Ein Teil meiner Arbeit besteht darin, Weinreisen zu organisieren. So kam ich im November in zwei Weinbaugebiete im Umland von Bilbao und San Sebastian. Die dortigen „Txakoli“-Weine sind eher Insidern bekannt, während die baskische Küche freilich Weltruf genießt.
Ich war mit einer achtköpfigen deutsch-österreichisch-ungarischen Gruppe unterwegs. Die von uns bereiste baskische Atlantikküste ist eigentlich ein sehr regenreiches Gebiet und der Jahresniederschlag mit bis zu 1600 mm fast doppelt so hoch wie in Hamburg. Wir hingegen hatten Glück, und das im Spätherbst: Sonne pur bei fast 25°C. Es war so warm, dass einige von uns sogar am Stadtstrand „La Concha“ von San Sebastian im Kantabrischen Meer schwimmen gingen.
Mit San Sebastian habe ich ein erstes Stichwort gegeben. Was für eine Stadt! Ihre Restaurants bieten eine der höchsten Sternedichten der Welt. Aktuell kommt sie auf 16 Michelin-Sterne bei weniger als 200.000 Einwohnern. Selbst in den einfachsten Pintxo-Bars ist die Qualität der Speisen meist fantastisch.
Besagte Pintxos sind im Grunde nichts anderes als raffiniert zubereitete Tapas. Traditionell werden sie auf Zahnstocher-artigen Spießchen angerichtet, etwa die „Gilda“, eine Kreation aus Pepperoni, Oliven und Sardellenfilets. Pintxo ist baskisch und bedeutet wörtlich übersetzt Spieß. Aber auch zu warmen Häppchen, die auf Tellern serviert werden, sagen die Basken inzwischen Pintxos. Ich gehe in diesem Beitrag nicht näher auf die vielen kulinarischen Highlights unserer Reise ein. Am Ende des Texts liste ich einige Tipps für Foodies auf, doch insgesamt konzentriere ich mich im Folgenden auf die von uns besuchten Weingüter.
Txakoli oder der Wein der Bauernhöfe
Zunächst ein paar Worte zum Txakoli-Wein im Allgemeinen. Der Name leitet sich vom baskischen Wort „etxeko ein“ (zu Hause) ab und bedeutet soviel wie „hausgemacht“. Schon im Mittelalter wurde der Wein auf den Bauernhöfen der Region für den Eigenbedarf gekeltert.
Die große Mehrheit der Txakolis sind Weißweine aus der Rebsorte Hondarrabi Zuri. Der Name bezieht sich auf die baskische Küstenstadt Hondarrabia, die an der Grenze zu Frankreich liegt. „Zuri“ wiederum bedeutet weiß. Wörtlich könnte man also sagen „der Weiße aus Hondarrabia“. Klassischerweise handelt es sich um leichte, trockene Weine mit ausgeprägter Säure und etwas Perlage (wie man sie auch vom Vinho Verde in Portugal kennt). Einige der spritzigen Txakolis werden heute mit Kohlensäure versetzt, während andere Winzer die natürliche Gärungskohlensäure im Wein erhalten.
Traditionelle Txakolis werden typischerweise in grüne Rheinweinflaschen abgefüllt, wie auf dem Foto unten zu sehen ist. Den erfrischend zitrischen Bengoetxe 2023 trank ich in San Sebastian in der Weinbar Curdelón, die ich sehr empfehlen kann. Neben einer großen Auswahl an baskischen Weinen verfügt sie über ein ausgezeichnetes Sortiment an spanischen und internationalen Gewächsen. Zudem gibt es wenige roséfarbene Txakolis – meist aus der mit dem Cabernet Franc verwandten Rebsorte Hondarrabi Beltza – die in ihrer traditionellen Ausprägung ebenfalls leicht spritzig sind.
Bodega K5 oder der neue Txakoli
Die Txakoli-Weine entstehen in drei baskischen DO-Appellationen, die zusammen etwas mehr als 1.000 Hektar Rebfläche umfassen. Von großen Mengen kann also keine Rede sein, obwohl die Txakolis aufgrund ihres Geschmacksprofils durchaus in Mode gekommen sind: Weiß, leicht und mit frischer, lebhafter Säure ist derzeit angesagt.
Darüber hinaus hat sich „Txakoli“ und das, was man darunter versteht, zu einer weit gefassten Kategorie entwickelt: Ihr gehören nicht mehr nur die oben beschriebenen spritzigen Weine an, sondern auch vollmundige, mineralische, komplexe und tiefgründige Gewächse, die zum Beispiel länger auf der Hefe und in der Flasche reifen.
Diese letztgenannte, neuere Kategorie repräsentiert die Bodega K5. Das Weingut liegt eine halbe Fahrstunde von San Sebastian entfernt, in einer ebenso grünen wie bergigen Landschaft mit Ausblick aufs Kantabrische Meer. Wir sind hier in der DO Getariako Txakolina, die Älteste und mit knapp 500 Hektar Rebfläche die Größte der drei baskischen Txakoli-Appellationen.
K5 wurde 2005 von Karlos Arguiñano, dem wohl berühmtesten Koch Spaniens, der landesweit aus Film und Fernsehen bekannt ist, und einigen seiner Freunde gegründet. Heute führt seine Tochter Amaia Arguiñano die Geschicke des Weinguts.
Eine schmale Straße führt unseren Minibus den steilen Hang hinauf auf 300 Meter Meereshöhe. Die Bodega bewirtschaftet 15 Hektar Weinberge, die ausschließlich mit der Weißweintraube Hondarrabi Zuri bepflanzt sind. Die Reben wachsen in Spaliererziehung auf Granit- und Schieferböden.
Besonders gefreut habe ich mich, an diesem Tag endlich Lauren Rosillo zu treffen. Lauren hat sein persönliches Weinprojekt, Sedella Wines, in der andalusischen DO Sierras de Málaga, einem meiner Spezialgebiete, schließlich wohne ich nicht weit davon entfernt. Aber immer, wenn ich dort war, war Lauren nicht da, denn er ist auch der technische Direktor der Weingruppe Martinez Bujanda und dementsprechend viel unterwegs. Außerdem ist Lauren der Weinberater der Bodega K5. Und so kam es, dass wir uns nach all den Jahren erstmals am quasi anderen Ende Spaniens begegneten.
Amaia und Lauren betonen, dass es ihnen nicht darum gehe, die klassischen spritzigen Txakoli-Weine zu erzeugen, die jung getrunken werden. Die Philosophie von K5 bestehe vielmehr darin, das Reifepotenzial der Hondarrabi Zuri aufzuzeigen. Schließlich verfügt die autochthone Rebsorte – auch dank der klimatischen Bedingungen – über einen hohen Säuregehalt. In Kombination mit dem bei K5 praktizierten Ausbau auf der Feinhefe begünstigt dies eine positive Entwicklung der Weine.
Alle von uns verkosteten Weine haben einen niedrigen Alkoholgehalt zwischen 11,5 und 12 Prozent. Im Profil sind sie zitrisch, kräuterig und mineralisch, mit seidig-cremigen Texturen und einer prima eingebundenen Säure. Mit der Zeit entwickeln sie tatsächlich sehr schöne Reifetöne und Tiefe wie etwa der Kaiaren 2016. Das Weingut baut diesen fantastischen Weißwein vier Jahre im Stahltank auf der Feinhefe aus und lässt ihn weitere zwei Jahre in der Flasche reifen, bevor er in den Handel kommt. Vielschichtig und tiptop ausbalanciert ist auch der Flaggschiffwein K5 Sobre Lias 2022, der sich mit seinem leicht salzigen Abgang als vielseitiger Speisebegleiter anbietet.
Bodega Katxiña oder das Wein- und Fischparadies
Danach war eigentlich eine Visite bei Winzer Mikel Errasti und seinem traditionellen Txakoli-Weingut Zudugarai geplant. Da sich aber an diesem Tag kurzfristig eine Weinkontrolle bei ihm angekündigt hatte, mussten wir ihn auslassen und fuhren direkt zur Bodega Katxiña zum Mittagessen.
Katxiña ist Weingut und Restaurant in einem. Die Kellerei und das Lokal sind von acht Hektar Weinbergen umgeben. Die Rebgärten liegen an einem Südhang, was den Einfluss der kühlen und feuchten Nordwinde mildert. Die Rebstöcke werden außerdem in Pergola-Form erzogen, so dass die Trauben weit über dem feuchten Boden hängen. Außerdem wird die Weinlage durch diese Erziehungsform besser durchlüftet, was im feuchten atlantischen Klima freilich von Vorteil ist. Der Nachteil: Pergola-Rebstöcke sind arbeitsintensiver, etwa beim Rebschnitt und bei der Lese.
Das Restaurant Katxiña wurde 1967 von dem Ehepaar José Miguel Zendoia und María Pilar Etxezarreta gegründet. Der „Asador“, was Grillrestaurant bedeutet, ist in der Region weithin bekannt. Heute wird es von den Kindern Izaskun und Iñaki Zendoia geführt. Sie sind Spezialisten für gegrillten Fisch und gegrilltes Fleisch und erhielten 2018 beim World Luxury Restaurant Award den Preis als bestes Luxus-Grillrestaurant der Welt.
Nach einem Aperitif im Garten setzen wir uns zu Tisch. Zuerst wird uns der Fisch frisch auf Tellern präsentiert. Wir entscheiden uns für Steinbutt und Seezunge. Die Weinkarte bleibt geschlossen, denn natürlich trinken wir dazu den Hauswein, den die Familie Zendoia seit Generationen herstellt, auch wenn sie das Weingut Katxiña offiziell erst 2014 gründeten. Der anregende Katxiña Apatei 2023 ist vielschichtiger als viele andere Txakolis aus der spritzigen Stilrichtung. Er wird aus Hondarrabi Zuri gekeltert und ruht nach der Vorgärung bei 4°C im Stahltank, um die natürliche Kohlensäure aus der Gärung zu erhalten. Der Wein hat einen schönen Trinkfluss, seine feine Säure und Perlage reinigen den Mund, so dass es ein Vergnügen ist, immer weiter zu essen.
Bodegas Itsasmendi oder die Qualitätspioniere
Ein drittes Highlight war der Besuch von Bodegas Itsasmendi im 440 Hektar großen Weinbaugebiet DO Bizkaiko Txakolina, welches das Umland von Bilbao abdeckt. Itsasmendi ist baskisch und bedeutet übersetzt „Berge und Meer“. Die Geografie der Region ist damit zutreffend beschreiben: Sie liegt am Kantabrischen Meer, dessen Hinterland ziemlich bergig ist. Das Regenaufkommen ist hier zwar etwas geringer als im benachbarten Getariako-Gebiet rund um San Sebastian, aber mit bis zu 1300 mm pro Jahr immer noch sehr hoch.
Als wir ankamen, ging es schon Richtung Abend und Winzer Garikoitz Rios erwartete uns bereits. Zusammen mit sechs Partnern gründete er 1994 das Weingut. Im Jahr 2019 erfolgte der Umzug in eine neue, architektonisch schicke Kellerei. Das Gebäude ist von Weinbergen und Wäldern umgeben und verfügt über eine eine tiptop Ausstattung an konischen Stahltanks, ovalen Fudern, Betoneiern und Tonamphoren. Garikoiz Rios und sein Team sind innovativ und experimentierfreudig. Es geht ihnen darum, das Potenzial der Region und ihrer Rebsorten für Spitzenweine zu entdecken und aufzuzeigen, was ihnen eindrucksvoll gelingt. Ihre charaktervollen Weißweine sind Weltklasse und brauchen keinen Vergleich zu scheuen.
Bodegas Itsasmendi baut die Weißweintrauben Hondarrabi Zuri, Hondarrabi Zuri Zerratie (Petit Courbu) und Riesling an, dazu die Rotweinsorten Hondarrabi Beltza und Pinot Noir. Sie bewirtschaften rund 40 Hektar Weinberge, die sich über verschiedene Ortschaften der DO Bizaiko Txakolina verteilen. Die Böden variieren, sind mal lehmiger, mal kalkiger. Zudem ist der Charakter der Parzellen aufgrund von Faktoren wie ihrer Nähe zum Meer und ihrer Himmelsausrichtung sehr unterschiedlich. Die Weinlese, erzählt Garikoitz, zieht sich deshalb über einen Monat hin.
Bei diesem Besuch war ich so sehr mit dem Übersetzen vom Spanischen ins Deutsche beschäftigt, dass ich nicht dazu kam, mir Notizen zu machen, weshalb ich im Folgenden weniger auf Details eingehe. Allerdings kannte ich die Weißweine von Itsasmendi schon von früheren Gelegenheiten. Sie sind begeisternd und hochspannend, wie etwa der griffige, lineare Einzellagenwein Leioa Paradisuak 2021 aus Hondarrabi Zuri, 15 Monate auf der Feinhefe im Betonei ausgebaut. Der beste Wein des Tastings war der lange, tiefe und überaus komplexe Artizar 2018, den sie im 600 Liter Holzfass reifen. Dieser Wein steht für einen anderen Ansatz: Aus verschiedenen Weinbergen stammend, will Itsasmendi bei ihm die Besonderheit eines Jahrgangs in die Flasche bringen.
Zum Abschluss kredenzte uns Garikoitz Rios den knackigen wie eleganten Rotwein Eklipse 2019 aus Pinot Noir und Hondarrabi Beltza. Die Cuvée fand wegen ihrer hohen Säure nicht bei allen in der Gruppe Anklang, bei mir aber umso mehr, denn dies ist ein Rotwein mit einer kühlen atlantischen Identität. Generell zeigt Bodegas Itsasmendi, wie vielfältig der Txakoli geworden ist und dass diesem Wein von der baskischen Küste kaum Grenzen gesetzt sind.
Weitere Genusstipps für die Reise
Bilbao
Topgastronomie: Etxanobe
Traditionelle Küche: La Viña del Ensanche
Weinbar: Cork
Gastronomie im Umland: Sidreria Elexalde
San Sebastian
Topgastronomie: Rekondo
Traditionelle Küche: Antonio Bar
Weinbar: Curdelón
Gastronomie im Umland: Asador Katxiña
Weitere Infos:
Alle Beitragsfotos: © Thomas Götz, Spaniens Weinwelten
Mit Ausnahme Foto 8: © Bodegas Itsasmendi