Auf geografischer Breite der Sahelzone und vom nächsten Punkt grade mal hundert Kilometer davon entfernt, liegen die Kanaren. Hinsichtlich des dortigen Weinanbaus lässt sich sagen, dass diese zu Spanien gehörende Inselgruppe aus vielen Miniaturkontinenten besteht. Teils enorm spannende Weine aus autochthonen Rebsorten entstammen den vulkanischen Böden, so auch der 7 Fuentes, mit dem dieser Beitrag beginnt.
7 Fuentes, Jg. 2013, Suertes del Marqués, DO Valle de la Orotava
Der trockene Rotwein des Jahrgangs 2013 kommt vom Weingut Suertes del Marqués aus dem Anbaugebiet DO Valle de la Orotava auf Teneriffa. In der Nase erinnert er mich anfangs an nassen Fuchsschwanz und feuchtes Moos. Auf jeden Fall erdig und animalisch. Dieser Grundton bleibt erhalten, wenngleich er mit zunehmendem Luftkontakt in den Hintergrund tritt und dafür fruchtige Noten wie Kirsche verstärkt zum Vorschein kommen. Am Gaumen präsentiert sich der 7 Fuentes äußerst vielschichtig mit würzigen und mineralischen Noten, die bei meinen drei Mitverkostern ebenfalls großen Gefallen fanden.
Gekeltert wird der Tropfen hauptsächlich aus der einheimischen Listán Negro unter Beigabe von zehn Prozent Tintilla. Die Reben sind zwischen zehn und hundert Jahre alt und wachsen auf einer Meereshöhe von 300 bis 800 Metern. Der Ausbau des mit natürlichen Hefen vergorenen Weins erfolgt bei vierzig Prozent für acht Monate in 500 Liter fassenden Eichenfässern und bei sechzig Prozent für acht Monate im Betonbehälter. Darüber hinaus spritzt das Weingut nach eigenen Angaben keine Herbizide oder Pestizide und verwendet im Keller nur „minimale Mengen an Schwefel“. Eine absolute Trinkempfehlung mit der Zusatzinfo, dass insbesondere der El Circuelo von Suertes del Marqués in Weinkreisen noch höher gehandelt wird.
Pico de Teide auf Teneriffa, mit 3718 m höchser Berg Spaniens (Foto: Efraín Pintos / © ICEX)
Die Kanaren – vulkanische Böden, enorme Höhenunterschiede und reblausfreies Gebiet
Was mich an den Kanaren insgesamt erstaunt, ist die Kleinteiligkeit im Weinbau. Wo wir uns schon grade auf der Insel befinden, sei als Beispiel hierfür Teneriffa genannt: Mit einer Länge von etwa 84 Kilometern und einer Breite von bis zu 54 Kilometern ist die Insel nicht gerade groß, beherbergt aber sage und schreibe fünf ausgewiesene DO-Anbaugebiete.
Je nach Himmelsausrichtung, Nähe zum Ozean oder der Hochlage (von 100 bis ca. 1200 m Meereshöhe) eines jeweiligen Weinbergs haben wir es auf Teneriffa mit differenzierten wie spezifischen klimatischen Bedingungen zu tun. Und obwohl der Erdboden wie auf allen Kanarischen Inseln vulkanischen Ursprungs ist, kann man unterschiedliche Böden aus unterschiedlichen geologischen Epochen vorfinden.
Ein weiteres Charakteristikum des Weinbaus auf den Kanaren ist, dass die Inselgruppe von der Reblausplage, die den europäischen Kontinent im 19. Jahrhundert heimsuchte, verschont blieb. Somit sind die Reben wurzelecht und können ungepfropft gepflanzt werden. Deshalb finden sich teils jahrhundertealte Reben in den Weinbergen wieder, und dies dürfte ferner ein Grund für die beeindruckende Vielfalt an autochthonen Sorten sein.
Baboso Negro 2012, Ignios Orígenes, DO Ycoden-Daute-Isora
Wo die Bezeichnung Terroir-Wein keine leere Worthülse darstellt
Sogar einen Tick höher einzustufen als der eingangs vorgestellte 7 Fuentes ist meines Erachtens der Baboso Negro 2012 von Ignios Orígenes. Nicht nur preislich, der Wein kostet mehr als das Doppelte, sondern auch aufgrund der wunderbaren geschmacklichen Eigenschaften. Die Trauben werden nur bei dreißig Prozent entrappt und stehen für 48 Stunden auf der Maische, ehe sie über einen Zeitraum von drei Wochen im Stahltank vergären. Danach werden sie sanft gepresst und der Most in 228 Liter fassende Eichenfässer befördert, in denen die malolaktische Gärung stattfindet und der Wein für weitere 18 Monate reift.
Im Duft offenbart der Wein erdige und rauchige Noten, die im Zusammenhang mit dem vulkanischen Gestein stehen. Der Baboso Negro 2012 schmeckt zudem enorm saftig und weich, besitzt würzige und kräuterige Aromen und ist von außerordentlicher Komplexität bei gleichzeitiger Schlankheit und Eleganz. Mit jedem Schluck meine ich neue Geschmacksnuancen wahrzunehmen. Einfach nur fabelhaft!
Die Weinberge des jungen Projekts befinden sich in der DO Ycoden-Daute-Isora, eine Nachbarregion der Appellation Valle de la Orotava und ebenfalls im Norden von Teneriffa gelegen. Die Reben – zu denen auch die Vijariego Negro gehört, die außerhalb der Kanaren nur noch in der andalusischen Alpujarra angebaut wird – wachsen auf etwa 450 Höhenmetern auf vulkanischen Böden mit hohem Löss-Anteil und unter dem Einfluss von Passatwinden.
Rechts im Bild: die Táganan-Parzellen von Envínate (Foto: Desconocido / © ICEX)
Ein paar Worte möchte ich an dieser Stelle zu einem Weinprojekt verlieren, dessen Weine ich bislang gar nicht getrunken habe, auf das ich im Zuge meiner Recherchen für diesen Artikel erst später stieß, welches aber so interessant klingt, dass ich es zumindest in Grundzügen erwähnen will.
An der Steilküste im Norden Teneriffas – rechts am Bildrand auf dem Foto oben zu sehen – befinden sich die Táganan-Parzellen mit bis zu zweihundert Jahre alten Mischsätzen. Der Atlantische Ozean, der mit seiner kalten Kanaren-Strömung die Temperaturen an der Küste ausgleicht und der Luft viel Feuchtigkeit zufügt, wirkt hier unmittelbar.
Bewirtschaftet werden die schwer zugänglichen Rebgärten mit ihren wild wachsenden Reben von Envínate. Die Táganan-Weißweine entstehen aus heimischen Sorten wie Gual, Listán Blanco und Marmajuelo. Die Rotweine, unter anderem aus Baboso, Negramoll und Malvasia Negra, werden wie zum Beispiel der Táganan Tinto teilweise mit den Rappen spontanvergoren und im gebrauchten Holz ausgebaut.
Habe ich mich kürzlich in einem Artikel kritisch über die inflationäre Verwendung des Begriffs „Terroir-Wein“ geäußert, so trifft diese Bezeichnung auf die Weine von Envínate gewiss zu. Neben Teneriffa ist dieses Projekt vier junger Önologen auch auf dem spanischen Festland in Galicien, Kastilien-León und der Extremadura in Sachen (Terroir-)Wein aktiv. Früher oder später wird es auf diesem Blog einen eigenen Artikel dazu geben.
Aus der DO La Palma kommt der feine Negramoll von Matías i Torres.
Setzen wir abschließend von Teneriffa nach La Palma über. In Fuencaliente, einer Subzone der DO La Palma, ziehen sich in einem UNESCO-Biosphärenreservat die Lagen von Matías i Torres von 200 Metern bis auf 1400 m ü. NHN hoch. Freilich wie überall auf den Kanaren auf vulkanischem Untergrund. Weißweine aus Albillo und Malvasia sowie einen Rot- und Roséwein aus Negramoll erzeugt das kleine Weingut, dessen jährliche Produktion bei um die 15.000 Flaschen liegt.
Ich hatte das Vergnügen den Negramoll Tinto 2012 auf Empfehlung eines Weinhändlers in Málaga bei mir zuhause mit Freunden zu verkosten. Es handelt sich einmal mehr um einen außergewöhnlichen Rotwein: hervorragend ausbalanciert, saftig, sehr erdig, dezent rauchig, Kirschfrucht, filigrane Stilistik, langer Nachhall. Die Aufzählung ließe sich verlängern, derart viele Nuancen stecken in diesem Tropfen.
Aus den Erträgen zweier Lagen wird der Negramoll Tinto von Matías i Torres gekeltert. Eine mit Südausrichtung zwischen 300 und 450 m. ü. NHN, die andere mit nordwestlicher Ausrichtung auf einer Meereshöhe von 1000 bis 1400 Metern. Die Trauben werden nach der Lese zunächst in den „Lagares“ aufbewahrt, den traditionellen Holzpressen der Kanaren. Die alkoholische Gärung findet mit autochthonen Hefen in 600-Liter-Holzfässern aus Eiche und Kastanie statt, in denen der Wein weitere fünf Monate ausgebaut und später unfiltriert abgefüllt wird.
Fazit: Mit Superlativen sollte man vorsichtig umgehen. Für mich kann ich an diesem Punkt jedoch sagen, dass die hier beschriebenen Weine und Weingüter aus Teneriffa und La Palma die Überraschung schlechthin darstellen, seit ich mich mit spanischen Weinen befasse. Der Kontext und Geschmack, den die Kanaren liefern, ist einzigartig und hochinteressant.