Wir kennen das aus Deutschland: Mosel, Nahe, Saale-Unstrut, Rheingau – ganze Anbaugebiete sind nach einem Fluss benannt, an dem sie sich entlangziehen. Und dort wo die Weingebiete nicht die Namen von Flüssen tragen, spielen diese trotzdem eine gewichtige Rolle wie zum Beispiel der Main in Franken, der Neckar in Württemberg oder der Oberrhein in Baden.
Auch in Spanien sind Flüsse namensgebenden für einige, über das Land verteilte Weinregionen: Ribera del Duero (Kastilien-León), Ribera del Júcar (Kastilien-La Mancha), Ribera del Guadiana (Extremadura) oder Costers del Segre (Katalonien). „Ribera“ übersetzt sich ins Deutsche übrigens als Ufer bzw. Uferlandschaft. Ist das Phänomen mit den Flüssen einfach nur Zufall und ein hübscher Begleitumstand für’s Landschaftsbild? Oder steckt mehr hinter dem Verhältnis von Fluss und Wein?
Der Ebro bei San Asensio in Rioja Alta (Foto: Dpto. Multimedia / © ICEX).
Wasser = mehr Licht und Wärme
Warum sind Flüsse für den Weinanbau bedeutsam? Das hat mehrere Gründe: Wasser reflektiert Licht. Licht ist wiederum für die Photosynthese der Reben enorm wichtig. Flüsse dienen zudem als Wärmespeicher, die abends und nachts Wärme in die Weinberge abstrahlen. Die Nähe zu Flüssen (bzw. Gewässern im allgemeinen) kann für Reben deshalb von großer Bedeutung sein – ganz besonders in kühleren Regionen mit relativ wenigen Sonnenstunden und häufiger starker Bewölkung, wie das zum Beispiel in Deutschland in der Regel der Fall ist.
Nun steht Spanien nicht unbedingt im Verdacht eine Cool-Climate-Region mit wenigen Sonnenstunden zu sein. Wärme und Licht gibt es in weiten Teilen Spaniens für die Rebstöcke natürlich zur genüge – auch ohne Flüsse als Wärmespeicher und Lichtreflektoren. Im atlantisch geprägten Norden ziehen Regenwolken und Kaltwetterfronten dann aber schon häufiger auf. Und im kontinentalen Klima Zentralspaniens kann es auf der dortigen Hochebene selbst im Frühjahr und Sommer mitunter empfindlich kalt in der Nacht werden. In dieser atlantisch-kontinentalen Klimazone entspringen dann auch die zwei bedeutendsten Flüsse, wenn wir vom Wein in Spanien sprechen: der Duero und der Ebro.
Und nochmal der Ebro in Rioja (Foto: Fernando Briones / © ICEX).
Das weitverzweigte Flusssystem des Ebro speist so große und großartige Weingebiete wie Rioja und Navarra sowie die aragonesischen Appellationen Somontano, Calatayud und Carinena. Nicht weniger klangvoll sind die Namen der Anbauregionen die am Duero und seinen Zuflüssen liegen: Ribera del Duero, Rueda, Toro. Dahinter bzw. flußabwärts wartet Portugal. Hier wird der Duero zum „Douro“, ehe er begleitet von einer spektakulären Weinlandschaft aus der die Trauben für den Portwein kommen bei Porto in den Atlantik mündet.
Flüsse als geologischer Faktor
Ein ergänzender Faktor zu Lichtreflexion und Wärmeabgabe stellt die geologische Auswirkung von Flüssen dar: Im Ribera del Duero hat sich der Fluss Duero beispielsweise über Jahrtausende in die Hochebene eingegraben und an den Hängen der dabei entstandenen Tafelberge kalkige, steinige Erde freigelegt. Diese nach verschiedenen Himmelsrichtungen ausgelegten Hänge bilden den Kern des Anbaugebiets.
Vom Duero „ausgehobene“ Tafelberge im Atauta-Tal in Ribera del Duero (Foto: Pablo Neustadt / © ICEX)
Im galicischen Anbaugebiet Ribeira Sacra – zu deutsch: das heilige Ufer – üben die Flüsse Miño und Sil ihren klimatischen und geologischen Einfluss aus: Schiefer- und Granitböden spielen hier zusammen. Ribeira Sacra ist eine Domäne der Sorte Mencía, die feine und mineralische und zugleich betont fruchtige Rotweine hervorbringen kann. Mein Tipp: Probieren Sie jene von Finca Millara.
In der benachbarten Region Ribeiro mischen sich die Ablagerungen des Flusses Miño wiederum mit den Granitböden zu Granitsandböden, welche Weißweine mit guter Säure und körniger Mineralität begünstigen, zum Beispiel solche aus der autochthonen Sorte Treixadura. Meine Empfehlung: Probieren Sie jene von Viña Mein.
Hanglagen in Ribeira Sacra am Fluss Sil (Foto: Luis Carré / © ICEX)
Allerdings ist eine direkte Lage am Fluss nicht automatisch von Vorteil: In Rioja befinden sich die besten Lagen mit ihren typischen Kalkböden vom Ebro entfernt. Auch in Rueda gelten die unmittelbaren Flusslagen nicht als die besten, da sie über weniger organische Substanzen verfügen als die weiter vom Duero wegliegenden Parzellen.
Ribera del Júcar – interessante Weine aus unbekannter Gegend
Eine junge spanische D.O.-Appellation, die nach einem Fluss benannt ist, ist Ribera del Júcar im Osten von Kastilien-La Mancha. Der Júcar entspringt auf stolzen 1700 m Höhe in der Sierra de Tragacete und zieht sich von hier aus auf rund 500 Kilometern durch die zentralspanische Hochebene hinab ins Mittelmeer. Das 9000 Hektar große Weingebiet Ribera del Júcar passiert der Fluss auf durchschnittlich 750 Höhenmetern.
Auf einem Weinsalon in Madrid im November 2017 hatte ich erstmals die Gelegenheit einige Weine aus der Region zu verkosten. Und zwar jene der Weingüter Illana, Casa Gualda und Vega Moragona (die Marke der großen Kooperative La Magdalena). Es sind ganz allgemein gesagt hervorragende, saftige Rotweine mit einer guten Struktur. Frucht, Säure und Gerbstoffe harmonieren bei allen Weinen gut verpackt zusammen, wenngleich die einzelnen Tropfen in ihrer Aromatik, Konzentration und Dichte natürlich unterschiedlich ausfallen. Hauptsächlich sind es Rotweine aus Tempranillo sowie der in Südostspanien häufig vorkommenden roten Sorte Bobal, die gekeltert werden.
Schöner Wein: Julián Carretero von der Kooperative La Magdalena mit dem La Duna 2014 (Vega Moragona, Ribera del Júcar)
Mein persönlicher Favorit war der „2014 Bobal 60’s“ von Vega Moragona. Seine fünfzig Jahre alten Reben gedeihen auf einem Boden, dessen Oberfläche mit faustgroßen, vom Flusswasser rundgewaschenen Steinen übersät ist (der Betriebsleiter Julián Carretero zeigte mir auf seinem iPad ein Foto der Weinlage). Die Steine speichern die Wärme am Tag und geben diese in der Nacht wieder ab. Das erinnerte mich an die steinigen Böden im Chateauneuf-du-Pape, die ich vor einigen Jahren bei meinem dortigen Besuch zu Gesicht bekam. So bedeutend sind die Weine aus Ribera del Júcar zwar nicht, aber dennoch sollten sie getrunken und im Auge behalten werden. Ein Wein von Vega Moragona, der mir auf dem besagten Weinsalon ebenfalls richtig gut gefallen hat – La Duna 2014 – kann in Deutschland über den Händler weinvorteil.de bezogen werden.