandzeiten: Noch während der Maischegärung presst sie die Rotweine, die dann als Most zu Ende vergären. So erhält Ana ihren frischen und eleganten Weinstil. Sie muss bei dieser Arbeitsweise noch nicht einmal ansäuern, wie das so manch andere spanische Winzer tun, um ihre Weine aufzupeppeln.

Finca La Melonera. Weinberge und Kellerei.
Weinberge und Weinkellerei. Im Hintergrund die Stadt Ronda.

Die Weine von Bodega La Melonera eignen sich dank ihrer Stilistik hervorragend als Essensbegleiter. Im Anschluss an unseren Weingutsbesuch gingen wir (meine Frau und beide Kinder waren mit dabei) mit Ana zum Mittagessen nach Ronda. Wir trafen dort Anas‘ Mann Vicente Inat, ebenfalls ein brillanter Weinmacher, von dessen Projekt Viñedos Verticales auf diesem Blog schon mehrfach die Rede war. Ein paar Weine brachten wir selbst ins Restaurant mit, darunter Payoya Negra 2018 und MHV 2015. Die wurden quasi einem „Praxistest“ zu andalusischen Tapas und gemischter Grillplatte unterzogen. Besser gehts nicht, kann ich sagen, und insgesamt hatte ich einen fantastischen Tag bei La Melonera in der Serrania de Ronda.


Weitere Infos:

Beitragsfotos: Nr. 3, 4, 6, 7 © Finca La Melonera // Nr. 1, 2, 5 © Spaniens Weinwelten

Bezugsquelle: bodeboca.de

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