Cims de Porrera – Was kostet ein Kilo Trauben?

Adria Pérez, Cims de Porrera

Im Gegensatz zu vielen anderen spanischen Anbaugebieten gelten die Weine aus dem katalanischen Priorat nicht gerade als günstig. Schaut man sich zum Beispiel beim großen spanischen Onlinehändler Bodeboca.com um, so führt dieser von 171 Weinen aus der DOQ Priorat gerade einmal vier Gewächse, die unter zehn Euro liegen. Für sieben Euro findet sich bereits kein einziger Priorat-Wein mehr.

Dieser nüchterne Zahleneinstieg, auf den ich am Ende zurückkomme, bringt mich zum Besuch, den ich Cims de Porrera abgestattet habe, um ein Video über das Weingut zu drehen. Winzer Adria Pérez und ich waren hierfür in einigen Weinbergen unterwegs.

Cims de Porrera – die Trauben der Anderen

Das Priorat dürfte vielen Leserinnen und Lesern ein Begriff sein, und einige von Ihnen waren bestimmt auch schon einmal dort. Sie wissen also, dass es sich um ein schroffes Berggebiet mit schmalen kurvigen Straßen zwischen einigen kleinen Dörfern handelt. Verlässt man diese Teerstraßen, um in die Weinberge zu gelangen, so fährt man auf Feldwegen, die mal in einem besseren, mal in einem schlechteren Zustand sind. Die Pisten, die ich mit Adria Pérez befuhr, fallen definitiv in die Kategorie „schlechter“. Einmal wurde der Weg so schmal und so holprig und der Abhang neben uns so steil und tief, dass mir ernsthaft Bange wurde. Zum Glück versteht sich Adria nicht nur aufs Weinkeltern, er ist außerdem ein guter Autofahrer. Unter anderem ist dies auf folgendem Kurzvideo zu sehen, das ich beim Besuch gedreht habe.


Einer der Weinberge, die wir begehen, wurde im Jahr 1910 angelegt und gehört einer Familie aus Porrera, die ihn in dritter Generation bestellt. Es ist ein Mischsatz aus Garnacha, Cariñena und der weißen Picapoll. Cims de Porrera sind als Weingut zwar ein privates Unternehmen, sie besitzen aber keine eigenen Lagen. Stattdessen kooperieren sie mit der örtlichen Winzergenossenschaft: „Die Weinberge gehören den Bauern aus dem Dorf. Wir machen Vorgaben und kontrollieren ihre Arbeit. Dann kaufen wir ihnen die Trauben ab und keltern unseren Wein daraus“, beschreibt Adria Pérez das Prinzip.

Alte Rebe im Priorat
Alte Cariñena auf Llicorella-Schiefer.

„Was bezahlt ihr für die Trauben?“, frage ich ihn. Die Antwort haut mich fast von den Socken. Für ein Kilo Trauben aus den alten Garnacha- und Cariñena-Reben zahlen sie zwischen 4,50 und 6,00 Euro. Sie vergüten nach einem dreistufigen Modell, erklärt mir Adria: Die Höhe des Preises orientiere sich daran, ob ein Weinbauer konventionelle oder biologische Landwirtschaft betreibt oder eine Art „Bio plus“-Modell praktiziere, bei dem die Vorgaben nochmals strenger als im regulären Bioanbau sind.

„Das sind sehr hohe Preise“, entgegne ich. „Kürzlich war ich in der Sierra de Gredos. Da erhalten die Bauern für ihre Garnacha-Trauben um die 50 Cent.“ Es sei wichtig, dass die Weinbauern ordentliches Geld für ihre Arbeit erhielten, erwidert Adria. Er erzählt von seinem Vater José Luis Pérez, dem Gründer von Cims de Porrera, der in einem winzigen Dorf in der Provinz Alicante aufwuchs und von Klein auf sah, wie schwierig es für die Bauern ist, mit ihrer Arbeit ein ausreichendes Einkommen zu erzielen.

Jener José Luis Pérez gehört einer Gruppe von Winzern um René Barbier, Daphne Glorian, Carles Pastrana und Alvaro Palacios an, die Ende der 1980er-Jahre begannen gemeinsam Weine im Priorat zu keltern und das damals völlig unbekannte Gebiet schlagartig berühmt machten. Nach drei gemeinsamen Jahrgängen gründeten sie eigene Weingüter, im Falle von José Luis Pérez ist es Mas Martinet.

Anfangs pflanzten die Priorat-Pioniere noch französische Sorten wie Cabernet Sauvignon und Merlot, die sie mit der autochthonen Garnacha verschnitten. Nach einigen Jahren, erzählt Adria, habe sein Vater aber das große Potenzial der Cariñena erkannt, von der es besonders viele Weinberge mit alten Reben rund um Porrera gibt.

Aus dieser Vision heraus entstand das Projekt Cims de Porrera. José Luis Pérez überzeugte die Mitglieder der Genossenschaft und man einigte sich auf eine Zusammenarbeit. Im Jahr 1995 erhielten die Mitglieder der Kooperative noch 50 Pesetas (0,30 Euro) für ein Kilo Trauben. Bereits mit ihrem ersten Jahrgang 1996 verdreifachten Cims de Porrera den Betrag auf 150 Pesetas (0,90 Euro), und im Jahr darauf zahlten sie schon 250 Pesetas (1,50 Euro). Über die Jahre hoben sie die Preise kontinuierlich an, heute sind es wie gesagt bis zu 6 Euro für ein Kilo. 

Weinernte bei Cims de Porrera
Betontanks im Weinkeller

Holz oder nicht Holz? Das ist hier die Frage.

Das klassische Rezept der Weinbereitung lautete bei den Priorat-Granden um René Barbier, Alvaro Palacios und José Luis Pérez bis in die 2000er-Jahre folgendermaßen: Die Trauben werden entrappt, im Stahltank vergoren und in neuen französischen Barriques ausgebaut. Der riesige Erfolg, den sie damit hatten, war stilbildend für das ganze Priorat-Gebiet. Schon 1994 bezeichnete Robert Parker diese „superreifen, vollmundigen, üppig strukturierten“ Rotweine mit ihrer „konzentrierten Frucht und einem riesigen Bukett aus würziger, rauchig-duftender Eiche“ als „großartiges Beispiel dafür, was Spanien auf allerhöchstem Level produzieren kann.“

Heutzutage ist Robert Parker im wohlverdienten Ruhestand und das Bild diverser: Bei Cims de Porrera kommen neben Barriques und Edelstahl nun auch Betontanks und Holzfuder zum Einsatz. Viele ihrer Rot- und Weißweine reifen über Jahre im unterirdischen Kellerlabyrinth sogar in Ballonflaschen. Adria Pérez findet beispielsweise, dass sein Weißwein Vi de Vila Blanc beim Ausbau in den Glaspullen mehr „Elektrizität und Spannung“ entwickelt als im Holzfass. Entsprechend setzt er seit 2018 nur noch die Ballonflaschen zur Reifung ein; davor vergärt er das Lesegut aus den autochthonen Sorten Garnacha Blanca und Picapoll in Betontanks.

Ebenfalls baut Adria die Weinlagen für den Rotwein Cims de Porrera Classic separat in den dickbauchigen Flaschen aus. Dieses Gewächs keltert er sortenrein aus der Cariñena-Traube. Wir kosten vom 20er-Jahrgang aus einigen der Pullen. Die Samples sind bei aller Kraft und Intensität herrlich frisch und strukturiert – und ohne Holznote.

Gerade die Top-Winzer im Priorat verabschieden sich zusehends von den kleinen Barriques und vom Neuholz. Zum Beispiel reift Alvaro Palacios seinen Kultwein L’Ermita nicht mehr wie früher in neuen französischen Barriques, sondern in größeren Fässern. Der Holzkontakt des Weins verringert sich hierbei freilich. Und als ich neulich bei Dominik Huber zu Gast war, sah ich nur Betontanks im Keller stehen, in denen er unter anderem seinen 100-Punkte-Wein Les Manyes ausbaut. Die Holzfässer hat er alle aussortiert; einzig für einen Weißwein verwendet er noch einen dagelassenen Fuder.

Die Entwicklung weg vom Holz, beziehungsweise hin zu größeren und älteren Holzfässern ist überall in Spanien zu beobachten: Auch Peter Sissek baute die ersten Jahrgänge seines ruhmreichen Pingus in neuen Barriques aus. Inzwischen landet Spaniens teuerster Wein in 2000-Liter-Fudern und in gebrauchten Fässern.

Dieser Trend bedeutet aber nicht, dass Spanien in nächster Zeit „holzfrei“ wird. Zum einen gibt es Spitzenhäuser in Rioja und Ribera del Duero, die wissen wie man richtig mit Barrique umgeht und ihre Tradition fortsetzen. Zum anderen trifft man insbesondere bei Weingütern, die zwei oder drei Ligen niedriger spielen, auf den verbreiteten Glauben, dass Barrique praktisch alles regelt: Neulich bekam ich einen Rotwein aus dem Anbaugebiet Cigales geschenkt (Viña Rufina, Crianza 2017), der eine derart penetrante süßliche Holznote hat, dass er für mich ungenießbar ist. Trotzdem gewann dieser Wein eine Goldmedaille bei der AWC Vienna 2020, was mich ratlos zurücklässt. Vielleicht ist mein Weingeschmack nicht tolerant genug.

Adria Pérez entnimmt Proben aus Ballonflaschen
Weine von Cims de Porrera

Der Preis der Anderen

Bevor ich ganz vom Thema abschweife, komme ich auf die Eingangsfrage zu den Traubenpreisen zurück. Das Priorat bietet gewiss einen besonderen Kontext, der hohe Preise von bis zu 6 Euro für ein Kilo bei Cims de Porrera ermöglicht: So handelt es sich um ein in der Fläche kleines Anbaugebiet. Die Weinberge sind generell aufwändig zu bearbeiten, teils liegen sie in schwer zugänglichen Hängen und werden mit Pferden gepflügt. Hinzu kommen die armen Schieferböden und alte Reben, die zu niedrigen Erträgen führen, manchmal weniger als 500 Gramm je Stock. Hingegen sind die Rotweine des Priorat weltberühmt und die Nachfrage ist hoch. Und in der Schule haben wir – zumindest in der BRD – gelernt, dass Angebot und Nachfrage den Preis regeln.

Viele andere spanische Regionen haben nicht den Ruf des Priorats, und ihre Weinbauern kommen weniger gut weg. Beispielsweise verfügen die autonomen Gemeinschaften Kastilien-La Mancha und Extremadura über die meisten Rebflächen Spaniens. Dort läuft gerade die Weinlese, und diesbezüglich habe ich in mehreren Medien recherchiert, welche Preise die Bauern für ihre Trauben erhalten. Zusammengefasst liegen sie je nach Rebsorte und Herkunft bei 12 bis 38 Cent das Kilo. Insbesondere in der Extremadura beklagen sich Weinbauern über „ruinöse Preise“ von 17 Cent für weiße Trauben und 21 Cent für rote Trauben, die sogar unter den realen Produktionskosten lägen (unter anderem diesem Artikel einer spanischen Zeitung zu entnehmen).

Diese Zahlen lasse ich einfach mal so stehen, ohne übergroße Schlüsse daraus zu ziehen. Einen Kommentar will ich aber loswerden: Während viele Leute mittlerweile kapiert haben, dass superbilliges Rindfleisch aus dem Discounter problembehaftet ist, kenne ich ebenfalls einige Menschen, deren Glücksgefühle regelrecht dadurch in Wallung geraten, wenn sie einen „leckeren“ Wein für wenig Geld entdecken. Warum sollten sie auch 15 Euro ausgeben, wenn es schmackhaftes Zeugs bereits für unter 5 gibt? Besonders spanische Weine gelten in Deutschland ja als unglaublich günstig, für das was man an Qualität bekommt. Aber irgendwer zahlt am Ende immer den Preis.

Abschließend sei Adria Pérez zitiert. Auf meine Frage, warum sie bei Cims de Porrera vom Start weg so hohe Traubenpreise bezahlten, antwortet er:

„In der Agrarindustrie ist es fast immer so, dass der Bauer zu wenig bekommt und die Zwischen- und Endhändler das ganze Geld verdienen. Beim Wein verhält es sich kaum anders. Wir wollen nicht, dass das hier in Porrera ebenfalls passiert. Es ist uns wichtig, die harte Arbeit der Bauern zu würdigen.“

Die großartigen und garantiert nicht billigen Weine von Cims de Porrera sind in Deutschland unter anderem hier zu beziehen: www.vinopolis.de


Alle Beitragsfotos: © Spaniens Weinwelten

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