Can Axartell und die mallorquinischen Rebsorten Callet und Esperó de Gall

Can Axartell, Mallorca

In der Beitragsreihe Support your local grape stelle ich rare und lange vergessene Rebsorten vor, die oftmals aus Gründen des Zeitgeists oder der Wirtschaftlichkeit ins Hintertreffen gerieten, nun aber wieder im Zuge des Aufstiegs von lokalen Identitäten und anderen Faktoren, etwa dem Klimawandel, einen Aufschwung erleben. Dieser Artikel handelt von den roten Trauben Esperó de Gall und Callet auf Mallorca.

Ende März besuchte ich auf Mallorca das Weingut Can Axartell. Die Visite fand im Rahmen einer Pressereise statt, von der Regionalregierung der Balearen organisiert, bei der es überwiegend um Food-Themen ging. Für einen auf Wein spezialisierten Blogger wie ich es nunmal bin, stellte diese Station freilich eine willkommene und vor allem hochinteressante Abwechslung dar, zu der einige fabelhafte Weine und für mich bis dato unbekannte Rebsorten im Anbau beitrugen. Aber zuerst der Reihe nach.

Can Axartell befindet sich im Norden der Urlaubsinsel, etwa fünf Kilometer von der Mittelmeerküste entfernt. Trubel herrscht hier allerdings keiner, stattdessen bin ich beeindruckt von der Landschaft und ihrer Stille. Das Weingut liegt in der Serra de Tramuntana, ein Gebirgszug, der seit 2011 von der UNESCO als Welterbe ausgewiesen ist. Es gehört dem Deutschen Hans-Peter Schwarzkopf, der freilich kein Unbekannter ist. Der heute 92-jährige Hamburger erwarb in den 1990er-Jahren das damals verlassene Anwesen, nachdem er seine Anteile an dem von Großvater Hans Schwarzkopf gegründeten Shampoo-Hersteller verkauft hatte, wie es in einigen deutschsprachigen Medien von Mallorca zu lesen ist.

Auf der 200 Hektar großen Finca finden sich historische Gebäude und bis zu 1.000 Jahre alte Olivenbäume.
Auf der 200 Hektar großen Finca finden sich historische Gebäude und bis zu 1.000 Jahre alte Olivenbäume.

Ökologisch von Beginn an und Weinbereitung mit Schwerkraft

Unsere dreizehnköpfige Gruppe wird aber nicht vom deutschen Senior, sondern von Agusti Mascaró empfangen, dem Business Developer und Exportleiter des Weinguts. Sämtliche sechzig Hektar Weinberge, die seit 1997 schrittweise angelegt wurden, erzählt er uns, sind vom ersten Spatenstich an biologisch zertifiziert. Das Weingut kaufe auch keine Trauben dazu, vielmehr habe man die eigenen Lagen und Böden lange Zeit genau studiert, ehe 2016 dann die ersten Weine auf den Markt kamen. Sechzig Prozent der Produktion landeten derzeit im heimischen balearischen Markt, so Agusti.

Im Weinbau richtet sich der Fokus ebenfalls auf die mallorquinischen Sorten: Rote Trauben wie Callet und Mantonegro haben es mittlerweile zu überregionaler Bekanntheit gebracht, während die weißen Prensal und Gíro Ros noch eher unterm Radar laufen. Auch einige „auswärtige“ Reben wie Syrah, Monastrell und Moscatel sind im Anbau. Aber was heißt hier eigentlich auswärtig? Schließlich befinden wir uns im mediterranen Raum, und diese drei letztgenannten Trauben sind mediterran par excellence. Ich persönlich verstehe das Mittelmeer als einen zusammenhängenden Kultur- und Landschaftsraum. Eine eigentlich „französische“ Sorte wie Syrah ist für mich deshalb überall am Mittelmeer, auch in Spanien, heimisch. Dies als Randbemerkung.

Ein Clou ist die Kellerei, deren Ausstattung es an rein gar nichts fehlt: konisch geformte Edelstahltanks, ovale Fuder von Doreau, Barriques, modernste Abfüllanlage und so fort. Das Gebäude wurde in einen Fels hineingebaut, und auf seinen vier Etagen findet die Weinbereitung unter Beihilfe der Schwerkraft statt. Die Vinifizierung beginnt demnach auf der oberen und endet auf der unteren Ebene, ohne dass etwa ein mechanisches Umpumpen des Weins erfolgt. Den Sinn und Zweck dieses Prinzips habe ich schon einmal in diesem Beitrag zu Bodegas Baigorri in der Rioja ausführlich beschrieben.

Die moderne Kellerei, hier ein Außenbereich, wurde in einen Felsen hineingebaut. Can Axartell.
Die moderne Kellerei, hier ein Außenbereich, wurde in einen Felsen hineingebaut.

Ausgestorbene lokale Rebsorten für den Klimawandel

Auf unserm Rundgang durch die bezaubernde, 200 Hektar große Finca führt uns Agusti vorbei an knorrigen Olivenbäumen hin zu einem Test-Weinberg. Can Axartell kultiviert hier über 20 quasi ausgestorbene Rebsorten. Es handelt sich um ein gemeinsames Projekt mit der Regionalregierung der Balearen und der Universität von Palma, dessen Aufgabe darin besteht, alte lokale Rebsorten auf ihre Tauglichkeit bezüglich Qualität und den Herausforderungen des Klimawandels zu bestimmen.

Anfangs suchten Forscher der Universität Palma nach einzelnen Rebstöcken auf der Insel, die sie einer DNA-Analyse unterzogen. Mit der Abgleichung in Datenbanken konnten sie die Identität der Sorten bestimmen. Auf diese Weise entdeckten sie etwa die weißen Vinater Blanc und Montona und die rote Valent Negre, die Can Axartell nun zu Testzwecken kultiviert. Man findet diese Sorten ausschließlich auf Mallorca. Für den kommerziellen Anbau sind sie noch nicht zugelassen, aber einige der Mikrovinifikationen seien vielversprechend, sagt Agusti Mascaró.

„Viele dieser Rebsorten zeichnen sich durch niedrige Alkoholgrade aus und sie ergeben – etwa bei den roten Trauben – auch weniger farbintensive Weine“, berichtet er. „Wir vermuten, dass sie eine Zeit lang nicht mehr angebaut wurden, weil sie nicht zum Zeitgeist passten. Vor 30 oder 40 Jahren glaubten die Leute, dass Qualitätsweine alkoholisch und dunkelfarbig sein müssen.“ Andere lokale Sorten gingen freilich auch durch die Reblausplage verloren, bzw. sie wurden danach aus verschiedenen Gründen nicht mehr angebaut.

Can Axartell: Die weiße Vinater Blanc ist eine jener ausgestorbenen lokalen Sorten, von denen sich die Winzer in Mallorca mit Blick auf den Klimawandel positive Resultate erhoffen.
Die weiße Vinater Blanc ist eine jener fast ausgestorbenen lokalen Sorten, von denen sich die Winzer in Mallorca mit Blick auf den Klimawandel positive Resultate erhoffen.

Worin auch immer die Faktoren für den Verlust an Rebsortenvielfalt im 20. Jahrhundert liegen mögen, den spanischen Winzern und Behörden wird zunehmend klar, dass die lange Zeit vergessenen Reben einen wertvollen Fundus bieten, um auf den Klimawandel zu reagieren. Das heute bereits heiße und trockene mediterrane Klima schreit geradezu nach Rebsorten, die nicht nur trockenheitsresistent sind, sondern bei Hitze auch Säure gut konservieren können und deren Alkoholgrade nicht durch die Decke schießen.

Auf Mallorca kommt ein weiteres Problem im Weinbau hinzu: „Wir haben nicht diese großen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht wie viele andere spanische Regionen auf dem Festland“, sagt Agusti Mascaró.

Tatsächlich befinden sich die Weinberge auf Mallorca, auch bei Can Axartell, oftmals nur auf 100 Metern Höhe, während in anderen mediterranen Gebieten in Katalonien, Valencia, Murcia und Andalusien die meisten Weinberge auf 400 bis 1300 Meter Höhe liegen, es dort nachts entsprechend stärker abkühlt, sich die Reifezyklen der Trauben verlängern und die Beeren somit potenziell Säure besser konservieren.

Umso bedeutender wird in Zukunft für Mallorca – selbstverständlich auch anderswo – die richtige Auswahl der Rebsorten sein, und natürlich auch eine biologische oder biodynamische Landwirtschaft, die Böden und Pflanzen vitalisiert, statt auszehrt.

Die weiße Montona war einst im Norden der Insel rund um den Ort Pollenca im Anbau. In einigen Jahren vielleicht wieder.
Die weiße Montona war einst im Norden der Insel rund um den Ort Pollenca im Anbau. In einigen Jahren vielleicht wieder.

Eine dieser ehedem ausgestorbenen mallorquinischen Rebsorten mit neuer Zukunft heißt Esperó de Gall. Die rote Traube erhielt 2021 nach langjähriger Experimentierphase die behördliche Zulassung für den kommerziellen Weinbau. In der Kellerei schenkt uns Agusti eine sortenreine Probe des noch nicht abgefüllten 2021er-Jahrgangs ins Glas. Das Gewächs ist einzig im Stahltank ausgebaut und fraglos noch etwas verschlossen. Die Nase ist ziemlich reduktiv, angezündete Streichhölzer, was mir eigentlich immer gut gefällt. Ansonsten gehen die Aromen in die vegetabile und kräuterige Richtung. Der Rotwein hat nur 12,5 Prozent Alkohol und eine schöne griffige Textur. Das ist gut, interessant und individuell!

Callet ist die Königin von Mallorca

Meine rote Lieblingstraube ist und bleibt aber Callet. Sie scheint besonders gut mit den stark eisenhaltigen Lehmböden auf Mallorca – „Vermell“ genannt – zu harmonieren. In den besten Fällen ergibt sie hochfeine, elegante, schlanke und frische Rotweine, so dass man sie auch als die „Pinot Noir von Mallorca“ bezeichnen könnte.

In diese Klasse fällt der Rotwein Can Axartell Terrum 2019. Er ist zu 100 Prozent aus Callet gewonnen, schlank, straff und mit heller Farbe, dazu eine duftende Nase, rotfruchtige, florale Aromen, elegant und einwandfrei balanciert. Dieser Wein macht Spass und hat außerdem Tiefe. 12 Monate Ausbau im 2.500 Liter Fuder.

Einen weiteren Höhepunkt bei der Degustation bietet Can Axartell Corum 2020. Dieser Weißwein entstammt einem lokalen Malvasia-Klon. Die Spontanvergärung und der zehnmonatige Ausbau auf der Feinhefe erfolgten im 2.500 Liter Eichenfuder: Zarte, verführerische Nase von Orangenblüte; am Gaumen vollmundig und cremig, druckvoll und feinwürzig im Abgang. Mit 6,4 Gramm Säure wunderbar frisch und mit einem insgesamt saftigen Zug. Großartig.

Can Axartell, Weißwein aus lokaler Malvasia
Famoser Weißwein aus dem lokalen Klon ‚Malvasia de Banyalbufar‘.

Weitere Infos:

Auf Mallorca gibt es zwei Qualitätsweingebiete – die D.O. Binissalem mit einer Rebfläche von 270 Hektar und die D.O. Pla i Llevant mit 380 Hektar (laut Zahlen der Regionalregierung). Das Weingut Can Axartell befindet sich außerhalb dieser DO-Grenzen. Deshalb kommen die Weine unter der Herkunft „Vi de la Tierra Mallorca“ auf den Markt. Dieses sogenannte Landweingebiet kommt auf knapp 1.000 Hektar Anbaufläche.

Titelbild: Agusti Mascaró im Testweinberg bei Can Axartell

Alle Beitragsfotos: © Thomas Götz, Spaniens Weinwelten

Bezugsquelle DE: www.copito.de

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