Man kann sagen, dass das Weingut Juan Gil die Rebsorte Monastrell und das Anbaugebiet Jumilla in Spanien bei einem breiten Publikum bekannt und beliebt gemacht hat. Vor 20 Jahren galten Weine aus Monastrell und Jumilla den meisten Spaniern noch als minderwertig, sofern sie die Namen überhaupt kannten. Heute ist das anders: In meinem recht großen spanischen Freundeskreis trinken wir Weine wie das Yellow Label und das Silver Label bei unseren Treffen häufig. Mit Ladenpreisen um die 7 bzw. 12 Euro bieten sie ein hervorragendes Preis-Genuss-Verhältnis. Auch in der Gastronomie sind diese vollmundigen und strukturierten Rotweine oft anzutreffen. Die Geschichte des Familienweinguts ist faszinierend, ich habe sie hier schon einmal aufgeschrieben, nachdem ich es 2018 erstmals besuchte.
So bekannt der Name Juan Gil mittlerweile ist, so wenige Weinliebhaber wissen, dass aus dem Weingut, das in Jumilla jährlich rund 4 Millionen Flaschen abfüllt, im Laufe der Jahre eine Weingruppe entstanden ist. Zu den „Gil Family Estates“ gehören heute 11 Weingüter in 10 spanischen Anbaugebieten. Einige dieser Weingüter konnte ich kürzlich im Rahmen einer Pressereise besuchen. Wir starteten in der D.O. Jumilla mit der Bodega Juan Gil und dem Boutique-Weingut El Nido und fuhren dann weiter in die benachbarte D.O. Almansa zur Bodegas Atalaya. Unser zweitägiger Road-Trip endete im fernen Aragon – im Ebro-Gebiet und nicht mehr allzu weit von den Pyrenäen entfernt – in den Weinbaugebieten D.O. Calatayud und D.O. Campo de Borja. Um die letztgenannte Appellation und das dortige Weingut Morca geht es im Folgenden.
Auf nach Oregon Aragon!
Schon die fünfstündige Autofahrt von Almansa, das in der südlichen Hälfte Spaniens liegt, nach Borja war ein Erlebnis: Kurz hinter Valencia verließen wir bei Sagunt die Mittelmeerküste. Über den Gebirgszug der Sierra de Calderona gelangten wir auf eine Hochebene und in die Provinz Teruel, die bereits zu Aragon gehört. Die Landschaft ist überwiegend flach und weit, und doch befanden wir uns auf einer Höhe von bis zu 1.300 Metern. Es ist eine der menschenleersten Gegenden im generell dünn besiedelten Landesinneren Spaniens. Als wir jedoch gegen 11 Uhr an einer Raststätte für eine Kaffeepause anhielten, hatten wir das Gefühl, die ganze Region hätte sich hier zum Feiern verabredet. Spanische Gaststätten können sehr lebhaft und laut sein.
Von Teruel ging es weiter in die Provinz Zaragoza durch das Anbaugebiet D.O. Cariñena und schließlich nach Campo de Borja zur Bodegas Morca. Hier ist die Höhenlage nicht mehr ganz so extrem, erzählt uns Jordi Flos, Verkaufsleiter und Gründer des Weinguts. Er startete das Projekt im Jahr 2014 in seiner Garage, ehe Gil Family Estates einstieg. 2018 nahmen sie die neue Kellerei in Betrieb. Sie liegt nahe der Kleinstadt Borja auf rund 500 Metern Höhe. Die Weinberge von Bodegas Morca erstrecken sich auf 400 bis 850 Metern Höhe, sagt Jordi. Das ist freilich immer noch hoch genug, um in den heißen Sommern für die dringend benötigte nächtliche Abkühlung zu sorgen. Hinzu kommt der geradezu legendäre Nordwind Cierzo, der von den 80 Kilometer entfernten Pyrenäen herüberweht und die Weinberge durchlüftet. Insgesamt ist das Klima kontinental geprägt und die Landschaft hat durchaus dramatische Züge.
Im Reich der Garnacha
Das Weingut baut ausschließlich die Rebsorte Garnacha Tinta (Grenache) an, die über die Hälfte der Rebfläche der D.O. Campo de Borja einnimmt. Die Appellation bezeichnet sich daher als „Das Reich der Garnacha“. Der Bestand an alten Reben ist dabei hoch, so auch bei Bodegas Morca. Laut Jordi Flos sind die Rebstöcke zwischen 15 und 97 Jahre alt. Alle sind sie in der traditionellen Buscherziehung gehalten. Die Weinberge befinden sich teils bei der Kellerei und zum Teil an den Hängen des 20 Kilometer entfernten und bis zu 2.314 Meter hohen Moncayo-Gebirges. Die dortigen, von Schiefer geprägten Lagen um den Ort Tabuenca gelten allgemein als besonders hochwertig.
2023 war ein schwieriges Jahr, erzählt Jordi Flos, geprägt von großer Hitze und wenig Niederschlag. Generell handelt es sich um eine trockene Region, in der nur 300 bis 400 mm Regen pro Jahr fallen. Die Traubenerträge sind entsprechend gering, bei Bodegas Morca betragen sie laut Jordi zwischen 1.800 und 2.300 Kilogramm pro Hektar.
Um sich an den Klimawandel anzupassen und seine Folgen abzumildern, experimentiert das Weingut beispielsweise mit geeigneten Unterlagsreben und betreibt biologischen Anbau. Auch sind die Buschreben besser an Hitze und Trockenheit angepasst als Reben in Spaliererziehung. Zum einen spendet ihr Blätterdach mehr Schatten, zum anderen muss die Pflanze weniger Energie aufwenden, um Blätter und Trauben mit Nährstoffen zu versorgen, da der Weg von den Wurzeln zu den Trauben kürzer ist. In der Kellerei wiederum decken Solarzellen den Strombedarf zu 100 Prozent ab. Außerdem fängt Bodegas Morca das Wasser zur Reinigung der Tanks und Barriques auf und verwendet es wieder. Ziel ist es – wie bei allen Weingütern der Gil-Gruppe – den Verbrauch wichtiger Ressourcen und den CO2-Ausstoß so gering wie möglich zu halten.
Bodegas Morca: viermal Garnacha in unterschiedlicher Spielart
Da die Weinberge je nach Lage lehmig, sandig, schiefrig, kiesig oder kalkhaltig sind und zudem unterschiedliche Höhenlagen aufweisen, hat das Weingut bei der endgültigen Cuvéetierung seiner vier Rotweine zahlreiche Spielräume und Optionen. Die Garnacha wächst bei Morca meist in kleinen Parzellen, von denen das Team um Jordi Flos und Önologe Roberto Pérez viele separat vinifiziert. Die Trauben werden zunächst entrappt, mit einer optischen Sortiermaschine selektiert und in offenen Edelstahlbottichen vergoren. Gepresst wird vorsichtig: Aus 100 Kilo Trauben erhalten sie 60 Liter. Dann erfolgt der unterschiedlich lange Ausbau in Barriquefässern.
Das Portfolio umfasst den günstigen wie sehr guten Einstiegswein Flor de Morca 2022, der sich saftig-frisch und schwungvoll und mit einer anregenden Würze präsentiert, wie sie typisch für die Rebsorte Garnacha ist. Zunehmend komplexer wird es mit dem samtig-weichen Godina 2021 und dem vollmundigen Morca 2020, der über eine gute Frische und hohe aromatische Intensität verfügt. Geradezu mächtig ist der dicht strukturierte Touran 2020. Mit 16 Prozent Akohol ist er wahrlich kein Leichtgewicht, und dieser Weinstil zählt auch nicht zu meinen persönlichen Favoriten. Trotzdem erkenne ich an, dass dieses Gewächs bei aller Konzentration, Reife und Opulenz keineswegs marmeladig oder schwerfällig ist, sondern tiptop Spannung und Länge besitzt. Alle diese Weine passen übrigens ausgezeichnet zu einer Platte mit Jamón Iberico, luftgetrocknetem Rinderschinken vom Wagyu und gepökeltem Rinderbauch, die Teil unseres Mittagessens im Weingut war.
Die Fassproben: Vorlauf- und Pressmost und verschiedene Lagen
Besonders interessant fand ich die Fassproben, die uns Jordi Flos zuvor kredenzt hatte. Wir verkosteten fünf Weine aus jeweils unterschiedlichen Lagen. Weich und saftig, mit einem Fokus auf Frische und Trinkigkeit, ist zum Beispiel der Wein aus der sandig-lehmigen Lage „Llanos Camino“, die sich in der Nähe des Weinguts bei Borja befindet. Den Wein in diesem Fass haben Jordi und Roberto aus dem Vorlaufmost der Trauben gekeltert. Deutlich dunkelfruchtiger, mineralischer und strukturierter ist wiederum das Gewächs aus der Schiefer-Lage „Ermita Vieja“, die auf über 800 Metern Höhe in Tabuenca liegt. Hier verkosteten wir den aus dem Pressmost erzeugten Wein.
Am besten gefiel mir die Probe aus dem Weinberg „Chester“, der sich auf 750 Metern Höhe an den Hängen des Moncayo-Massivs erstreckt, ebenfalls in Tabuenca und mit Schieferböden. Der aus dem Vorlaufmost gewonnene 2022er hat eine florale, klare und anregende Nase. Am Gaumen hat er einen animierend frischen Säurezug, ist präzise und fein, fühlt sich griffig und elegant an. Der feinwürzige, geradlinige Abgang macht Lust auf den nächsten Schluck. Eigentlich schade, dass so ein großartiger Wein, der ein spezifisches Terroir repräsentiert, nicht einzeln abgefüllt wird, sondern in einer „Weinbergs-Cuvée“ landet. Auf alle Fälle war es einmal mehr interessant zu sehen, wie viele verschiedene Stile und Aromen die Garnacha in ein und demselben Anbaugebiet und sogar in ein und demselben Weingut hervorbringen kann.

Weitere Infos:
Alle Fotos: © Thomas Götz, Spaniens Weinwelten
Außer Foto 2: © Constanze Braun
Tipp: Wer einmal nach Borja kommt, sollte unbedingt auch das Restaurant La Toscana besuchen. Dessen Chefkoch bereitete uns ein formidables Menü zu.
Link zur Gil Family Gruppe: gilfamily.es