Besuch aus der Schweiz – eine Weintour in Andalusien

Weintour in Andalusien, unsere Gäste aus der Schweiz

Über einen holprigen Feldweg gelangen wir zur Olivenölmühle La Flor de la Alpujarra. Ich parke das Auto hinter der Anlage und wir steigen aus. „Entschuldige die Verspätung“ rufe ich Gerhard zu, der uns bereits erwartet. „Macht nichts, wir sind in Andalusien“, entgegnet er ganz entspannt und lächelt dabei. 

Gerhard stammt aus Österreich, ist allerdings seit zwölf Jahren für den Betrieb besagter Olivenölmühle in der Provinz Granada verantwortlich. Er erzeugt nicht mehr und nicht weniger als das beste Olivenöl der Alpujarra-Region – ein „Virgen Extra“, kalt extrahiert bei maximal 23 Grad. Um das Alpenstelldichein komplett zu machen, habe ich vier Gäste aus der Schweiz im Schlepptau: Bianca, Katrin, Marco und Reto haben eine Weintour gebucht, die uns am Ende des Tages zur Abwechslung in eine Olivenölmühle, eben jene von Gerhard, führen sollte. 

Besuch: Gruppe mit Gerhard
Keine österreichisch-schweizerische Rockband, nur eine Führung durch eine Olivenölmühle in Andalusien.

Sichtlich stolz zeigt uns Gerhard den „Patio“, also den Vorhof, in dem die angelieferten Oliven zuerst verarbeitet und selektioniert werden. Alle Laufbänder und Geräte sind aus Edelstahl, die gesamte Anlage ist blitzeblank sauber. Noch stehen die Maschinen still, aber wenn in etwa zwei Wochen die Olivenernte beginnt, gibt es bis Ende Februar kaum eine ruhige Minute mehr.

Gerhard bzw. seine Kooperative, deren Direktor er ist, haben in den letzten Jahren viel Geld investiert, um die Produktion nochmals zu verbessern: neue Zentrifugen, moderne Filteranlage und Edelstahltanks mit konischen Böden, damit sich der „Schlonz“, wie Gerhard sagt, besser absetzen kann. Die Erzeugung von Olivenöl, so habe ich nach unserer Führung den Eindruck, ist ein permanenter Prozess des Reinigens, des Trennens von Trubstoffen, Schmutzpartikeln und Fruchtwasser, bis letztlich hochwertiges Olivenöl übrig bleibt. Fünf Kilogramm Rohstoff, also Oliven, werden für einen Liter Öl benötigt.

Olivenölmühle La Flor de la Alpujarra
La Flor de la Alpujarra. Olivenölmühle nahe der Ortschaft Orgiva.

Mit all den Edelstahltanks sieht es in Gerhards Mühle fast so aus wie im Keller einer Weinerei. Beim Umgang mit dem Lesegut bestehen weitere Ähnlichkeiten: Wie Trauben sollten auch Oliven am Tag der Ernte möglichst unbeschädigt und rasch verarbeitet werden, denn beide Früchte sind oxidationsanfällig. Eine solche Oxidation, die unangenehme Düfte freigibt und Primäraromen der Frucht überlagert, gilt es freilich zu verhindern. 

Zwei Olivenöle produzieren Gerhard und seine Mitarbeiter derzeit: Beide in der obersten Qualitätsstufe „Extra Virgen“ – eines biologisch, eines konventionell. Die Öle schmecken fruchtig, mild und vollmundig. Das von mir für die Probe ergänzend mitgebrachte Virgen-Öl riecht laut Gerhard hingegen wie „nasser Hund“. Für ihn ist es nahezu ungenießbar. Und in der Tat erkenne ich einen deutlichen Qualitätsunterschied zwischen seinen Ölen und dem meinen, das ich aus einer wenige Kilometer entfernten Mühle beziehe. Folglich werde ich in Zukunft meine Olivenernte aus siebzig Bäumen sicher bei Gerhard verarbeiten lassen. Mit dieser Gewissheit endet unser Ausflug.

Olivenöl-Probe
Vor unserer Olivenöl-Probe.

Moment mal, da war ja noch eine Weintour in Andalusien angekündigt: Für mich und die Schweizer Gäste begann der Tag natürlich mit Wein. Bianca, Katrin, Marco und Reto waren erst am Vorabend bei strömendem Regen und Kälte in Granada angekommen. Solche Wetterkapriolen ziehen sich bereits das ganze Jahr hindurch: Auf einen ungewöhnlich nassen Frühling und einen verhältnismäßig kühlen Sommer folgt ein noch kühlerer und regenreicher Herbst, was sich auf den Weinanbau und die Weinernte in Granada auswirkt. So staunte ich nicht schlecht, als wir im Weingut Señorío de Nevada ankamen: An den meisten Reben hingen noch Trauben und das am 19. Oktober!

„Wir sind mit der Ernte erst zur Hälfte fertig“, erzählt Alejandro, der uns durch das Weingut führt. Ein Grund ist eben der stets wiederkehrende Regen: Spät reifende Sorten wie Petit Verdot lassen sich im heurigen Klima viel Zeit, und es wird spannend zu sehen sein, wie sich dieser kühle Jahrgang 2018 im Wein bemerkbar machen wird.

Weintour Petit Verdot
Trauben der Petit Verdot in einem Weinberg von Señorío de Nevada.

Señorío de Nevada – Weinanbau im Wirkungskreis der Sierra Nevada
Hacienda Señorío de Nevada liegt im Valle de Lecrin, nur wenige Kilometer von der Provinzhauptstadt Granada entfernt. Trotzdem fühlt man sich im Weingut, dem seit 2010 ein Vier-Sterne-Hotel angegliedert ist, ganz abgeschieden: Keine Siedlung zu sehen, kein Autoverkehr zu hören, einzig eine schmale Straße, die zu dem Anwesen mit 16 Hektar Weinbergen führt. Zum pittoresken Landschaftsbild trägt die nahe Sierra Nevada bei, deren Berge sich in südöstlicher Richtung auftürmen. Einige Gipfel sind weit höher als 3.000 m und tragen am Tag unseres Besuchs den ersten Herbstschnee. 

Weintour Gruppe
Auf Weintour in Andalusien: Reto, Bianca, Marco und Katrin. 

„Die Sierra Nevada hat einen entscheidenden Einfluss auf unser Klima hier und den Wein“, klärt uns Alejandro auf. Das Gebirge stelle einen kühlenden Faktor dar, ergänzt er. In „normalen“ Sommern wird es im Valle de Lecrin am Tag bis zu 40 ºC heiß. Aufgrund einer Höhenlage von etwa 700 Metern und der Einwirkung der Sierra Nevada kühlt es nachts hingegen auf bis zu 17 ºC ab. Diese deutlichen Unterscheide in der Tagestemperatur sind vorteilhaft: Bei Hitze und Sonne produzieren die Trauben freilich viel Zucker und reifen schnell. In den kühlen Nächten hingegen können sie ihre Produktion herunterfahren, eine Ruhepause einlegen und dabei Säure und Tannine herausbilden. Zählt man dann noch die ton-, kalk- und schieferhaltigen Böden hinzu, so darf man bezüglich Señorío de Nevada von einem spezifischen und richtig guten Terroir für Wein sprechen. 

Weinberg vor der Sierra Nevada
Nicht die Schweiz, sondern Andalusien. Der viele Regen 2018 verwandelt die Landschaft in ein ungewohntes Grün.

Im Weinberg wird bei Señorío de Nevada nachhaltig gearbeitet. Das Weingut verzichtet beispielsweise auf den Einsatz von Herbiziden. Unkraut darf im Weinberg wachsen – eine reine Monokultur ist eher schädlich. Rosensträucher, die am Rand einer jeden Rebstock-Reihe gepflanzt sind, dienen als natürliches Frühwarnsystem, um eventuellen Schädlingsbefall rasch zu erkennen und um in einem solchen Fall präventive Maßnahmen im Weinberg ergreifen zu können. Eine Parzelle mit der Sorte Petit Verdot ist darüber hinaus als „Bio“ zertifiziert. Daraus entsteht ein sortenreiner Rotwein, der einzig im Stahltank ausgebaut und jung abgefüllt wird. Ich mag den aktuellen 2016er, weil er Frucht, etwas Pfeffer und gute Säure zeigt und recht saftig schmeckt.

Abziehen von der Maische
Im Weinkeller: Nach der alkoholischen Gärung wird der Wein von der Maische abgelassen und in einen anderen Tank gepumpt.

Neben weiteren roten Reben wie Tempranillo, Syrah, Garnacha oder Cabernet Sauvignon ist ferner die weiße Vigiriega im Anbau. Jene autochthone Sorte der Provinz Granada ergibt Weißweine mit einer tendenziell knackigen Säure. Aufgrund ihres säurebetonten Charakters wird die Vigiriega bei Señorío de Nevada mit der deutlich fruchtigeren Viognier verschnitten. Jene im Stahltank ausgebaute Cuvée des Jahrgangs 2017 stößt in unserer Gruppe auf unterschiedlichen Anklang, was ich durchaus als gutes Zeichen empfinde, wenn nicht alle einer Meinung sind.

Selbstverständlich reifen einige rote Gewächse darüber hinaus in Barriques aus französischer Eiche. Je nach Sorte und Wein dauert der Ausbau im Fass zwischen 10 und 18 Monate. Außerdem wird bei der Erst-, Zweit- und Drittbelegung variiert. Bei einer Erstbelegung gibt das neue unbenutzte Fass freilich mehr eigene Tannine und Aromen (ggf. Vanille, Tabak, Karamell, etc.) an den Wein ab, als es bei einer dritten Verwendung der Fall ist. Der Rotwein „Bronce“, der mir am besten gefällt, wird beispielsweise in Drittbelegung ausgebaut. Danach werden die Eichenfässer ausrangiert.

Weintour, Gruppenbild
Alejandro in der Bildmitte, unser sehr netter Guide.

Insgesamt folgt die Weinbereitung den klassischen – ich bin manchmal geneigt zu sagen „konservativen“ – Methoden: Dies wären zum Beispiel die Beimischung von Reinzuchthefen für die alkoholische Gärung, eine Schönung des Weins mit Eiweiß und Gelatine sowie eine abschließende Filtrierung. Auf diese Weise entstehen für mein Empfinden durchweg sehr gute und saubere, dichte und konzentrierte Rotweine, wenngleich sie nicht ganz so spannend und einzigartig daherkommen wie manche Gewächse manch anderer Weingüter in der Region Granada, die Naturweine keltern und unter anderem auf eine Spontanvergärung mit natürlichen Hefen setzen. Dennoch: Señorío de Nevada bietet einen äußerst attraktiven Dreiklang aus malerischer Landschaft, repräsentativem Anwesen und gelungenem Wein.

Hacienda Senorio de Nevada
Hacienda Señorío de Nevada. Weingut mit Hotel im Valle de Lecrin.


Weitere Infos:
Falls Sie sich für eine Weintour in Andalusien interessieren und einmal daran teilnehmen möchten, so finden Sie auf unserer Weinreisen-Seite weitere Informationen: www.spaniens-weinwelten.com/weinreisen 

Die Olivenöle von La Flor de la Alpujarra können Sie in Deutschland beim Händler „Alpujarra Olivenöl“ beziehen: www.alpujarra-olivenoel.de

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