Der weiße Vorfahre des Tempranillo

Ribera del Duero ist berühmt für Rotweine von Vega Sicilia, Aalto und Pingus. Erst seit 2019 erlaubt die Appellation auch die Herstellung von Weißweinen aus der Rebsorte Albillo Mayor. Ein Vorreiter ist das Weingut Valduero.


Den Albillo Mayor gibt es in Ribera del Duero quasi seit Menschengedenken. Erste schriftliche Erwähnungen stammen aus dem 16. Jahrhundert. Die Weißweintraube ist sogar ein Elternteil des Tempranillo, der aus einer natürlichen Kreuzung zwischen ihr und der Rotweinsorte Benedicto hervorging. 

Im Gegensatz zu seinem berühmten Spross legte der Albillo Mayor allerdings keine große Karriere hin: In der DOCa Rioja, wo er Turruntés heißt, wird er nach Angaben des Regulierungsrats auf mickrigen fünf Hektar kultiviert. In der DO Ribera del Duero sind es laut Regulierungsrat derzeit 353 Hektar. Im Vergleich zum Tempranillo, der 96 Prozent der 26.000 Hektar großen Rebfläche dieses nordspanischen Weingebiets bedeckt, fristet der Albillo Mayor ein Schattendasein. 

Weinberge von Bodegas Valduero in Ribera del Duero
Weinberge von Bodegas Valduero auf der Hochebene in Ribera del Duero

Rebsorte mit Potenzial für Spitzenweine

Dennoch vollzieht der Albillo Mayor gerade den Wandel von einer klassischen Verschnittrebe hin zu einer sortenreinen Identität. Früher mischten die Winzer des Duero-Gebiets die Weißweintraube ihren Rosé- und Rotweinen bei, um ihnen mehr Frische zu verleihen und die Farbe zu stabilisieren. Zum Beispiel enthielt der legendäre Unico von Vega Sicilia in den 1960er und 1970er Jahren immer etwas Albillo Mayor. Und als 1982 die DO Ribera del Duero gegründet wurde, ließ sie die Zugabe von maximal fünf Prozent in Rotweinen zu. 

Die Herstellung von Weißweinen ist in den Statuten der DO Ribera del Duero erst aber seit 2019 erlaubt, und manche der seither erschienenen Gewächse sind in der Tat bemerkenswert: Von Dominio de Atauta kommt etwa ein fantastischer sortenreiner Albillo Mayor von im Schnitt 140 Jahre alten Reben, die noch aus der Zeit vor der Reblaus stammen (ca. 35 Euro, Bezug gute-weine.de). Der 2023er ist superfrisch, aromatisch und vielschichtig im Mund. Die Trauben stammen aus 130 winzigen Parzellen, die zusammen gerade einmal drei Hektar groß sind. Die Weinberge liegen auf fast 1.000 Metern Meereshöhe in der Provinz Soria, der kühlsten Gegend Spaniens. Hier herrscht Frostgefahr von September bis Mai. „Neun Monate Winter und drei Monate Hölle“, besagt ein Sprichwort über das Klima in Ribera del Duero. Mit Hölle sind die heißen Sommermonate gemeint.

Auch das Weingut Dominio del Águila keltert einen außergewöhnlichen, ultralangen und energiegeladenen Albillo Mayor aus uralten 100-jährigen Reben. Feine Würze, Mineralität, Tiefe und eine ebenso griffige wie elegante Textur zeichnen den Jahrgang 2018 aus, den ich bei einer Weinshow in Madrid verkostet habe. Zur tollen Säure kommt hinzu, dass Albillo Mayor insbesondere auf kalkigen Böden meist einen niedrigen pH-Wert von um die 3,0 hat. Der Wein wirkt im Mund daher extrem frisch und knackig, zugleich ist er aber auch vollmundig, konzentriert und reif. Der Preis für eine Flasche des Albillo Viñas Viejas kommt im Handel auf um die 170 Euro. 

Außergewöhnlicher Albillo Mayor von Dominio del Aguila
Rechts: spektakulärer Albillo Mayor von Dominio del Aguila

Bodegas Valduero: Pionier des Albillo Mayor

Die eigentliche Pionierin des Albillo Mayor ist aber Yolanda García Viadero von Bodegas Valduero (Titelfoto). Bereits 1992 brachte sie 4.000 Flaschen eines reinsortigen Weißweins auf den Markt, zu einer Zeit, als Albillo Mayor alles andere als en vogue war. „Als in den 90er Jahren alle Weingüter die Sorte entfernten, haben wir an sie geglaubt und neue Weinberge angelegt“, sagt die Winzerin. Aus alten Rebstöcken zog sie Stecklinge für die Neuanpflanzungen heran. Heute bewirtschaftet sie zwölf Hektar und produziert jährlich bis zu 50.000 Flaschen ihres „Valduero Blanco“. Zunächst vermarktete sie den Wein unter der Landwein-Herkunft VT Castilla y León. Seit 2019 lautet die Ursprungsangabe DO Ribera del Duero.

Albillo ist nicht gleich Albillo

Nicht zu verwechseln und auch nicht verwandt ist der Albillo Mayor übrigens mit dem weißen Albillo Real, der etwas weiter südlich in Weingebieten nahe der Hauptstadt Madrid beheimatet ist und dank einiger Erzeuger in der Sierra de Gredos eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. Darüber hinaus gibt es eine lokale Rebsorte in der ostspanischen DO Manchuela – Albilla (mit „a“) -, aus der etwa Juan Antonio Ponce zwei großartige, charaktervolle Weißweine keltert. Aber auch diese Sorte ist trotz des ähnlichen Namens nicht verwandt mit den beiden Albillos, Mayor bzw. Real.

Wie so viele spanische Weißweinsorten – darunter Airén, Pedro Ximénez und Viura – stammt der Albillo Mayor von der arabischen Tafeltraube Gibi (Hebén) ab, die sehr wahrscheinlich von den Mauren nach Spanien mitgebracht wurde. Alle weiße Rebsorten, die von Gibi abstammen, sind meiner Erfahrung nach nicht übermäßig fruchtig, allenfalls zitrisch. Ihre Attraktivität erhalten sie vor allem durch eine spannende, vielschichtige Textur, also durch das Mundgefühl. Generell fallen die meisten Albillo Mayors aus Ribera del Duero mineralisch und vollmundig aus. Bei aller Fülle wirken sie aber niemals schwer und plump, sondern vital, spannungsgeladen und charaktervoll. Ihre aromatische Intensität und Komplexität kommt mit der Zeit, etwa über einen längeren mikrooxidativen Ausbau oder die Flaschenreife.

Valduero Blanco, Albillo Mayor
Seidig und elegant im Mund, mit anregenden floralen und zitrischen Aromen

Valduero Blanco: Aus kühlen Hochlagen am Duero

Mit seinem kurzen Reifezyklus passt der Albillo Mayor hervorragend ins extreme kontinentale Höhenklima von Ribera del ­Duero, wo im Frühjahr und Herbst akute Frostgefahr besteht. Bei Bodegas Valduero wachsen die Reben etwa auf 830 Metern Höhe und werden nicht bewässert. Beachtlich ist auch die Fähigkeit der Sorte, trotz der ­intensiven Sonneneinstrahlung auf der zentralspanischen Hochebene, die Säure in den Trauben zu konservieren und nur mäßig Zucker aufzubauen. So kommt der äußerst frische, seidige und vollmundige Valduero Blanco aus dem überdurchschnittlich heißen Jahrgang 2022 auf mittlere 13 Volumenprozent.

„Albillo Mayor bringt langlebige Weine hervor und eignet sich ausgezeichnet für die Reifung in Eiche und in der Flasche“, beschreibt Yolanda García Viadero eine weitere Stärke. Neben dem im Stahltank auf der Feinhefe ausgebauten Valduero Blanco hat die Winzerin deshalb seit Kurzem auch eine weiße Reserva und Gran Reserva im Portfolio. Die Weine finden weit über Spanien hinaus Anerkennung. Mark Knopfler zum Beispiel hat sich als großer Fan geoutet: Bodegas Valduero ist das erklärte Lieblingsweingut des Sängers und Gitarristen der Dire Straits. Für „Nothing“ gibt es den Valduero Blanco aber nicht. Er kostet im deutschen Handel knapp über 20 Euro (Bezug: wir-winzer.de).


Weitere Infos:

Beitragsfotos: © Thomas Götz, Spaniens Weinwelten

Ein ähnlicher Beitrag von mir ist bereits im Fachmagazin „Wein+Markt“ in der Rubrik „Mal was Anderes“ erschienen (Heft 08/2023). Der jetzige Blog ist eine verlängerte und an manchen Stellen aktualisierte Fassung davon.

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