Wein will Barrique – oder doch lieber Stahltank und Beton-Ei?

Toasting eines Barrique Fasses bei López de Heredia

Der vorige Artikel auf diesem Blog zum Kultwein Tondonia und dessen enorm lange Reifezeiten im Barrique hat mich nochmals neugieriger auf den Ausbau im Holzfass gemacht. Weitere Recherchen zeigten, dass das Thema äußerst komplex ist und genug Stoff für eine Dissertation abgäbe. Da dies ein persönlicher Blog ist, habe ich mir vier Fragen notiert und gleich mit Mut zur Lücke beantwortet.

Vorneweg: Es gibt zahlreiche Fasstypen und -größen. Die Rotkäppchen Sektkellerei in Freyburg besitzt beispielsweise ein Eichenfass mit 120.000 Litern Fassungsvermögen. In der modernen Weinbereitung haben sich die kleinen Fässer durchgesetzt, allen voran das Barrique mit seinen 225 Litern. Mehr Luft- und Holzkontakt lassen den Wein darin schneller und intensiver reifen, was den heutigen Ansprüchen von Konsumenten und Handel entgegenkommt. Auch in Spanien ist das „barrica“ überall präsent und klar die Nummer Eins unter den Holzfässern. Deshalb zielt dieser Artikel vor allem auf das Barrique ab.

Weinkeller von Vega Sicilia
Unterschiedliche Fassgrößen im Keller des Weinguts Vega Sicilia (Foto: Ignacio Muñoz-Seca / © ICEX).

Warum wird Wein im Holzfass ausgebaut?
Zumindest bei Rotweinen verhält es sich so, dass ein wirklich guter Tropfen eine gewisse Reifezeit bei schonender Oxidation benötigt. Holzfässer mit ihrer dezenten Luftdurchlässigkeit sind dafür ideale Behältnisse. Der Wein kann durch die Poren des Holzes quasi „atmen“.

Holz beeinflusst Stil und Aromatik eines Weins: Junges Tannin aus den Beerenschalen und -kernen wirkt häufig adstringierend und fast schon aggressiv am Gaumen. Verbindet es sich mit Holztannin entstehen chemisch betrachtet längere „Tanninketten“, die den Wein paradoxerweise weicher und ausbalancierter sowie stabiler und langlebiger machen. Gerade bei Rebsorten, die viele der bitteren Gerbstoffe besitzen wie Cariñena, Syrah oder Cabernet Sauvignon kann sich die Verbindung mit Holztannin positiv auf Eleganz und Harmonie des Weins auswirken. Naturgemäß weicheren Sorten wie Pinot Noir, Merlot oder Garnacha bescheren Holztannine mehr Struktur und längere Lebensdauer.

In Bezug auf die Aromatik sind es typische Holznoten wie Vanille, Tabak, Karamell, geröstete Nüsse oder Kokos, die an den Wein abgegeben werden und ihn dadurch verändern. Gerade hierin besteht auch eine Gefahr des Holzausbaus: Bei übermäßigem Gebrauch dominieren die Holzaromen schnell die sortentypischen Fruchtaromen der Traube.

Weißweine werden mitunter ebenfalls im Holzfass gereift, um ihnen entsprechende Aromen und Struktur zu verleihen. In Spanien stößt man häufiger auf die Bezeichnung BFB, die Abkürzung für „Blanco Fermentado en Barrica“: ein Weißwein, dessen alkoholische Gärung nicht wie üblich im Stahltank, sondern im Barrique stattgefunden hat, was ihn wegen der Holztannine nochmals robuster macht.

Küferei von López de Heredia
Das Weingut López de Heredia unterhält eine eigene Küferei (Foto: Dpto. Multimedia / © ICEX).

Welche Hölzer werden für Weinfässer verwendet?
Früher kamen verschiedene Hölzer wie Kastanie, Pinie und Kirsche zum Einsatz. Seit einigen Jahrzehnten hat sich Eiche etabliert. In Bezug auf Verarbeitung und Aromen wird sie von Küfern und Winzern als beste Lösung angesehen. Etwa 250 Eichentypen gibt es weltweit, nur drei Arten taugen für die Weinbereitung: die Stieleiche, die Traubeneiche sowie die Amerikanische Weißeiche.

Trauben- und Stieleichen sind in ganz Europa verbreitet. Besonders die französischen Forste in den Vogesen, rund um die Stadt Nevers oder des Departements Allier liefern das Holz für den Fassbau. Deshalb wird herkunftsbezogen oft gesagt ein Barrique sei aus „französischer Eiche“ oder noch konkreter aus Allier-Eiche, Nevers-Eiche, etc. gefertigt. Bei diesen Bezeichnungen handelt es sich aber nicht um eigene Spezies wie es bei der Amerikanischen Weißeiche der Fall ist, die zudem nur in Nordamerika vorkommt.

Stiel- und Traubeneichen sind poröser als Amerikanische Weißeiche. Sie müssen deshalb in Faserrichtung gespalten werden um dicht zu sein, was eine aufwändige Arbeit darstellt, bei der zudem viel Ausschuss anfällt. Das macht Fässer aus „französischer Eiche“ fast doppelt so teuer wie jene aus der dichteren Amerikanischen Weißeiche, die auch gegen den Faserverlauf maschinell gesägt werden kann. Spanische Winzer erzählen mir in Gesprächen, dass sie für ein neues Barrique aus französischer Eiche 600 bis 1.400 Euro, aus amerikanischer Eiche 300 bis 800 Euro bezahlen. Hier variieren die Preise je nach Hersteller und Qualität.


Das Toasting (Anbrennen der Dauben) sorgt später für die Röstaromen im Wein (Foto: Dpto. Multimedia / © ICEX). 

Wie beeinflusst ein Barrique den Wein geschmacklich?
Fünf Faktoren spielen eine Hauptrolle: die Dauer, welche der Wein im Fass reift; die verwendete Baumspezies; der Herkunftsort des Holzes; die Verarbeitung sowie das Alter des Fasses.

Beginnen wir mit dem Alter: In der Regel werden Barriques nach drei bis fünf Jahren aussortiert, da sie dann kaum noch Tannine und Aromen an den Wein abgeben. Im Umkehrschluss heißt das: ein neues Barrique gibt mehr Eigengeschmack an den Wein ab als ein Barrique in Zweit- oder Drittbelegung. Manche Winzer setzen ganz auf neue Barriques, andere Weinmacher verwenden wiederum nur gebrauchte Barriques, weil sie das Holz nicht so dominant im Wein haben wollen.

Bei der Verarbeitung ist besonders das sogenannte Toasting hervorzuheben – also das Anbrennen oder Rösten der Dauben. Dieses Anbrennen der Holzoberfläche bringt später im Wein jene Rauch-, Röst- und Vanillearomen zum Vorschein, die einige Weintrinker so mögen. Auch hier gibt es freilich unterschiedliche Grade wie stark das Holz geröstet wird. Amerikanische Küfer, sagt man, setzten mehr auf das „Toasting“ als ihre französischen Kollegen. Entsprechend aromenintensiver kommen amerikanische Barriques häufig daher.

Unterschiedliche Aromatik liefern zudem die drei Eichentypen: Traubeneichen enthalten deutliche Vanillearomen, während die Stieleiche weniger aromatisch, dafür reicher an Tannin ist. Die Amerikanische Weißeiche gilt – obwohl sie weniger porös als ihre europäischen Schwestern ist – insgesamt als kräftig aromatisch.

Wie prägend Eichentyp und Herkunftsort sind, davon konnte ich mich kürzlich selbst überzeugen: Im Januar luden mich die Besitzer des Weinguts Celler Alimara zu einer Degustation ein. Das junge Weingut bringt im Herbst 2017 seine ersten Weißweine auf den Markt und testet bei den Rotweinen noch viel bzgl. des zukünftigen Fassausbaus. Unsere Weinprobe bestand unter anderem darin den exakt selben Rotwein (Cariñena) zu verkosten, der einzig in zwei verschiedenen Barriques reift: einmal in amerikanischer Eiche, einmal in französischer Eiche. Die zwei Proben dieses Weins schmeckten völlig unterschiedlich! Bei einer weiteren Verkostungsrunde probierten wir einen Garnacha-Rotwein, dessen einziger Unterschied darin besteht in französischen Barriques verschiedener Herkunft ausgebaut zu sein. Auch bei diesem Wein waren die aromatischen Kontraste frappierend.

Last but not least stellt sich die Frage der Dauer des Holzeinsatzes. Viele spanische Rotweine bekommen einen Barriqueschmatzer zwischen drei und 24 Monaten verpasst, ehe sie abgefüllt werden. Sie firmieren dann als Joven, Crianza, Reserva oder Gran Reserva (Begriffe, die im Glossar dieses Blogs erläutert sind). Es geht auch länger: Eine Tondonia Gran Reserva reift sagenhafte 120 Monate im Barrique. Die Gleichung „langer Holzkontakt gleich mehr Holzgeschmack“ trifft dabei nicht zu – Auskunft hierüber gibt mein Artikel zum Kultwein Tondonia, weshalb ich an dieser Stelle nicht näher auf den Punkt eingehe.

Stattdessen ein kurzes Zwischenfazit: Neues oder gebrauchtes Barrique? Amerikanische oder französische Eiche? Und wenn französische Eiche, dann eine aus Allier, Nevers oder anderswo? Toasted oder Semi-Toasted? Sechs Monate oder sechs Jahre Weinreifung? Der Ausbau im Barrique stellt Winzer vor so manche Aufgabe. Im Idealfall verleiht ein Eichenfass mit seiner fein dosierten Sauerstoffzufuhr und seinen Holztanninen einem Wein mehr Eleganz und Komplexität. Schlägt der Winzer beim Einsatz des Holzes über die Stränge ist der Wein auch schnell mal verunstaltet. Wir haben es also mit einer hohen Kunst der Weinbereitung zu tun.


Holzfässer zur Sherry-Reifung bei Bodegas Barbadillo (Foto: Piedad Sancho-Mata / © ICEX).

Welche alternativen Ausbaumethoden gibt es?
Einerseits benötigen Rotweine einen sogenannten oxidativen Ausbau um zu reifen (pro Barrique), andererseits geht der Konsumtrend vor allem bei der jüngeren Generation hin zu stark fruchtbetonten Weinen, in denen Holznoten gar nicht mehr erwünscht sind (contra Barrique). Ein Widerspruch, in dem sich der Barrique-Ausbau hier befindet. Neulich hatte ich einen großartigen Wein im Glas, der im Beton-Ei ausgebaut wurde. Ich wiederhole: Beton und Ei! Was ist das denn?

Der Rotwein – ein Pinot Noir – kommt vom Weingut Alois Lageder aus Südtirol. Mit fünf Freunden hatte ich eine Blindverkostung von fünf Spätburgundern aus vier Ländern organisiert. Neben dem biodynamischen Italiener Lageder gab’s im Wettbewerb zwei Deutsche (Markus Schneider und Bernhard Huber), einen Franzosen (F. E. Trimbach) und einen Spanier (Pagos de Indalia). Vom enttäuschenden spanischen Pinot Noir einmal abgesehen, waren das alles ziemlich elegante und feine Spätburgunder. Mein persönlicher Favorit war Bernhard Huber. Als Gesamtsieger des Blind-Tastings ging aber der Pinot Noir 2013 von Alois Lageder hervor. Mit dreizehn Euro sogar der Günstigste der Weine.

Auf der Webseite des Weinguts wird die Weinbereitung unter anderem so beschrieben: „Maischegärung und biologischer Säureabbau im Edelstahltank, Ausbau im Betonbehälter während fünfzehn Monaten“. Fünfzehn Monate Betonbehälter? Darüber wollte ich mehr wissen. Schnell stieß ich auf weitere Seiten im Web und fand heraus, dass das Phänomen gar nicht so neu ist. Beton ist porös und luftdurchlässig. Ergo kann der Wein in einem Beton-Ei unbeeinflusst von Holzaromatik atmen und reifen. Manche Spitzenwinzer verwenden deshalb Beton-Eier zur Weinbereitung. Es gibt auch Gegenstimmen, die sagen, dass der Sauerstoffaustausch schlechter sei als beim Holzfass, der Wein den Beton angreife und dieser mineralische Noten an den Wein abgebe. Wie so oft also eine Glaubensfrage.

Beton-Eier und Ton-Amorphen im Weingut am Stein
Sieben Beton-Eier mit jeweils ca. 1.700 Litern Fassungsvermögen (links) und Ton-Amorphen (rechts) im biodynamisch arbeitenden Weingut am Stein (Foto: © InformationsZentrum Beton / Stephan Falk).

Im orthodoxen Georgien – mit seiner rund 7.000-jährigen Weintradition das Geburtsland des Weins – werden heute noch Ton-Amorphen zur Weinreifung verwendet. Die Terrakottabehälter fassen zwischen 100 und 2.500 Liter und sind in die Erde eingegraben. Auf diese Weise dringt kaum Sauerstoff durch die Poren der Amorphe, eine Mikrooxidation findet jedoch statt. In Westeuropa haben einige biodynamisch wirtschaftende Winzer diese antike und älteste Form der Weinbereitung für sich entdeckt. Von den in der Erde eingegrabenen Tongefäßen versprechen sie sich unter anderem eine optimalere Weinreifung unter Einbindung der Erdkräfte. Manche tun dies vorschnell als esoterischen Quatsch ab. Seit ich meinen eigenen Garten besitze, glaube ich an Mondkalender und kosmische Kräfte.

Wem Beton-Ei und Ton-Amorphe zu exotisch sind, dem bleibt freilich noch der Stahltank. Dieser verhindert Luftkontakt und schützt den Wein vor Oxidation. Der Stahltank bewirkt also so ziemlich das Gegenteil eines Holzfasses. Man spricht deshalb von einem „reduktiven Ausbau“, im Gegensatz zum „oxidativen Ausbau“ im Holzfass.

Einige Winzer bevorzugen den reduktiven Ausbau, weil er die Fruchtaromen der Traube schont und Weine im Geschmack sortenreiner erscheinen lässt. Für Weißweine, die jung getrunken werden (und das sind heutzutage die meisten), ist der Stahltank deshalb vielleicht das beste Behältnis. Im Gegensatz zu vielen Rotweinen besitzen Weißweine keine harten Tannine, die durch Mikrooxidation und Holztannine abgemildert werden müssten. Und wieso sollte ein Weißwein nach Holzaromen wie Vanille oder Karamell schmecken, wenn er schon so herrliche Eigenaromen wie Stachelbeere, Aprikose oder Lindenblüte zu bieten hat?

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